Die Überschrift der Kolumne ist zugegeben etwas provokant und sicherlich auch als These nicht in einem halbwegs kurzen Artikel abzuarbeiten.
Man könnte dazu Hunderte Seiten schreiben und würde wohl doch nur an der Oberfläche kratzen, wenn man auch die psychologischen Aspekte alle berücksichtigen wollte.
Daher beschränke ich mich dieses Mal einfach auf einige deutliche Aspekte.
In jedem Franchise kann es einem als Fan passieren, dass man ins sogenannte Fandom eintaucht. Es ist fast unvermeidbar. Dass sich heutzutage – auch schon vor Corona – dazu das Internet mit Foren und dergleichen als geradezu prädestiniert erweist, ist logisch.
Dabei lässt sich, egal wie sorgfältig man darauf achtet, nicht vermeiden, dass man gespoilert wird. Oder Hintergründe erfährt, die man besser nicht gewusst hätte. Zerstören Social Media und Internet das Fanvergnügen?
Fans im Wandel
Ich mache den Wandel des Fanseins und den Einfluss des Internets wohl am besten mal an einem auf den ersten Blick mit Sci-Fi so gar nicht verwandten Business deutlich. Wrestling.
Bis in die späten 1990er-Jahre war diese Stuntshow mit Seifenoper-Einlagen etwas, von dem man zwar irgendwo ahnte, dass es Show ist, die letzte Gewissheit fehlte aber. Gut, bei vielen Matches sah man, dass es wirklich nur Show war, manche Fehden aber ließen Zweifel zurück: Ist Wrestler XY wirklich verletzt? Ist Wrestler Z wirklich so ein Bösewicht?
Als dann um die Jahrtausendwende Seiten wie Wrestling Insider und Genickbruch aufkamen, wurde auch offenbar, dass so mancher Wrestler, den man als Heel, also Bösewicht kannte, außerhalb der Shows eine nette Person ist. Und viele Wrestler mit ihren Feinden privat beste Kumpels sind.
Es konnte das Kayfabe, also die Rolle, so nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wodurch viele Auseinandersetzungen an Reiz verloren.
Dazu kam, dass man auf den einschlägigen Seiten und Foren Infos bekam, die man nicht wollte. Zum Beispiel, dass der im TV immer so cool wirkende Shawn Michaels eine extrem egoistische, andere Wrestler kleinhaltende Person war. Zack, Jugendträume im Eimer.
Ebenso dürfte es Star Trek Fans mit Diva Shatner gehen, wobei er dort ja nicht die einzige Diva war. Auf jeden Fall dürfte es bei allem Hunger nach mehr Infos auch oft gehörige Enttäuschung bei vielen Aspekten gegeben haben. Wichtig: Man konnte diese Infos bekommen, auch schon vor dem Internet – aber meistens nur, wenn man dies aktiv wollte. Sprich wenn man sich mit Fans auseinandersetzte, die einem auf Stammtischen und dergleichen Infos gaben, und sei es rein durch den Small Talk über das geliebte Franchise. Und selbst dann konnte man immer noch sein eigenes Bild im Kopf bewahren, denn die Infos konnte man oft nicht nachprüfen. „Ach, der sabbelt nur“ – nicht immer die schlechteste Selbstlüge damals.
Nicht spoilern!
Heute ist es dank Social Media fast unmöglich, Spoilern und unerwünschten Infos aus dem Wege zu gehen. Zumindest solange man sich in diesen Gefilden bewegt. Und genau hier liegt ein gewaltiges Problem. So sieht man zum Beispiel Autoren, von denen man stets positiv dachte, gegen das Franchise, in dem sie einst groß wurden, fast schon Hassreden schwingen. Oder man liest Storylines schon, bevor sie im geliebten Genre veröffentlicht werden konnten. Bei vielen TV-Serien zum Beispiel weiß man schon vor Ausstrahlung der neuesten Staffel/Folgen, dass Schauspieler XYZ aussteigt.
Kurz, es geht eine Menge Spaß verloren. Zum Teil.
Ein pauschales „Es zerstört das Fanvergnügen“ ist zu kurz gedacht. Manch Fan ist nur Fan, weil er die Infos und dergleichen schon vor Erscheinen des eigentlichen Werkes hat. Was jedoch beide Lager eint: Es ist heute für Macher extrem schwer geworden, Fans noch zu überraschen.
Beispiel The Walking Dead. Als Negan, ein Bösewicht, eine unbekannte Anzahl Haupt- und Nebencharaktere erschlug, wurden insgesamt sieben verschiedene Versionen gedreht, damit wenigstens die Spannung blieb, welche davon ausgestrahlt werden würde.
Echte Überraschung konnte es so dennoch nicht mehr bieten. Im Ausgleich dazu aber immerhin lange Diskussionen, welche Version wohl am wahrscheinlichsten zur Ausstrahlung kommt.
Stören oder zerstören?
Ein aktuelles Beispiel für Social Media und was zerstört werden kann, ist Perry Rhodan. Gucky, eine sehr beliebte Figur, starb vermeintlich Anfang Juli. Ein großer Teil der Leserschaft erfuhr dies allerdings ungewollt durch die sofort hochkochenden Reaktionen anderer Leser. Und so griffen viele Leser zum Protest, obschon sie das zugrunde liegende Heft noch gar nicht gelesen hatten.
Und da durch das Internet eine Reaktion auch nahezu umgehend möglich ist, machten sich viele – ob berechtigt oder nicht – erst einmal Luft. Oft in einer Art, die bei einer Nacht drüber schlafen vielleicht weniger heftig gewesen wäre.
Es lief etwas aus dem Ruder, sodass die Macher sich am Ende sogar genötigt sahen, einen Teil des Plots der folgenden Hefte offenzulegen.
Der Leser, der gerne mit seinen Helden fiebert, wurde also gleich zweimal in Folge um einen Teil seines Vergnügens an der Serie gebracht. Schade.
Und da kommt auch mein persönliches und unmaßgebliches Fazit: Sobald man sich im Internet, speziell aber Social Media, bewegt, verlernt man ein wenig, zu träumen. Prosaisch ausgedrückt, man verliert einen Teil seiner „Unschuld“.
Zerstören Social Media und Internet das Fanvergnügen? Nein, aber sie verändern es auf eine Weise, die nicht immer gut für das jeweilige Franchise und vor allem für uns Fans ist.
Lust, unser Team zu unterstützen? Dann schaut doch mal auf unsere MITMACHEN Seite.
Sehr gut geschrieben, genau meine Denkrichtung (Den-Krichtung 😉 )!