Jeff Tracy und seine Söhne eilen zur Rettung der Welt.

Vom Puppentrick zur Realverfilmung

Die Thunderbirds waren ursprünglich eine Puppentrickserie, die von 1964 bis 1966 produziert wurde. Verantwortlich zeichnete sich das Ehepaar Gerry (1929–2012) und Sylvia Anderson (1927–2016). Es war nicht die erste und auch nicht die letzte Serie, welche die beiden mit Marionetten umsetzten. Für dieses Genre wurde der Begriff „Supermarionation“ geprägt, was nichts mit Supermario zu tun hat, sondern ein Kunstwort aus „Super“, „Marionet“ und „Animation“ darstellt. Nicht alle dieser Serien wurden ins Deutsche übersetzt, aber zumindest Captain Scarlet (1967–1968) könnten hierzulande noch einige kennen. Außerdem waren die Andersons in die Produktion von Science-Fiction-Serien wie UFO (1970–1971) und Mondbasis Alpha 1 (1975–1977) involviert.

Doch zurück zu den Thunderbirds. Mit 25.000 Pfund Budget pro 25-minütiger Episode war die Serie schon zu Beginn ziemlich teuer. ITC-Senderchef Lew Grade (1906–1998) war jedoch derart begeistert, dass er das Budget auf 38.000 Pfund für je 50-minütige Folgen aufstockte. Die Serie schaffte es auf 32 Episoden und zwei Kinofilme, bevor sie abgesetzt wurde. Es folgten recht eigenwillige Neuinterpretationen aus Japan mit Turbocharged Thunderbirds (1994–1995) und auch aus den USA. In Letzterer gab es erstmals Szenen mit echten Darstellern.

Um eine Realverfilmung für die Kinoleinwand gab es ab Ende der 1990er ein langes Ringen mit mehreren Anläufen. Am Ende wurde alles umgeworfen und das Projekt zu Beginn der 2000er neu gestartet. William Osborne sollte ein komplett neues Drehbuch schreiben und Jonathan Frakes Regie führen. Der als Commander William Riker aus Star Trek TNG bekannte Darsteller hatte zuvor bereits bei den Star Trek-Filmen Der erste Kontakt (1996) sowie Der Aufstand (1998) Regie geführt. Den Ausschlag für Thunderbirds gab jedoch seine Arbeit an dem kindergerechten Sci-Fi-Abenteuer Clockstoppers (2002)

Kinderquatsch statt ernster Unterhaltung

Die Puppentrickserie Thunderbirds mag zwar durchaus für Kinder geeignet gewesen sein, doch war die Handlung durchaus ernst. Die Neuinterpretation fürs Kino ist dagegen trotz realer Darsteller um einiges verspielter ausgefallen als das Marionettentheater. Und daran ist der Kinofilm furios gescheitert. Doch eins nach dem anderen.

Das Grundkonzept ist beim Film das gleiche wie bei der Serie. Jeff Tracy (Bill Paxton) leitet ein internationales Rettungsteam, bestehend aus seinen fünf Söhnen. Jeder Sohn hat ein futuristisches Fahrzeug, mit denen sie Menschen in aller Welt retten. Bis auf die Raumstation sind alle anderen Fahrzeuge auf der tropischen Insel namens Tracy Island stationiert. Außerdem gibt es da noch Lady Penelope (Sophia Myles) und ihren schlagkräftigen Chauffeur Parker (Ron Cook), die mit ihrem bondmäßigen FAB 1 ebenfalls ein Superfahrzeug haben.

Soweit die Gemeinsamkeiten. Kommen wir nun zu den Unterschieden. Am auffälligsten ist der jüngste Tracy Sprössling Alan, der in der Serie immerhin 21 Jahre alt war. Für die Realverfilmung hat man aus Alan Tracy (Brady Corbet) einen Teenager gemacht, damit sich die Zielgruppe besser mit ihm identifizieren kann. TinTin (Vanessa Anne Hudgens) ist ebenfalls von 25 auf 16 verjüngt worden und hat den Bindestrich im Namen eingebüßt. Das Genie Ray „Brains“ Hackenbacker (Anthony Edwards) ist hingegen deutlich gealtert und hat nun mit Fermat (Soren Fulton) einen Sohn, der als Alans bester Freund herhalten muss.

Als der Bösewicht The Hood (Ben Kingsley) Tracy Island überfällt, sind die drei Kids die einzige Hoffnung. Die anderen Tracys hat The Hood nämlich zuvor mit einem Angriff auf die Raumstation Thunderbird 5 weg gelockt. Nur Brains ist geblieben, wird jedoch von The Hoods stereotypen Gehilfen festgesetzt. Die Kinder bleiben zunächst unbemerkt und spähen die Lage aus. Als Fermat niesen muss, fliegen sie jedoch auf und statt dass die anderen beiden Ruhe bewahren, geben auch sie ihre Anwesenheit sowie Position preis.

Thunderbirds

Sie können mit allerhand Albernheiten ein ums andere Mal entkommen und Junior-Genie Fermat kann eine defekte Komstation mit Alans Zahnspange reparieren. Der Klugscheißer mit der bizarren Brille gibt sich zwar Mühe, wie MacGyver zu wirken, aber  alles schreit förmlich danach, dass so etwas nur im Film funktioniert. Das trifft auch auf die Kampfeinlagen von Lady Penelope zu, die mit ihrem Chauffeur zu Hilfe eilt. Es ist schon schlimm genug, dass sie in ihren rosafarbenen Kostümen wie eine Barbie aussieht, aber dass sie allen Ernstes beim Kickboxen Stöckelschuhe trägt, schlägt dem Fass die Krone auf. Selbst für einen Kinderfilm ist das einfach nur lächerlich und zerstört jeden Rest der ohnehin kaum vorhandenen Glaubwürdigkeit.

Die Gegner machen es nicht besser. Da wären zum einen Mullion (Deobia Oparei) und Transom (Rose Keegan), welche lediglich The Hoods treudoofe Minions ohne Tiefgang sind. Mullion ist der Mann fürs Grobe und Transom bleibt einem höchstens wegen ihrer auffälligen falschen Zähne im Gedächtnis, dank denen sie vollkommen beknackt aussieht. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu ihrem Boss, bei dem lediglich das Casting positiv hervorzuheben ist. Ben Kingsley hat den Gesichtsausdruck der Marionette perfekt drauf! Alles andere weicht jedoch stark ab.

The Hood wurde einst von Jeff Tracy in einer zusammenstürzenden illegalen Mine zurückgelassen, während sein Halbbruder Kyrano, TinTins Vater, gerettet wurde. Sein Rachedurst mag daher noch nachvollziehbar sein, doch sein Plan, die Thunderbird 2 zu stehlen, um damit eine Bank in London auszurauben und dies den Tracys anzuhängen, ist mehr als kindisch. Natürlich wird er am Ende von Jeff gerettet, der damit den Fehler seiner Vergangenheit wieder gut macht.

Was noch weitaus mehr stört als diese Kindereien, ist die Interpretation von The Hood als gestaltwandelnder Reptiloid. Ständig morphen seine Augen und bekommen geschlitzte Pupillen. In der Serie haben seine Augen zwar ab und an geleuchtet, aber der Reptilienlook ist neu und bedarf einer Erklärung. Die gibt es jedoch nicht! Ist The Hood ein Echsenmensch? Ist er ein Außerirdischer? Oder ist er von einem Dämon aus der Hölle besessen? Oder wollte man Verschwörungstheoretikern eine Steilvorlage liefern? Es ergibt einfach keinen Sinn!

Vielleicht hat man sich aber auch nur bei der Serie V – die außerirdischen Besucher kommen bedient. Und als wäre das nicht schon genug, hat man ihm auch gleich noch ein paar Sith-Fähigkeiten aus Star Wars verpasst. Magie hatte The Hood in der Serie zwar durchaus drauf, aber im Film nutzt er die Macht. Und seine Nichte TinTin ist ebenfalls machtsensitiv und hat die gleichen Repto-Augen wie er. Ist sie ein trandoshanischer Padawan, oder was? Egal, man kann diesen Film ohnehin nicht ernst nehmen!

Zeitgemäßes Upgrade

Das Einzige, was an der Realverfilmung tatsächlich funktioniert, sind die titelgebenden Maschinen. Die Thunderbirds halten sich optisch sehr eng an die Puppentrickvorlage. Um sie realistischer wirken zu lassen, sind die neuen CGI-Modelle natürlich ordentlich aufgemotzt worden, was absolut okay ist. Die Fahrzeuge sind der größte Fan-Service, den der Film zu bieten hat. Lediglich Lady Penelopes FAB 1 weicht deutlich von der Vorlage ab, was aber damit zu tun hat, dass das Original ein Rolls Royce war und der Autokonzern sich geweigert hat, erneut die Lizenz für das Modell freizugeben. Stattdessen ist Ford eingesprungen und hat einen durchaus passablen Ersatz abgeliefert, sofern man auf Rosa steht.

Auch bei der Gestaltung von Tracy Island ist mit viel Liebe zum Detail gearbeitet worden. Die Innensets entstanden in den Pinewood Studios, während die tropische Umgebung auf den Seychellen gefilmt wurde. Letzteres hatte einige Nachteile. So verzögerten sich die Dreharbeiten, da gleich nach Ankunft ein Unwetter aufzog. Hauptdarsteller Brady Corbet musste zudem mit einem Hoodie durch den Dschungel laufen, wobei er einen Hitzschlag erlitt. Da waren die Dreharbeiten in London wohl weitaus angenehmer.

Dort sollte The Hood ursprünglich einen Ablenkungsangriff auf das berühmte Riesenrad London Eye starten. Dies wurde jedoch in Anbetracht der damals noch nicht lange zurückliegenden 9/11-Anschläge untersagt. Die Besitzer wollten ihre Attraktion nicht in einem derartigen Zusammenhang sehen, zumal es bereits Terrordrohungen gegen das Riesenrad gegeben hatte. Stattdessen entschied man sich schlussendlich dafür, mittels CGI eine futuristische Schwebebahn ins Stadtbild einzufügen, die durchs den Angriff des Schurken in die Themse abstürzt.

Für den Soundtrack wurde Hans Zimmer verpflichtet, der einige Anspielungen auf die Originalserie untergebracht hat. Ansonsten ist die Musik recht verspielt, um die junge Zielgruppe anzusprechen. Es gibt definitiv bessere Arbeiten von Zimmer.

Fazit: Thunderbirds are go… to Hell!

Ursprünglich war das Thunderbirds-Leinwandabenteuer als Auftakt für eine ganze Filmreihe geplant. Doch die Kinoauswertung war desaströs. Weltweit spielte der Film gerade einmal 28 Millionen Dollar ein, bei einem angesetzten Budget von 60 Millionen. Jonathan Frakes sparte es sogar noch auf 57 Millionen herunter, was jedoch nichts am ruinösen Ergebnis änderte. Für Frakes bedeutete es das Ende seiner Karriere als Kinoregisseur. Er sollte zwar weiterhin vor und hinter der Kamera aktiv bleiben, allerdings nur noch für TV-Filme und Serien.

Nicht ganz so hart hat es Ben Kingsley getroffen, wobei Thunderbirds einen absoluten Tiefpunkt seiner Karriere markiert. Warum sich der Oscar-Preisträger dazu hinreißen lassen hat, einen Echsenmenschen in einem Kinderfilm zu spielen, ist nicht zu begreifen. Noch schlimmer war eigentlich nur A Sound of Thunder (2005), in dem es ironischerweise um Dinosaurier ging. Kingsley sollte die Finger von Filmen mit Reptilien lassen. Der aus Aliens – Die Rückkehr (1986) bekannte Bill Paxton (1955–2017) erholte sich ebenfalls von seiner Rolle als Jeff Tracy und auch die einstigen Kinderstars Brady Corbet und Vanessa Anne Hudgens sind noch im Geschäft, wobei letztere ein etwas glücklicheres Händchen hatte und u. a. in den jüngsten zwei Bad Boys Filmen zu sehen war.

Thunderbirds war also nicht für alle Beteiligten ein Karrierekiller, aber definitiv ein Karriereknick, den man im Lebenslauf besser unerwähnt lässt. Neben den visuellen Schauwerten hat der Film kaum etwas Erinnerungswürdiges zu bieten. Er ist vollgestopft mit oberflächlichen Charakteren und billigen Klischees. Kinder werden ihn vielleicht trotzdem mögen, aber bei Thunderbirds-Fans, die aus ihrer eigenen Kindheit Besseres gewohnt sind, ist der Film komplett durchgefallen.

Info

Drehbuch: Peter Hewitt, William Osborne & Michael McCullers
Regie: Jonathan Frakes
Erscheinungsjahr: 2004

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