Mit X-Men: Zukunft ist Vergangenheit ließ Regisseur Bryan Singer 2014 Vergangenheit und Gegenwart der Filmreihe gemeinsam auftreten.

Wenn der Regisseur übergangen wird, hat das Konsequenzen

Mit X-Men: Erste Entscheidung wurde die X-Men-Filmreihe 2011 erfolgreich wiederbelebt. Der Film hatte zwar einige kleinere Makel, konnte aber ansonsten überzeugen. Der Erfolg wurde dann mit dem guten Wolverine: Weg des Kriegers fortgeführt.

Dementsprechend war es auch nur eine Frage der Zeit, bis die Fortsetzung der Reihe entstehen würde. Und Regisseur Matthew Vaughn hatte bereits konkrete Vorstellungen davon, was er im Sequel stattfinden lassen wollte. So wollte er ursprünglich einen jungen Logan auftreten lassen, am besten von Tom Hardy dargestellt. Nur, dass er dann das Filmskript zu Zukunft ist Vergangenheit fertigstellte und 20th Century Fox dies las, die daraufhin so begeistert davon waren, dass sie festlegten, dass das jetzt der nächste Teil der Filmreihe sein sollte. Etwas, wovon Matthew Vaughn nicht gerade begeistert war, der eigentlich vor hatte, dass das der dritte Teil einer Trilogie sein sollte.

Entsprechend verließ er das Projekt, nicht ohne noch ein paar „nette“ Worte über die Entscheidung des Filmstudios zu verlieren. Das ließ sich wiederum nicht lange bitten und fragte den Produzenten Bryan Singers , ob er die Nachfolge Matthew Vaughns antreten wolle. Man hatte wohl in guter Erinnerung, dass dieser mit X-Men 2 früher einen der besten und erfolgreichsten Filme des Franchises gedreht hatte.

Wenn Vertraute zurückkehren

Und dieser machte sich gemeinsam mit Simon Kinberg daran, das Drehbuch für den Film zu schreiben. Basierend auf der Idee von Matthew Vaughn sollte eine Zeitreise im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Und genauso wie bei Terminator 2 sollte diese dazu dienen, die Vergangenheit zu ändern, um eine schlimme Zukunft zu verhindern. Dabei diente die berühmte Storyline Days of Future Past als Comicbasis für ihre Idee.

Wobei in dieser Kitty Pryde durch die Zeit reiste. Für den Film überlegten sie sich allerdings eine Alternative. Zeitweise war Phoenix im Gespräch, dann Bishop und Cable, ehe die Wahl am Ende auf Wolverine fiel, der dank seiner Alterslosigkeit und Selbstheilungsfähigkeiten die perfekte Wahl dafür war.

Und während das Drehbuch langsam Gestalt annahm, machte sich Bryan Singer daran, eine Crew aufzubauen, mit der eben jenes in die Realität umsetzen konnte. Dabei setzte er auf viele Vertraute, mit denen er unter anderem schon bei X-Men und X-Men 2 zusammenarbeitete. So kümmerte sich Louise Mingenbach wieder ums Design der Kostüme, was sie in der Filmreihe zuletzt bei X-Men Origins: Wolverine machte.

Treffen der Generationen

Das Casting setzte sich aus vielen bekannten und unbekannten Gesichtern zusammen. Aus der alten X-Men-Trilogie nahmen Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry, Anna Paquin, Elliot Page, Shawn Ashmore und Daniel Cudmore ihre Rollen wieder auf. Aus X-Men: Erste Entscheidung kehrten James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence und Nicholas Hoult zurück. Hugh Jackman als Wolverine sollte dabei das Bindeglied zwischen den beiden X-Men-Generationen geben.

Es sollten noch einige weitere Schauspieler dem Cast beitreten. Sicherlich der prominenteste sollte Peter Dinklage als der Erfinder der Sentinels Dr. Bolivar Trask sein. Der Franzose Omar Sy wurde in der Rolle des energieabsorbierenden Mutanten Bishops gecastet, derweil Evan Peters den Zuschlag für die Figur Piotr Maximoff aka Quicksilver erhielt. Josh Helman wurde zu einem jungen Major Bill Stryker, die Chinesin Fan Bingbing zu der teleportierenden Mutantin Blink. Adan Canto wurde als Sunspot gecastet und Booboo Stewart rundete als Warpath den Cast ab.

Einen Monat vor Filmrelease sollte allerdings noch etwas Unschönes passieren. Regisseur Bryan Singer wurde wegen sexueller Belästigung eines Minderjährigen angeklagt. Er selbst verneinte jedoch die Anschuldigung, zog sich aber erstmal aus der Öffentlichkeit zurück. Er erreichte zwar später, dass der Prozess eingestellt wurde, doch sollte dies erst der Auftakt zu weiteren Prozessen sein, die dann später dazu führten, dass die Karriere des Filmemachers vorbei war.

Ein Riesencast? Wird das aufgehen?

In einem dystopischen 2023 jagen die Sentinels, riesige Roboter, die letzten Mutanten. Bislang konnten sie dank Kitty Prydes Fähigkeiten, den Geist einer beliebigen Person durch die Zeit zu phasen, überleben. Doch als die Gruppe von Kitty auf die von Charles Xavier trifft, schlägt dieser etwas wesentlich Verwegeneres vor. Anstatt nur wenige Wochen in die Vergangenheit, soll sie den Geist einer Person ins Jahr 1973 übertragen. Dort soll diese Person verhindern, dass Mystique Bolivar Trask ermordet. Und am Ende erklärt sich Logan bereit, diese Reise zu unternehmen, da sein Geist und seine Selbstheilungsfähigkeiten dafür perfekt geeignet sind.

Als er im Jahr 1973 ankommt, macht er sich auf die Suche nach Verbündeten. Doch der damalige Charles Xavier hat die Ereignisse der 1960er Jahre nicht verkraftet. Er kann dank einer Droge wieder laufen, allerdings unterdrückt sie auch seine Fähigkeiten, was ihm nur sehr recht ist. Doch die Zeit drängt, wenn die Katastrophe für die Zukunft verhindert werden sollt.

Als ich von X-Men: Zukunft ist Vergangenheit das erste Mal erfuhr hatte ich angesichts des riesigen Casts einige Befürchtungen. Zum einen, dass die alten Darsteller die junge Garde, in deren Film sie ja auftraten, überschatten würden. Und dass viele Charaktere wenig bis gar keine Charakterisierungen erhalten würden. Beide Befürchtungen erfüllten sich zum Glück nicht.

Ein besonderer Cut für eine Rolle

Bzw. nicht so ganz. Anna Paquins Rolle als Rogue wurde beim finalen Schnitt auf einen Cameoauftritt zusammengeschnitten, obwohl sie deutlich mehr Szenen hatte. Die Schauspielerin selbst hatte damit kein Problem. Und zum Glück wurde dann einige Zeit später auch der sogenannte Rogue Cut veröffentlicht, der ihre Szenen und wohl noch einiges mehr wiederherstellte.

Ansonsten gelingt es Bryan Singer, die perfekte Balance zu erreichen. Er stellt die Handlung in den 1970er Jahren in den Vordergrund, gibt aber den Schauspielern im Jahr 2023 genügend zu tun, sodass sie nicht zu bloßen Pappaufstellern verkommen. So erhalten selbst Charaktere wie Warpath gerade genügend Profil, um interessant und lebendig zu wirken. Und so können Schauspieler wie Patrick Stewart oder Ian McKellan glänzen, ohne den Darstellern der jüngeren Ichs ihrer Figuren das Wasser abzugraben.

Denn diese sind es, die den Film tragen. Sie sind es, die den Großteil der Handlung tragen, die sie abwechslungsreich machen. Die sich auch im Laufe des Films wandeln.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (2014)

Einer von vielen

Es ist interessant zu sehen, wie James McAvoys Charles Xavier sich zu Beginn seiner Szenen noch in Selbstmitleid wälzt, nur um daraus nach und nach herauszufinden. Es ist klar, dass er den Verrat seines Freundes Erik Lehnsherr nicht verkraftet hat, ebenso wenig, dass seine „Schwester“ Mystique sich auf dessen Seite gestellt hat. Hank McCoy steht dem Ganzen etwas hilflos gegenüber. Er kümmert sich um den Professor, schafft es allerdings nicht, diesen aus seiner Depression wieder hervorzuholen.

Das gelingt erst durch die Ankunft von Logan. Und auch hier zeigt sich, wie gut Bryan Singer die Balance zwischen den Figuren schafft. Denn anders als in seinen früheren Auftritten integriert sich Wolverine hier perfekt ins Team. Er ist nicht der Hauptcharakter, sondern nur einer von vielen. Und die Handlung dreht sich auch nicht um ihn, sondern um den Versuch, das Attentat auf Bolivar Trask zu stoppen und so die dystopische Zukunft zu verhindern.

Natürlich gibt es bei diesem Plan einige Komplikationen. Zum einen, dass Bolivar Trask, der von Peter Dinklage perfekt zum Leben erweckt wird, in seiner Mission geradezu fanatisch vorgeht. Selbst als das erste Attentat auf ihn scheitert, ist er mehr daran interessiert, Mystique in die Finger zu kriegen, anstatt auf seine eigene Sicherheit zu achten. Denn ihre Wandlungsfähigkeiten ist für seine Sentinels perfekt geeignet, was sich ja auch in der Zukunft bewahrheitet, wo sie die Fähigkeiten der anderen Mutanten absorbieren und diese so nacheinander umbringen.

Wenn es anders verläuft als gedacht

Richtig spannend wird es allerdings erst, als Erik Lehnsherr sich nach seiner Befreiung von Xavier lossagt und selber aktiv wird. Hier zeigt sich dabei, wie militant er vorgeht, anders als sein pazifistischer Freund. Und wie skrupellos er auch sein kann. So schickt er ohne zu Zögern Mystique eine Kugel hinterher, um sie zu töten. Nur um sich dann später mit ihr zu versöhnen und sich anderen Zielen zuzuwenden, wobei er in seiner Skrupellosigkeit nicht nachlässt.

Der finale Kampf verläuft dabei anders als gedacht. Zum einen, weil Bryan Singer hier überraschend Wolverine vom Spielfeld nimmt. Zum anderen, weil es im Prinzip auf eine Dreiwegsauseinandersetzung zwischen Lehnsherr, Xavier und dem US-Militär hinausläuft. Es ist ein beeindruckendes Finale.

Und doch ist dies nicht die beeindruckendste Szene von X-Men: Zukunft ist Vergangenheit. Die gebührt dem Moment, wo Xavier und Logan Erik Lehnsherr aus dem Gefängnis ausbrechen. Denn hier glänzt vor allem eine Figur!

Was! Für! Eine! Szene!

Evan Peters als Piotr Maximoff zu casten war goldrichtig. Sein Charakter hat einen spitzbübischen Charme, der sich schon allein dadurch ausdrückt, mit welcher Selbstverständlichkeit er seine Kräfte einsetzt. Denn er ist superschnell, was dann auch im Ausbruch wichtig wird. Das kumuliert schließlich in einer Szene, wo die Ausbrecher von den Wachen überrascht werden und das Geschehen in seine Perspektive wechselt.

Zu den melancholischen Klängen von Jim Croces Time in a Bottle sieht man, wie Quicksilver, so sein Heldenname in den Comics, das Geschehen stark verlangsamt wahrnimmt und so die ganzen Wachen nacheinander erledigt. Und das tut er auf eine vergnügliche und grandiose Art und Weise, die vor allem auf Grund der Special Effects beeindruckend ist. Schade nur, dass der Charakter dann nach dem Gefängnisausbruch erstmal aus der Handlung rausgeschrieben wurde.

Einerseits kann man es verstehen. Denn es bleiben immer noch jede Menge andere Charaktere zurück. Aber andererseits war er für den Film bis dahin eine Riesenbereicherung. Doch das ist dann auch Meckern auf hohem Niveau.

Grandiose Special Effects

Denn man hat nicht das Gefühl, dass der Film einen Fehler macht. Im Gegenteil: Er kann von Anfang bis Ende begeistern. Die Special Effects sind grandios. So wirkt Beast natürlicher, als es noch im letzten Film der Fall war. Die Handlung ist spannend von Anfang bis Ende, weil einfach unklar ist, ob und wie es den 1970er X-Men gelingt, die dystopische Zukunft zu verhindern. Und das Ende ist einerseits versöhnlich, weil eben dieses Vorhaben gelingt. Andererseits lässt es die Tür für spannende Entwicklungen offen, als nämlich der Körper von Logan ohne seinen Geist aus der Zukunft in die Hände des Militärs gerät, unter die sich jedoch auch Mystique geschlichen hat.

Und am Ende ist dieser Film auch ein Riesenabschied für die meisten Darsteller der allerersten X-Men-Trilogie. Hugh Jackman und Patrick Stewart sollten später noch weitere Auftritte haben. Doch für Halle Berry oder Shawn Ashmore sollte dies das letzte Mal bleiben, dass sie ihre jeweiligen Rollen wieder übernahmen. Und der Abschied ist ihnen gelungen, eben weil sie zum Ende hin nochmal grandiose Momente erhielten.

Die Zukunft der X-Men-Filmreihe sollte jedoch der Crew von X-Men: Erste Entscheidung gehören, wo in einer Post-Credit-Szene schon angedeutet wird, worum es im nächsten Teil geht. Als man nämlich im alten Ägypten einen blauhäutigen Jungen sieht, der mit telekinetischen Kräften Riesensteine bewegt, derweil eine Menschenmenge ihn als En Sabah nur anbetet. Kenner der Comics dürften bei dem Namen hellhörig geworden sein. Denn dies war der reale Name des X-Men-Schurken Apocalypse!

Info

Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Simon Kinberg; Story von Jane Goldman, Simon Kinberg und Matthew Vaughn
Produzent: Bryan Singer, Lauren Shuler Donner, Simon Kinberg, Hutch Parker
Hauptdarsteller: Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Halle Berry, Anna Paquin, Elliot Page, Peter Dinklage, Ian McKellen, Patrick Stewart
Kamera: Newton Thomas Sigel
Schnitt: John Ottman

 


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Götz Piesbergen

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