Ist The Crow trotz oder wegen Brandon Lees Tod ein Kultfilm?
Ein Film, geprägt von Tragik
Erst vor ein paar Monaten kam ein neuer The Crow-Film in die Kinos, der allerdings sowohl bei den Zuschauern, als auch bei den Kritiken durchfiel. Gleichzeitig verurteilten alle Schauspieler, die beim Original mitgewirkt hatten, das Remake. Dank dieses Misserfolgs befand er sich in guter Gesellschaft, denn abgesehen von dem ersten Teil konnte kein einziger weiterer Teil der Filmreihe überzeugen.
Das mag daran liegen, dass der Film heutzutage Kultstatus genießt und er anscheinend unwiderruflich mit dem tragischen Tod seines Hauptdarstellers während der Filmarbeiten in Verbindung gebracht wird. Brandon Lee, Sohn des legendären Bruce Lees, starb kurz vorm Abschluss der Dreharbeiten an einer Schusswunde in den Bauch, weil eine Pistole, die für eine Szene genutzt werden sollte, nicht richtig überprüft worden war. Es war ein tragisches Ereignis, was aber auch zu der Vorgeschichte des Films passte.
Denn die Vorlage zu dem Film war ein Comic, der von James O’Barr 1989 geschrieben und illustriert und im Verlag Caliber Press veröffentlicht wurde. Mit der Geschichte versuchte der Künstler den gewaltsamen und unerwarteten Tod seiner Verlobten zu verarbeiten. Der Comic war ein großer Erfolg.
Der Sohn einer Legende
Die Versuche von James O’Barr, die Hollywood Studios für sein Werk zu interessieren, scheiterte jedoch unter anderem daran, dass sich deren Visionen komplett von seinen unterschieden. Ein Studio wollte beispielsweise aus dem Werk ein Musical mit Michael Jackson in der Hauptrolle machen.
Es kam erst Bewegung in die Sache, als James O’Barr sich mit dem Autor John Shirley und dem Produzenten Jeff Most zusammentat. Das Trio produzierte einige Treatments und als der Produzent Edward Pressman mit hinzukam, nahm das Projekt Verfilmung endgültig Fahrt auf. Allerdings wurde John Shirley dabei gefeuert, weil er wiederholt mit einer wichtigen Person in Pressmans Studio aneinandergeriet. David J. Schow wurde fürs Überarbeiten an Bord geholt, derweil die Wahl des Regisseurs auf den Australier Alex Proyas fiel. Paramount erhielt die Vertriebsrechte, und der Film sollte ursprünglich im August 1993 in die Kinos kommen.
Für die Hauptrolle des Eric Draven wurden unter anderem River Phoenix und Christian Slater in Betracht gezogen. Doch dann konnte Brandon Lee James O’Barr überzeugen, und er erhielt danach auch den Zuschlag. Der Schauspieler war jedoch nicht einfach nur für die Titelrolle zuständig. Er arbeitete mit der Filmcrew eng zusammen, um dem Film zu gestalten, choreographierte seine Action-Sequenzen gemeinsam mit Jeff Imada, machte alle seine Stunts selber und ließ einen Subplot wegen seiner asiatischen Klischees entfernen.
Der Tod und seine Konsequenzen
Der Rest des Casts setzte sich aus bekannten und nicht so bekannten Namen zusammen. Definitiv prominent waren Ernie Hudson (Ghostbusters) und Tony Todd (Candyman). Hudson übernahm die Rolle des ehrbaren Polizisten Sergeant Albrecht, derweil Tony Todd zur rechten Hand des Oberschurken Top Dollar, Grange, wurde. Top Dollar wurde von dem Kanadier Michael Wincott dargestellt, der eine Liaison mit seiner Halbschwester Myca hatte, die von Bai Ling gespielt wurde. Die wichtige Rolle des jungen Mädchens Sarah sollte von Rochelle Davis übernommen werden.
Das Besondere an diesem Cast war, wie eng er nach dem unglücklichen Tod Brandon Lees zusammenhielt. Es waren ursprünglich nur noch drei Drehtage geplant, weshalb sie alle noch länger in Wilmington blieben. Einzige Ausnahme war Ernie Hudson, der allerdings auch abreisen musste, weil sein Schwager ebenfalls verstorben war.
Jedoch machte Paramount dann einen Rückzieher. Der Grund waren die Verzögerungen in den Dreharbeiten, sowie auch die Kontroversen um die Gewaltdarstellung im Film, die auf Grund von Brandon Lees Tod aufflammten. Zum Glück schritt dann Miramax als Finanzier und Vertriebsfirma ein, weshalb der Film zu Ende gedreht wurde.
Ein voller Erfolg
Eine weitere Konsequenz von Brandon Lees Tod war, dass das Drehbuch von The Crow stellenweise umgeschrieben wurde. Und auch wenn die meisten Szenen, in denen er auftreten sollte, schon abgedreht waren, gab es immer noch einige, in denen seine Figur Eric Draven noch zu sehen sein sollte. Am Ende wurde sein Stunt Double Chad Stahelski als Stand-in genutzt und das Gesicht Brandon Lees digital auf seinen Körper gesetzt. Ebenso wurde die Anfangsszene mit Computergraphiken von früheren Szenen Lees neu erschaffen.
Am Ende kam der Film offiziell am 13. Mai 1994 in die Kinos. Und er wurde ein voller Erfolg. Bei einem Budget von 23 Millionen Dollar spielte er am Ende insgesamt 94 Millionen Dollar ein.
Von den Toten zurück
Im heruntergekommenen und vom Verbrechen geplagten Detroit werden eines Nachts Shelly Webster und ihr Verlobter, der Rockmusiker Eric Draven, überfallen. Sie wird vergewaltigt und schwer verletzt, er hingegen erschossen und aus dem Fenster gestoßen. Der Polizist Daryl Albrecht begleitet die Frau noch ins Hospital, doch kann er nicht verhindern, dass sie dort stirbt.
Ein Jahr später besucht das Mädchen Sarah, deren Mutter drogensüchtig ist und um die sich die beiden Verstorbenen daher gekümmert haben, die Gräber der beiden. Als sie diese verlässt, fliegt eine Krähe herbei, die übernatürliche Kräfte besitzt. Dank diesen kann sie Eric Draven wiedererwecken. Von nun an mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet, schminkt er sein Gesicht Schwarz/Weiß und beginnt einen Rachefeldzug gegen diejenigen, die ihn und seine Verlobte damals umbrachten.
Ein Fiebertraum
Die Kritik an The Crow von dem Tod Brandon Lees zu trennen ist zugegebenermaßen schwierig. Es dürfte in der Filmgeschichte kaum ein anderes Ereignis geben, dass das Endergebnis so überschattete. Zum Glück kann das Endprodukt auch so überzeugen, trotz des tragischen Ablebens des Hauptdarstellers.
Das funktioniert vor allem deshalb, weil der Film wie ein Fiebertraum wirkt. Nahezu alle Figuren wirken überdreht, schon fast wie Karikaturen von Menschen. Die Mörder von Eric Draven werden als drogenabhängige Freaks dargestellt, die zum Spaß Patronen mit Alkohol runterkippen und sich ansonsten so aufführen, als ob die Stadt ihnen gehört. Und auch ihr Anführer, Top Dollar, wird völlig übertrieben charakterisiert, schon fast wie eine Parodie eines Schurken.
Wenn den Normalos eine wichtige Funktion zukommt
Und doch ist dieser Film keine Parodie. Er wirkt mehr wie ein Alptraum, in dem sich die Figuren befinden. Einer, in dem die Kräfte des Bösen überwältigend wirken, weshalb der wiederbelebte Eric Draven auch eine solche Wucht entwickelt. Er will nur Rache und die Unschuldigen beschützen und agiert dabei wie ein Spiegelbild dieser Antagonisten. Das Make-up lässt ihn wie eine Art dunkler Clown wirken. Und entsprechend führt er sich auch auf. Er macht Witze und sich über andere lustig, während er sie gnadenlos jagt und tötet.
Damit The Crow jedoch nicht vollends zu einem surrealen Abenteuer wird, gibt es zum Glück noch zwei Figuren, die ihn in der Realität verankern. Die eine ist das junge Mädchen Sarah, dass wegen seiner drogenabhängigen Mutter schnell erwachsen werden muss. Ihr Verhalten grenzt stellenweise an Apathie. Sie hat schon zu viel Müll gesehen, um noch wirklich zu trauern. Sie ist das Herz des Films, weil man nicht möchte, dass sie auf die schiefe Bahn gerät. Was dann auch Eric Draven verhindert, als er ihre Mutter von der Drogensucht heilt und beide ein Frühstück haben, bei dem klar ist, dass noch nicht alle Wunden geheilt sind, aber sie auf dem besten Wege sind.
Ernie Hudons Daryl Albrecht ist hingegen die Seele des Films. Der letzte aufrechte Cop, dem das Leben der Unschuldigen noch am Herzen liegt. Dessen Arbeit sich aber ebenfalls auf sein Privatleben ausgewirkt hat. Er ist der einzige erwachsene Normalo in dieser durchgedrehten Welt, weshalb auch seine Rolle so wichtig ist. Er hat ebenfalls schon vieles gesehen und erlebt, weshalb er darauf mit einer sarkastischen Art reagiert. Etwa, wenn er sich über seinen Vorgesetzten lustig macht, der alles unter den Teppich kehren möchte.
Wenn die Gegenseite völlig wahnsinnig ist
Immer wieder baut The Crow außerdem Szenen ein, in denen man sieht, wie Eric Draven mit seinem neuen Leben versucht umzugehen. Was dann häufig darin endet, dass er draußen bei strömenden Regen laut emotional E-Gitarre spielt. Das wirkt natürlich völlig übertrieben, passt allerdings in diese emotional aufgeladene Atmosphäre des Films. Und es verstärkt das Gefühl, als ob Brandon Lees Eric Draven schon fast bipolar ist.
Auf der Gegenseite hat man wie gesagt überwiegend durchgeknallte Charaktere. Die einzige Ausnahme ist Tony Todds Graven, der eine Lässigkeit ausstrahlt, die wirklich unbeschreiblich ist. Schade ist, dass er und die anderen Gegenspieler nicht sonderlich ausführlich charakterisiert werden. Sie sind böse, weil sie böse sind und weil ihr Boss böse ist. Was auf Dauer natürlich nicht wirklich zufriedenstellend ist.
Immerhin gelingt es Michael Wincott seiner Figur Top Dollar die nötigen Nuancen abzugewinnen, die ihn wirklich gefährlich machen. Ihm sind die Leben seiner Leute egal, er interessiert sich nur für die Macht und für seine Halbschwester Myca, mit er einer Liaison hat. Dabei zeigt sich vor allem im Finale, wozu alles er bereit ist, wenn er Sarah kidnappt und seine Schwester die Krähe fängt, die Eric Draven seine besonderen Fähigkeiten gibt.
Gut gealtert
Myca selbst ist … präsent. Sie ist ständig anwesend, wenn Top Dollar auftritt. Doch dass sie intelligent und gefährlich ist, erfährt man erst im finalen Akt. Und selbst dann bleibt ihre Persönlichkeit überschaubar.
Der ständige Regen, die stellenweise sehr reduzierte Farbgebung des Films sowie der überwiegend melancholische Soundtrack sorgen dafür, dass The Crow über weite Teile düster und depressiv wirkt. Weshalb dem die genialen Actionszenen entgegengesetzt werden, wo Brandon Lee wirklich glänzt. Und man merkt nicht wirklich, dass an einigen Stellen getrickst wurde, um sein tragisches Ableben zu kompensieren. Denn auch in Sachen Special Effects ist der Film gut gealtert.
Der Film ist zu Recht ein Klassiker. Die Story und die Dreharbeiten, sowie die Figuren ziehen den Zuschauer in den Bann. Da kann man es auch verschmerzen, wenn einige Charaktere nicht wirklich viel Tiefe erhalten.
Info
Regie: Alex Proyas
Drehbuch: David J. Schow, John Shirley
Produzent: Edward R. Pressman, Jeff Most
Hauptdarsteller: Brandon Lee, Ernie Hudson, Michael Wincott
Musik: Graeme Revell
Kamera: Dariusz Wolski
Schnitt: Dov Hoenig, Scott Smith
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