Auf dem Weg nach Freecloud, um Bruce Maddox zu finden, macht Picard einen kleinen Umweg nach Vashti.
Unbedingte Offenheit beginnt wie, mit Ausnahme der ersten Folge, die anderen auch. Ein Rückblick füllt unser Wissen über die Zeit der Evakuierung. Auf dem Planeten Vashti gibt es eine Kolonie von romulanischen Flüchtlingen. Als Picard (Patrick Stewart) zu einem Besuch dort ist, bekommt er die Nachricht über den Angriff auf den Mars.
Nachdenklich, selbstkritisch, menschlich
Jean-Luc Picard wirkt hier wieder wie der Captain, den wir von der Enterprise-D kennen. Er hinterfragt sich selbst, sieht die Fehler, die er bei der Evakuierung gemacht hat und ist bereit, die Konsequenzen daraus auf sich zu nehmen. So war Picard, wenn man dem bisher gezeichneten Bild folgt, nicht in der Zeit vor dem Start der Serie. Dort hatte er sich zurückgezogen, weil er mit seiner gefühlten Niederlage nicht klar gekommen war. Jetzt beginnt er aber allmählich, das Versäumte aufzuholen.
Neue Leute braucht die Crew
Und so stößt auch Elnor (Evan Evagora) zur Crew. Elnor und Picard standen sich während der Evakuierung auf Vashti nahe, er war wohl so etwas wie eine Vaterfigur, oder eher Großvaterfigur, für den 10-Jährigen. Er las ihm vor, brachte ihm Geschenke mit und dann ging Picard eines Tages ohne Verabschiedung und kommt erst jetzt wieder. Aus dem Jungen ist ein Mann geworden, der ebenso wie Raffi (Michelle Hurd) einen Groll auf Picard hegt. Und ebenso wie Raffi schließt er sich dann doch dem Admiral a. D. an. Für mein Empfinden viel zu schnell, aber wir haben ja keine Zeit, denn wir sind auch nach vier von zehn Folgen immer noch bei der Exposition. Das hat Discovery damals besser hinbekommen. Immerhin: Im ersten Raumgefecht kommt Seven of Nine (Jeri Ryan) zur Hilfe. Damit ist die Crew wohl vollzählig. Ab jetzt bitte mehr Tempo, ich befürchte sonst, dass wir einen erzählerischen Overflow bekommen.
Die moralischen Ansprüche
Ein besonderes Markenzeichen dieser Folge ist die Philosophie. Wir gehen hier wieder einem der Grundkonzepte von Star Trek nach: Wie gehen wir mit Niederlagen um? Vor allem denen, die in unseren eigenen Ansprüchen an uns selbst liegen. Während manche Romulaner Picard sein Scheitern übel nehmen, achten ihn andere schon für seinen Versuch. Picard sagt es selbst: Sein eigener Perfektionismus hat ihm im Weg gestanden. Dass die Romulaner, die ja von Natur aus eher misstrauisch sind, bei einer solchen Aktion einen Verrat der Sternenflotte wittern, passt gut ins Bild. Generell ist es wunderbar, dass die Romulaner endlich mal ordentlich Background bekommen.
Aber warum genau sucht Picard die Konfrontation mit den Romulanern? Er wirft ein Schild mit der Aufschrift „Romulans only“ bei einer Gaststätte auf den Boden, tritt darauf und erzürnt so die Romulaner, die ein Duell mit ihm fordern. Ähnlich wie in „Darmok“ will Picard aber nicht kämpfen. Hier hatte man eine gute Chance, Konsequenzen für Picard einzubauen, aber Elnor hat ihm schnell verziehen und rettet „JL“. Die Auseinandersetzung an sich ist eine Anbiederung an den Zeitgeist und Star Trek eher unwürdig. Da wird allen Ernstes ein Angreifer enthauptet. Und Elnor bekommt dafür nur eine Standpauke?
Neee, sorry. Das hätte man besser lösen können, wenn man schon unbedingt zeigen will, was für ein krasser Kämpfer Elnor ist. Ein kleines Duell zwischen Elnor und Tenqem Adrev, Elnor zückt nicht mal sein Schwert dabei, weicht den Angriffen aus, um ihn dann schließlich mit einer einzelnen Bewegung zu entwaffnen und in eine unterlegene Situation zu bringen. Picard verschont dann das Leben des Angreifers. Das hätte sich mehr nach Star Trek angefühlt.
Und auf dem Würfel?
Irgendwie kommt der Plot auf dem Borgkubus nichts ins Rollen. Das mag daran liegen, dass die Charaktere eher dünn gezeichnet sind. Was ebenso eine mögliche Ursache sein kann, ist das im Kreis drehen. Wir bekommen nur Häppchen vorgeworfen von dem, was auf dem Kubus passiert, statt Plot sehen wir lächerlich wirkende Tanzeinlagen.
Fazit zu Unbedingte Offenheit
Star Trek: Picard macht es zu langsam. Zwar sind wieder etliche Anspielungen auf den Kanon dabei, aber bis auf Fanservice sehen wir hier eigentlich nichts, das eine solche Laufzeit rechtfertigen würde. Unterhalten bin ich immer noch und ich sehe es immer noch als gutes Trek an, aber ich frage mich, ob da noch eine Steigerung kommt. Der Nostalgiebonus ist bald aufgebraucht.
Es ist auch sehr schade, dass die Szenen rund um Picard teilweise pures Gold sind, während fast alle Szenen auf dem Kubus eher in Richtung Blech gehen. Und wieso eigentlich muss es heute immer eine Bedrohung biblischen Ausmaßes gehen? Ramdha (Rebecca Wisocky) spricht in einer Videoaufzeichnung über den romulanischen Tag des jüngsten Gerichts.
Fun Facts:
- Die Wallenbergklasse bezieht sich sehr wahrscheinlich auf Raoul Wallenberg, der im Zweiten Weltkrieg ungarische Juden vor dem Holocaust rettete.
- Die Klingonische Oper ist wieder einmal ein Thema.
- Das Blut der Romulaner ist grün – was die Verwandschaft zu den Vulkaniern verdeutlicht.
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