„Staunen veranlasste zuerst, wie noch heute, die Menschen zum Philosophieren.“
Sagte einst Aristoteles vor über 2000 Jahren und diese Worte haben nie an Bedeutung verloren, auch nicht für Gene Roddenberrys Schaffenswelt. Für so einige Diskussionen hat Star Trek in seiner Serien- und Filmgeschichte schon gesorgt, philosophische Fragen aufgeworfen und an gesellschaftlichen Weltbildern gekratzt und handelte dementsprechend stets nach Roddenberrys Philosophie, philosophische Ansätze, die einst nur Arbeitsstoff für Wenige war, mit Beispielen des Sci-Fi massentauglich zu machen.
Doch Unmut breitet sich seit wenigen Jahren aus! Thema dieses Unmuts sind weniger philosophischer Natur, sondern mehr das Fehlen des roddenberryischen Geiste bezüglich der neueren Ableger des Star Trek Universums „Star Trek Discovery“ und „Star Trek Picard“.
Roddenberrys Geist ist von Anfang an präsent! Bereits die „offizielle“ erste Folge von TOS „Die Spitze des Eisberges“ stellt den Zuschauer vor die moralische Entscheidung, ob man einen Menschen auf einen unbewohnten Planeten aussetzen darf, wenn dieser eine Gefahr für den Rest der Mannschaft darstellt. In der Folge Neun der ersten Staffel wird schon unterschwellig die Frage aufgeworfen, wie viel Menschlichkeit eine Maschine nur imitieren muss, um ihr künstliches Dasein verbergen zu können.
Alte Fragen
Die uralte Frage der großen Philosophie! Was macht uns zum Menschen? TOS hat es fast spielend leicht geschafft, solche Fragen, verbunden mit Unterhaltung, dem Publikum zu stellen ohne es zu langweilen oder zu überfordern. The Next Generation setzt dies fort ohne zu wiederholen, intensiviert sogar Themen von philosophischer Natur. In Staffel 2 Folge 9 wird die Frage aufgeworfen, wie der Titel schon verrät, wem Data gehört. Dabei ist die Frage sehr materialistisch gestellt, da man davon ausgeht, dass Data nur ein Ding wäre. Der Zuschauer muss mit sich selbst ausmachen, ob Data bloß eine Maschine und damit praktisch ein Besitz ist oder eine Persönlichkeit hat und damit dem Menschen gleichberechtigt ist. Solche Fragen werden auch auf uns in den nächsten Jahrzehnten zu kommen, falls die Entwicklung von künstlicher Intelligenz weiter voranschreitet.
Auch gesellschaftliche Tabuthemen waren Star Trek nie fremd. So beschäftigte man sich in der Doppelfolge „Geheime Mission auf Celtris Drei“ mit den Auswirkungen der Folter, was bezüglich der Informationsbeschaffung während des Desert Storm ein Jahr zuvor in der USA ein heikles Thema war. Auch wenn TOS und TNG viele philosophische und gesellschaftliche Themen aufgriff, so war eine Tatsache stets markant! Man stellte sich selbst als „gute“ und moralische richtige Instanz auf.
Damit brach DS9. Während ein Captain Picard (Patrick Stewart) wie ein edler Ritter mit glänzender Rüstung präsentiert wurde, traf Benjamin Sisko (Avery Brooks) des Öfteren eher moralisch fragwürdige Entscheidungen. Auch das Auftreten der Sektion 31 durchbricht die moralische Unfehlbarkeit der Menschen und der ganzen Föderation und stellt dies in seiner Gesamtheit infrage. Darf die Föderation so handeln? Heiligt der Zweck die Mittel?
Der Bruch mit diesen philosophischen und gesellschaftlichen Fragen kam nicht erst mit Picard… auch nicht erst mit Discovery! Sondern begann bereits bei VOY. Auch wenn dort solche Fragen immer mal wieder gestellt wurden, z.B. bezüglich des „wieder Mensch werden“ der ehemaligen Borgdrohne Seven of Nine (Jeri Ryan), so stand die Action ab Staffel 3 immer mehr im Vordergrund des Geschehens. Das machte sie nicht zu einer schlechten Serie, Folgen wie „Rebellion Alpha“, die darauffolgende Doppelfolge „Skorpion“ oder nicht zu vergessen die Doppelfolge „Ein Jahr Hölle“ sind grandios, es war mal was anderes und das hat Star Trek auch verdient.
Eine Abkehr von früher
Doch ging mit darauffolgenden Serien immer mehr die roddenberryische Philosophie verloren und Star Trek wandelte sich zu einer reinen Unterhaltungsserie. Auch wenn einige betonen, dass z.B. in Picard man sehr wohl wieder versuchte diese Fragen zu stellen, so ist dies leider nur ein schlechter Versuch, alte Strukturen wieder zu übernehmen. Wenn romulanische Flüchtlinge auf die aktuelle Flüchtlingsthematik hindeuten sollen, so wurde das Thema nur halbherzig behandelt. Oder die Thematik der Isolation der Föderation. Wenn man dies so negativ dem Publikum vermitteln will, wieso präsentiert man dann genug Gründe, die Isolation sogar zu befürworten? Immerhin sind die Opfer der Isolation die Romulaner, die wiederum aber als Bösewichte präsentiert werden.
Jeder wird seine Gründe haben, die neue Generation von Star Trek zu lieben, genauso wie jeder, so wie auch ich, seine Gründe haben wird, sie eher kritisch zu betrachten. Zum Beispiel, wenn Star Trek verlernt, uns zum Staunen zu bringen.
Gastautor: Dennis Zins
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