Bei einem Transporterunfall wird aus Neelix und Tuvok eine neue Lebensform – Tuvix.
Staffel 2, Folge 25 – Sternzeit 49655.2
Tuvix
Die Handlung
Die Voyager hat eine Blumensorte entdeckt, die als Nahrung dienen kann. Tuvok (Tim Russ) und Neelix (Ethan Phillips) sollen Proben vom Planeten sammeln, beim Beamen werden aber beide zusammen mit der Blume verschmolzen. Heraus kommt Tuvix (Tom Wright), der die Erinnerungen und Gefühle beider Personen hat. Mehr noch, er übersteigt sogar die Fähigkeiten der beiden.
Als herauskommt, dass es offenbar keine Möglichkeit gibt, die beiden zu trennen, integriert sich Tuvix in die Crew. Er übernimmt beide Posten und findet Freunde. Doch dann findet der Doktor (Robert Picardo) einen Weg. Er kann Tuvix trennen, aber dieser lehnt es ab zu sterben. Janeway (Kate Mulgrew) sieht das aber anders. Sie opfert Tuvix, um Neelix und Tuvok zurückzuholen.
Rezension von Tuvix
Diese Folge ist nicht leicht zu rezensieren. In meinem Faktencheck bin ich schon auf einige Aspekte eingegangen, deswegen werde ich diese hier nicht mehr anschneiden. Es ist auch klar, dass die Folge eben mit der Trennung der beiden endet. Fangen wir also mal mit dem Einfachsten an – der Logik.
Logiklöcher
Drei Organismen verschmelzen zu einer Einheit. Als sie getrennt werden, sind es aber nur noch zwei. Wo genau ist die Blume geblieben? Und warum ergreift wirklich niemand Partei für Tuvix? Was ist mit den ethischen Subroutinen des Doktors? Er sagt zwar, dass er die Prozedur nicht durchführen wird, aber in anderen Folgen (z. B. Kritische Versorgung) geht er sogar soweit und infiziert den Aufseher, um Schaden von anderen abzuwenden. Hätte er hier nicht auch eingreifen müssen?
Die moralische Frage
Man muss hier viele Aspekte berücksichtigen. Janeway selbst fragt Chakotay (Robert Beltran), wann aus einem Transporterunfall ein Individuum wird. Diese Frage würde ich sehr einfach beantworten. Genau zu dem Zeitpunkt, wo es ein eigenes Bewusstsein hat, in diesem Fall also direkt im Transporterraum. Ich finde es sehr befremdlich, dass da überhaupt drüber nachgedacht wird. Individuum ist definiert durch Einzigartigkeit. Und das ist der erste symbiogenetische Humanoid wohl auf jeden Fall. Obendrein übersteigt Tuvix seine „Eltern“ in ihren Fähigkeiten, er ist ein besserer Koch, ein besserer Berater und ein besserer taktischer Offizier als Neelix und Tuvok.
Für die Trennung spricht eben, dass man zwei Leben rettet und eines dafür opfert. Mathematisch macht das vollkommen Sinn und wären alle drei lebendig und Tuvix würde sich selbst opfern, gäbe es kein Problem. Tuvix will aber nicht sterben und Janeway setzt sich über seinen Willen hinweg. Laut ihrer Aussage denkt sie dabei an die Familie und die Freunde von Neelix und Tuvok.
Spinnen wir den Gedanken mal weiter. Da die gesamte Entstehung ja auf fiktionaler Technologie und Biologie basiert, bauen wir diese mal aus. Irgendwann in ferner Zukunft wird es möglich sein, die DNS-Stränge eines Menschen aufzuspalten in Vater und Mutter und man kann damit diese wieder zum Leben erwecken. Die Eltern sind kurz nach der Geburt verstorben, durch einen Autounfall.
Dürfte da ein Arzt das Kind töten, um die Eltern zurückzuholen? Diese haben immerhin auch Familie und Freunde, die zwei liebe Menschen verloren haben. Ich glaube, da würde jeder von uns sagen „Auf gar keinen Fall“ – warum also soll es in Ordnung sein, Tuvix zu töten? Zugegeben, der Vergleich mit einem Kind mag abstrakt wirken. Aber im Endeffekt ist es nicht sehr anders. Ein Kind wird aus der DNS der Eltern erschaffen. Die Zeugung ist immer mal wieder ein „Unfall“ oder halt Dummheit, viele Menschen entscheiden sich dann aber trotzdem, das Kind nicht abzutreiben. Und im Fall von Tuvix verfügt er sogar über alle Erinnerungen und Erfahrungen seiner „Eltern“, was ein normal geborenes Kind eben nicht tut.
Oder anders: In der TNG Folge Riker:2=? wird ein genetisch identischer Klon von Will Riker (Jonathan Frakes) erschaffen, ebenso durch einen Transportunfall. Seit diesem Zeitpunkt hat sich sein Leben nur von dem seines Originals anders entwickelt. Von ihm geht theoretisch eine Gefahr aus, da er eben jederzeit als Erster Offizier eines Flagschiffs der Föderation durchgehen würde. Und seine Persönlichkeit ist recht impulsiv. Trotzdem sperrt man ihn nicht weg oder tötet ihn sogar, nein, er darf ganz normal sein Leben leben. Er ist eben auch ein Individuum und hat ein Recht auf Unversehrtheit.
Das stellt sich dann in der DSN Folge Defiant als Fehler heraus, denn er schließt sich bekanntlich dem Maquis an und kann die Defiant entführen. Ja, klar, das konnte keiner ahnen und theoretisch könnte auch Tuvix zu einem Mörder oder Terroristen werden, aber da wir die Zukunft nicht kennen, müssen wir für das hier und jetzt entscheiden.
Die Frage, ob Janeway hier korrekt gehandelt hat, ist weit tiefer gehend, als es eine Rezension am Ende sein kann. Man sollte aber eben wissen, dass wenn man eine Entscheidung von solchen Ausmaßen trifft, sein eigenes Ego und seine persönlichen Gefühle nicht in den Vordergrund stellen darf.
Keine Person hat das Recht zu entscheiden, wer leben darf und wer nicht. Captain Janeway macht es aber und das auch noch aus egoistischen Gründen. Bis auf ein Durchatmen danach zeigt sie keinerlei Regung oder Reue. Das unterstreicht sehr gut mein Problem mit diesem Captain. Sie ist unnötig hart geschrieben. Eiskalt agiert sie hier, sie ignoriert den Wunsch nach Leben von Tuvix, der mittlerweile auch ein Teil ihrer Crew ist und führt eine riskante Operation durch. Alle Variablen wurden zwar berücksichtigt, aber das Testobjekt war trotzdem nur eine Blume und keine Person.
In der Enterprise-Folge Ebenbild haben wir ein ähnliches Szenario. Der große Unterschied ist hier aber, dass der Klon extra dafür geschaffen wurde, seinen „Vater“ zu retten und er sich am Ende freiwillig opfert. Hier hat zwar auch Archer (Scott Bakula) entschieden, dass Sim sterben muss, um Trip (Connor Trinneer) zu retten und Sim wollte dies erst nicht, die Motivation von Archer war aber die Rettung der Menschheit. Das ist eine etwas andere Liga als 120 Personen wieder heimzubringen.
Man hätte es hier einfach anders lösen sollen. Entweder einen Weg finden, alle drei zu behalten und aus Tuvix einen wiederkehrenden Gast zu machen oder Tuvix wird schwer verletzt und der Doktor sieht nur diese Möglichkeit. Gerade bei Letzterem würde diese Folge zwar nur Schema F sein, aber sich deutlich mehr nach Star Trek anfühlen. Immerhin sagte Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) in Wem gehört Data? schon: „Die Sternenflotte wurde gegründet, um neues Leben zu entdecken und zu erforschen. Und da sitzt es. Und es wartet.“ Und was ist Tuvix denn, wenn nicht neues Leben?
Trotzdem: Dies ist eine meiner Lieblingsfolgen. Sie bringt eine Menge Gesprächsstoff mit sich und seit circa 25 Jahren wird sie immer wieder debattiert. Tom Wright überzeugt schauspielerisch in der Rolle des Tuvix absolut. Nur wenige Folgen finden sich auf meiner Voyager-Liste, die ich bei „Best of“ ReWatches sehe.
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