Um 3 Uhr Morgens kommen einem die seltsamsten Gedanken.
Was nun?
Die Defenders-Serie war vorbei. Nach der schwachen zweiten Hälfte der Luke Cage-Reihe sowie einer entsetzlich enttäuschenden Iron Fist-Reihe, war diese wieder eine Rückkehr zu alter Form. Gleichzeitig wurden mit dieser die Handlung um die Hand, die stellenweise bei den vorherigen Serien im Hintergrund mitlief, abgeschlossen. Womit sich die Frage stellte: Was jetzt?
Die Antwort lautete: Die Rückkehr des Punishers. Die Figur wurde während der zweiten Daredevil-Staffel prominent eingeführt und war definitiv eines der Highlights jener Season. Und bereits bevor diese überhaupt startete, war man seitens Netflix schon damit beschäftigt, eine Reihe rund um den Anti-Helden zu entwickeln und schaute sich nach einem Showrunner um.
Die Wahl fiel schließlich auf Steve Lightfood. Der Brite hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein beeindruckendes Oeuvre beisammen. Er war Produzent oder Drehbuchautor bei solch bekannten Serien wie beispielsweise Taggart, Hannibal oder Narcos.
Die Vergangenheit hinter sich lassen
Von Anfang an hatte der Showrunner spezifische Vorstellungen, wie die Serie funktionieren sollte, was sie ausmachen sollte. So basierte er die Figur nicht auf einer bestimmten Comicreihe, sondern orientierte sich an der Charakterisierung aus der zweiten Daredevil-Staffel, da es diese war, die ihn interessierte. Er wollte außerdem auch die Zeit in Kandahr, wo Frank Castle stationiert war, ausbauen. Von der Atmosphäre her sollte die Punisher-Reihe wie eine Mischung aus Verschwörungsthrillern der 1970er Jahre und Westernfilmen sein, wobei der Protagonist selbstverständlich ein Anti-Held sein sollte.
Natürlich sollte Jon Bernthal seine Rolle als Frank Castle/Punisher wieder aufnehmen. Doch auch Deborah Ann Woll sollte ihre Wiederkehr als Karen Page feiern. Ebenfalls mit zum Hauptcast gehörte Ebon Moss-Bachrach, der die Rolle des mysteriösen David „Micro“ Lieberman übernahm. Ben Barnes übernahm die Figur des antagonistischen Billy Russo, während Amber Rose Revah den Zuschlag für die Rolle der Homeland Security-Agentin Dinah Madani kriegte. Daniel Webber würde in der Rolle des unter einer PTBS-leidenden Lewis Wilson angeheuert. Paul Schulze erhielt die Zusage für die Figur des CIA-Agenten William Rawlins III, derweil Jason R. Moore den Charakter des Veteranen Curtis Hoyle übernahm. Michael Nathanson als Dinah Madanis Kollege Sam Stein und Jaime Ray Newman als die Ehefrau von „Micro“, Sarah Lieberman, rundeten den Cast ab.
Frank Castle hat die letzten Mitglieder der Gang getötet, die für den Tod seiner Familie verantwortlich sind. Er hat danach die Rolle des Punishers ein für alle Mal abgelegt und versucht seitdem, ein normales Leben zu führen. Doch die Vergangenheit lässt ihn nicht los. Immer wieder wacht er nachts auf, weil er von seiner Familie träumt. Und er versucht, dass Geträumte dadurch zu verarbeiten, dass er als Bauarbeiter Wände einreißt.
Kein Grund zum Jubeln
Doch auch, wenn er der Rolle des Punisher abgeschworen hat und probiert, ein normales Leben zu leben, geschehen Dinge, die ihn wieder dazu bringen, Verbrecher zu töten. Es fängt eigentlich harmlos an. Sein junger Kollege Donny Chavez freundet sich mit den Falschen an und hilft, eine Gruppe von Gangstern auszurauben. Als seine „Freunde“ Panik kriegen und ihn als Zeugen loswerden wollen, wird Frank Castle wieder aktiv und tötet wieder Verbrecher.
3 Uhr Morgens versucht einen Neustart zu wagen. Es ignoriert jetzt nicht die Ereignisse der zweiten Daredevil-Staffel, doch muss man diese nicht gesehen haben, um die Story der Folge zu verstehen. Es reichen Grundkenntnisse der Figur, um nachzuvollziehen, was den Punisher ausmacht. Falls dann dennoch Wissen fehlen sollte, dann wird dies im Laufe dieser Episode nachgeliefert.
Doch diese Folge reißt jetzt nicht wirklich zu Jubelstürmen mit. Es gibt einige Sachen, die gut sind. Andere hingegen, die nicht ganz so überzeugen können.
Es läuft unrund
Was nicht gefällt, ist die Entscheidung, dass Frank Castle die Rolle des Punishers niedergelegt hat und man am Anfang von 3 Uhr Morgens sieht, wie er passend dazu sein Outfit verbrennt. Das beißt sich ein wenig mit dem Ende der zweiten Daredevil-Season, wo man sah, dass der Charakter sein Schicksal akzeptierte und sich für seinen neuen Kreuzzug vorbereitete. Dementsprechend muss die Folge den Kraftakt meistern, eine neue Motivation für die Figur zu erfinden und gleichzeitig auch glaubwürdig begründen, wieso er seinen „Ruhestand“ hinter sich lässt.
Das gelingt nur bedingt. Man merkt, dass die Folge ab und an unrund läuft, dass hier vieles vorbereitet wird, was dann die kommenden Episoden wichtig ist. Was aber nicht an dem Schauspiel von Jon Bernthal liegt. Der geht in der Rolle von Frank Castle förmlich auf.
Er spielt eine Figur, die in 3 Uhr Morgens sich bewusst zurückhält, die nie lächelt oder andere extreme Emotionen zeigt. Die allein gelassen werden möchte und deshalb auch die Runden der Veteranen meidet, die über ihre Sorgen und Nöten reden. Andere Darsteller hätten es vermutlich mit der Gefühllosigkeit übertrieben. Doch der Schauspieler und die Macher der Serie wissen, wie sie zeigen, dass der Charakter immer noch etwas fühlt. Es sind eben nur keine schönen Gefühle.
Nervig und Blass
Man sieht, wie er den Tod seiner Familie immer noch nicht verarbeitet hat, wie es in ihm arbeitet und er deshalb auch seine Anspannung dadurch rauslässt, dass er Mauern einschlägt, so lange, bis seine Hände blutig sind. Gleichzeitig versucht er Konflikten aus den Weg zu gehen. Als seine Arbeitskollegen ihn mobben, weil er ihnen die Überstunden weg nimmt, nimmt er es hin, ohne zu reagieren. Auch das ein Zeichen dafür, dass er versucht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
In dieser Situation kommt Donny Chavez in 3 Uhr Morgens eine wichtige Rolle zu. Er ist der Neue auf der Baustelle, der sich integrieren möchte und deshalb Freunde finden will. Er versucht es zunächst mit Frank Castle, weil dieser, wie er, ein Underdog ist. Doch als dieser ihm die kalte Schulter zeigt, probiert er es mit den anderen Arbeitskollegen und gerät prompt an die falschen.
Es ist klar, dass es eine Figur geben muss, die der Auslöser dafür ist, dass Frank Castle wieder damit beginnt, Kriminelle zu töten. Doch ist der Charakter in dieser Episode zunächst eins: Nervig und blass. Seine Funktion, sein Zweck wird von dem ersten Moment an klar, in dem er auftritt. Und es gelingt dem Darsteller Lucca De Oliveira leider zu keiner Minute, seiner Rolle etwas zu geben, womit man so etwas wie Sympathien für sie verspürt.
Es rumpelt
In jedem Fall ist am Ende der Folge Frank Castle wieder damit beschäftigt, Leute zu töten. Allerdings deutet 3 Uhr Morgens an, dass dieses Mal Dinge anders verlaufen, als gewohnt. Zunächst ein Mal beobachtet ihn jemand und scheint sich über seine Wiederkehr zu freuen.
Und zum anderen ist da die Homeland Security Agentin Dinah Madani, die seine Einheit in Afghanistan untersucht, obwohl ihr Vorgesetzter ihr dies verbietet. Sie scheint ebenfalls eine Figur zu sein, die Traumata mit sich herumschleppt. Nur dass diese nicht so extrem sein müssen, wie die von Frank Castle. In jedem Fall ist sie aber bereits jetzt ein interessanter Charakter, bei der man darauf gespannt sein kann, was sie alles in der Serie erleben wird.
3 Uhr Morgens ist kein runder Auftakt. Es rumpelt und ruckelt spürbar im Plot, als dieser versucht, einen Grund zu präsentieren, wieso Frank Castle zunächst seine Karriere als Anti-Held an den Nagel gehängt hat, nur um ihn dann wieder aus dem Ruhestand zurückzuholen. Doch anders als bei Iron Fist stimmt das Casting hier immerhin und die Figuren haben Charisma. Weshalb man durchaus bereit sein sollte, der Serie trotz des müden Beginns eine Chance zu geben.
Infos:
Drehbuch: Steve Lightfoot
Showrunner: Steve Lightfoot
Regie: Tom Shankland
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