Madeleine Puljic schickt in ihrem neusten SF-Roman „Zweite Heimat – Die Reise der Celeste“ eine Siedlermission zum Mars.

Zweite Heimat - Die Reise der Celeste
© Knaur TB

Zur Handlung

In der nahen Zukunft: Die Umweltbedingungen auf der Erde haben sich massiv verschlechtert, Überbevölkerung ist ein wirklich großes Problem geworden und die Nationen tun sich – man glaubt es kaum – zusammen um eine erste Siedlungsmission zum Mars zu schicken. Als die Celeste den Mars erreicht, werden sie jedoch schon erwartet: Die echsenähnlichen E’Kturi – eine technisch weit überlegene außerirdische Rasse kam schon vor den Menschen an. Ganz bewusst wie sich zeigt.

Die Siedler sollen, nachdem der erste Kontakt relativ friedlich verlaufen ist, stellvertretend für den Rest der Menschheit beurteilt werden. Es geht dabei um die Aufnahme in das Sternenreich der Extraterrestrier oder den Untergang der Erdlinge. Während Kommandant Lajunen versucht, eine positive Beurteilung zu bewirken, intrigiert sein Stellvertreter Michael Harris in den nächsten Monaten hinter seinem Rücken, um die E’Kturi mit Gewalt zu vertreiben.

Trotz aller Bemühungen des umsichtigen Lajunen eskaliert die Situation und es kommt zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Besatzungen. Jedoch kann am Ende trotzdem eine einigermaßen friedliche und neutrale Lösung gefunden werden. Die E’Kturi ziehen ab, nehmen die Menschen nicht in ihr Reich auf, aber vernichten oder stufen sie auch nicht technisch zurück.

Gedanken zu „Zweite Heimat“

Im Rückblick habe ich das Gefühl, dass die Autorin in diesem Buch (auch) aktuelle politische Themen verarbeitet hat. So findet man die Spaltung der Kolonisten in diejenigen, die versuchen eine friedliche Koexistenz mit den Fremden zu erreichen sowie in die andere Hälfte, welche – mehr oder weniger offen – eine notfalls gewalttätige Lösung planen.

Letztere Siedler zeichnen sich durch ein reichlich starres und festgefahrenes Gedankengut aus und die Aggressivität der Menschen muss zwangsläufig auf die mit einer sehr fremden Mentalität ausgestatteten E’Kturi bedrohlich wirken. Dass die Echsen dabei selbst in ihren Moralvorstellungen aus unserer menschlichen Sicht doch eher bedingt friedlich erscheinen, sei mal dahingestellt. Die Menschheit präsentiert sich jedenfalls nicht sonderlich reif in diesem Roman. Dass es am Ende zu einer weitestgehend friedlichen Lösung kommt, ist dem „zur Vernunft kommen“ eines einzelnen Protagonisten zu verdanken. Parallelen zur aktuellen Politiklandschaft in Europa sind da durchaus schnell und einfach gezogen.

Die E’Kturi als Volk fand ich ausgesprochen interessant. Madeleine Puljic schildert die Vertreter der Fremden durchaus ambivalent und individuell. Es wird kein einseitiges Bild des ganzen Volkes geschaffen, Individuen unterscheiden sich teils deutlich. Trotzdem ist es ihr gelungen, diese unterschiedlichen Wesen zu einem Volk mit einer übergeordneten Mentalität zu formen, sodass beides glaubhaft und lebendig erscheint: Individualität und e’kturische Mentalität. Das fand ich sehr schön.

Was mich persönlich total begeistert hat, war die vor der Veröffentlichung durch die Autorin angestoßene Marketingaktion! Auf Twitter, Facebook und Instagram glühten zu dem Thema bei vielen Followern die Tasten und die verschiedenen virtuellen Crews gingen ganz unterschiedlich an den Besuch aus einem anderen System heran. Im Rahmen eines kleinen Rollenspiels gab es Abschüsse, friedliche und sehr kreative Lösungen.

Es gab auch das eine oder andere Saufgelage zur Feier des Erstkontaktes mit Außerirdischen oder zur Feier des Erreichens unseres Nachbarplaneten oder einfach nur so. Für einige Tage hatten meine kleine Twittercrew und ich jedenfalls einen unglaublichen Spaß daran. Dafür, genauso wie für das Rezensionsexemplar, welches mich dazu befähigte, das Buch einige Zeit vor der Veröffentlichung zu lesen, ein großes Danke an Madeleine Puljic!

Stärken und Schwächen

Fangen wir mit den Schwächen an. Aus meiner Sicht bleiben leider einige Figuren sehr oberflächlich beschrieben. Viele Mitglieder der Kerncrew waren für mich schlicht graue Gestalten im Hintergrund, was schade ist, denn dass die Autorin es beherrscht, das anders zu machen, zeigt sie im gleichen Roman bei den wichtigsten drei oder vier Hauptpersonen. Natürlich ist mir klar, dass nicht jede Nebenfigur eine komplette Hintergrundstory bekommen kann, dafür reicht schon allein der Platz auf den rund 300 Seiten nicht aus, aber etwas mehr hätte es sein dürfen. So waren die meisten Namen für mich wie Schall und Rauch und beim nächsten Auftreten musste ich überlegen, „Wer war das noch mal?“

Zum Teil kam mir persönlich die Gedankenwelt der handelnden Personen zu starr vor. Speziell der garstige NASA-General, der nur auf Krieg aus war und dem so gar nicht in den Kopf ging, dass es zumindest theoretisch auch eine friedliche Lösung geben könnte, hat mich genervt. Ja, mag wahrscheinlich und leider solche Menschen auch in der Realität geben, aber weil es für mich so unglaublich bescheuert ist, hat es mich gestört. Das ist aber in der Tat persönlicher Geschmack.

Was mich weit mehr gestört hat, war die generelle Beschreibung der Technik – die gab es nämlich quasi nicht. Als Science-Fiction-Fan möchte ich persönlich gern ein bisschen technisch-physikalisches Geschwafel lesen. Das muss nicht überhandnehmen, aber das gehört für mich einfach ein wenig dazu. Wie funktioniert der Antrieb der E’Kturi? Wieso konnten die Menschen diese Technik so schnell adaptieren? Offenbar wurden Andruckabsorber oder etwas Ähnliches ebenfalls übernommen, was die Beherrschung der Schwerkraft voraussetzen dürfte. Das alles in maximal neun Monaten nach dem Datendiebstahl ist sportlich. Wie gesagt, da hätte ich mir mehr Erläuterungen gewünscht.

Zuletzt bleibt mir die wirkliche Motivation der E’Kturi zumindest ein wenig schleierhaft. Aufnahme in ihr Sternenreich mitsamt vorhergehender Prüfung ist schön und gut. Allerdings sind die Menschen in dem Roman noch derart weit davon entfernt, irgendeine andere interstellare Rasse bedrohen zu können, dass man sich fragt: „Warum machen die das jetzt schon?“ Es ist ja nicht so, dass die Celeste sich aufgemacht hätte in mehreren Lichtjahren Entfernung einen Planeten zu kolonisieren und dabei waffenstarrend durch das All schießt. Sicherlich könnte man hier von „frühzeitiger Prävention“ sprechen, ich fand es gefühlt sehr frühzeitig. Allerdings ist die Mentalität der E’Kturi ja auch eine andere als meine eigene.

Kommen wir zu den Stärken und auch hier gab es durchaus einige. Als Allererstes die E’Kturi selbst. Wie ich oben schon geschrieben habe, hat Madeleine Puljic es geschafft, hier ein faszinierendes Volk zu erdenken, welches durchaus das Potenzial hat, in möglichen Fortsetzungen noch eine tragende und wichtige Rolle zu spielen. Vermutlich sehr bewusst hat sie auch einige Fragen zu den Fremden offen gelassen, das Ende gibt auf jeden Fall die Möglichkeit eines zweiten Teils her.

Eine weitere und aus meiner Sicht große Stärke ist die doch recht große Realitätsnähe des Romans. Die Technik der Menschen ist zwar etwas weiter als in unserer echten Welt, aber nicht abgehoben und durchaus vorstellbar. Auch die E’Kturi wirken zwar technisch überlegen, aber nicht völlig unbesiegbar. Ein Erstkontakt ist in den Grundzügen durchaus wie beschrieben vorstellbar.

Madeleine Puljic schafft es außerdem, den Spannungsbogen sehr schön und fast schon klassisch aufzubauen. Langweilig ist der Roman für mich jedenfalls zu keiner Sekunde gewesen.

Das Aufgreifen aktueller Themen – bei Perry Rhodan, wo Madeleine Puljic ja auch „zuhause“ ist, oft als Zeitgeist betitelt – mag ich persönlich ja sehr gern und das gelingt ihr hier ausgezeichnet. Der Konflikt zwischen den eigentlich befreundeten Lajunen und Harris, die aber politisch sowie ethisch-moralisch unterschiedliche Standpunkte haben, ist aus meiner Sicht einer der Kernpunkte des Romans. Das ist auch gut so, denn es gibt der Story eine zusätzliche Brisanz.

Empfehlung?

„Zweite Heimat“ ist ein spannender und durchaus kurzweiliger Science-Fiction-Roman. Wem technische Beschreibungen oder physikalische Hintergründe nicht wichtig sind, der kann ohne Bedenken zugreifen und wird seine Freude haben. Wer großen Wert darauf legt zu erfahren wie jener Antrieb oder jenes Schutzschirmsystem funktioniert oder warum die Menschen in der Lage sind komplett fremde Technik so scheinbar mühelos zu übernehmen – also die Technikfreaks unter uns – wird eher seine Schwierigkeiten haben. Ich persönlich liege irgendwo dazwischen. Zwar mag ich technische Beschreibungen in SF-Romanen, bin aber nicht völlig vernarrt darin. Das führte dazu, dass ich es mir zwar etwas anders gewünscht hätte, am Ende aber trotzdem sehr gut unterhalten wurde.

Taschenbuch
Science Fiction Romane
304 Seiten
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-426-52435-0
Ersterscheinung: 02.03.2020


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Sven Fesser

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