Im Grunde genommen könnte man schon fast sagen, dass das gesamte Leben von Richard Attenborough filmreif wäre.

Keine gewöhnliche Adoption

Er war eine Legende. Seine Filme, in denen er auftrat, die er produzierte oder in denen er Regie führte, waren häufig preisgekrönt. In seiner Kindheit hat seine Familie etwas nicht Selbstverständliches getan. Und im Alter musste er persönliche Verluste hinnehmen. Egal wie man es dreht oder wendet, egal wie oft man den Spruch schon gebracht, aber Sir Richard Attenborough war zu Recht eine Legende des Filmgeschäfts.

Richard Samuel Attenborough kam am 29. August 1923 in Cambridge, England, zur Welt. Er war der älteste von drei Söhnen, die das Ehepaar Mary und Frederick Levi Attenburough bekam. Er ging auf die Wyggeston Grammar School for Boys und studierte an der Royal Academy of Dramatic Arts.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war sein Vater Direktor am University College in Leicester. Die Familie nahm damals zwei minderjährige, jüdische Mädchen bei sich auf, die Flüchtlinge aus Deutschland waren. Und sie adoptierten die beiden nach dem Ende des Kriegs, als sich herausstellte, dass ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Die beiden Töchter zogen in den 1950ern in die USA zu einem Onkel, wo sie schließlich die amerikanische Staatsangehörigkeit annahmen und heirateten.

Die ersten Schauspielerfahrungen

Während des Weltkriegs diente Richard Attenborough in der Royal Airforce. Nach seiner Pilotenausbildung wurde er Teil des Royal Air Force Film Production Unit. Als Teil dessen flog er unter anderem bei zahlreichen Einsätzen über Europa mit, um für das RAF Bomber Command Material zu filmen.

Seine Schauspielkarriere startete, als er, bevor er an der Royal Academy of Dramatic Arts studierte, auf der Bühne des Little Theatre in Leicester auftrat. Er blieb übrigens bis zu seinem Tod Patron des Theaters. Seine Film- und Fernsehkarriere begann 1942, als er in dem Kriegsfilm In Which We Serve in einer kleinen, nicht in den Credits gelisteten Rolle auftrat. 1945 war er dann der Hauptdarsteller des Propagandafilms Journey Together.

1946 trat er an der Seite von David Niven in der Fantasyromanze Irrtum im Jenseits auf. Und ein Jahr darauf stellte er in dem Historienfilm Piratenliebe den 17-jährigen Francis Andrews dar. Und in Die Nacht begann am Morgen (1950) hatte Attenborough ebenso eine kleine Rolle.

Legendäre Kinofilme

Etwas größer war anschließend sein Auftritt in der Komödie Eine verrückte Familie (1952). Und 1956 in Der beste Mann beim Militär hatte er dann wiederum nur eine kleine Rolle. 1958 war er Hauptdarsteller in einem weiteren Kriegsfilm, dieses Mal in Dünkirchen. Unvergessen war sein Mitwirken in der Komödie Die Herren Einbrecher geben sich die Ehre, die für einen BAFTA-Award nominiert wurde. Eine komplett andere Seite konnte er 1960 in dem Drama Zorniges Schweigen beweisen, was ihm eine weitere BAFTA-Nominierung einbrachte. Das war übrigens der erste Film, den er selbst produziert hat.

Mit Gesprengte Ketten wirkte er in einem Kinofilm mit, der regelmäßig in diversen Must-see-Listen auftauchte. Er spielte dort an der Seite von Legenden wie Steve McQueen, Charles Bronson und James Garner. Ebenso legendär: Der Flug des Phoenix, wo er unter anderem mit James Stewart, Hardy Krüger und Ernest Borgnine arbeiten konnte. Diesen Filmen und ebenfalls Doctor Dolittle aus dem Jahr 1967 war gemein, dass sie alle für diverse Oscars nominiert worden waren und auch gewannen. Doch Attenborough selbst erhielt zu jener Zeit nie einen. Erst viele Jahre später sollte sich dies ändern.

1969 führte er das erste Mal Regie. Es war erneut ein Kriegsfilm, wenn auch ein komödiantischer. Es war das von ihm produzierte Kriegsfilmmusical Oh! What a Lovely War, wo er auf dem Stuhl des Filmemachers saß. 1974 konnte man ihn unter anderem mit Gert Fröbe und Elke Sommer in dem Mysterythriller Ein Unbekannter rechnet ab sehen. 1977 kam dann der nächste legendäre Film, in dem er mitwirkte und wo er sogar Regie führte. Die Brücke von Arnheim, mit Sean Connery und Michael Caine in den Hauptrollen, ist immer noch unvergessen.

Großer Erfolg als Regisseur

1979 kam es dann zu einem Wendepunkt in Richard Attenboroughs Karriere. Denn mit Otto Premingers Liebesfilmdrama Der menschliche Faktor trat er das letzte Mal als Schauspieler vor die Kamera. Zumindest für eine gewisse Zeit.

Stattdessen fokussierte er sich auf die Produktions- und Regiearbeit. Das Ergebnis? Ghandi mit Ben Kingsley in der Hauptrolle aus dem Jahr 1982. Dies war der Kinofilm, der ihm seinen ersten Oskar einbrachte und zwar sowohl den für die Regie wie auch für den besten Film. Er war damit der letzte Zweite-Weltkriegs-Veteran, der diesen renommierten Filmpreis gewann.

1987 führte er in Schrei nach Freiheit Regie. Es war ein Biodrama über den von Denzel Washington dargestellten Journalisten Steve Biko. Und 1992 drehte er das Biodrama Chaplin – Das Leben der unsterblichen Filmlegende, mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle und Chaplins Tochter Geraldine Chaplin als Hannah Chaplin, eine der Ehefrauen des legendären Darstellers. 1993 arbeitete er mit Anthony Hopkins in dem Liebesfilm Shadowlands – Ein Geschenk des Augenblicks zusammen, der erneut für die Oscars nominiert wurde, allerdings keinen gewann.

Die Rückkehr

1993 war auch das Jahr, in dem Richard Attenborough wieder vor die Kamera zurückkehrte. Steven Spielberg, den er sehr bewunderte, konnte ihn davon überzeugen, in seiner Romanverfilmung Jurassic Park den Parkbesitzer John Hammond darzustellen. Wobei mit ein Grund dafür gewesen sein soll, dass der Schauspieler sich etwas schuldig fühlte, weil sein Kinofilm Ghandi den Oskar für den besten Film und Regie gewann und nicht Spielbergs E.T. – Der Außerirdische.

Es sollte für eine kleine Revitalisierung der Schauspielkarriere des Darstellers sorgen, der in den darauffolgenden Jahren immer wieder für kleinere Rollen vor die Kamera trat, allerdings auch ab und zu Hauptdarsteller wurde. Wie zum Beispiel in Das Wunder von Manhattan, wo er Kriss Kringle darstellte. 1996 wirkte er übrigens zum einzigen Mal in einer Shakespeare-Verfilmung mit. Er war in Kenneth Brannaghs Hamlet-Adaption der englische Botschafter, der den Tod von Rosencrantz und Guildenstern verkündete.

1997 nahm er seine Rolle als John Hammond nochmal für  Vergessene Welt – Jurassic Park auf und sprach in der Kinderserie Tom und Vicky 1998 den Großvater. 2001 hatte er eine wiederkehrende Rolle in der Miniserie Jagd auf den Schatz der Riesen und 2002 seinen letzten Schauspielauftritt in der Komödie Puckoon. Seine letzte Regiearbeit war 2007 der von ihm produzierte Liebesfilm Closing the Ring.

Ein schwerer Schicksalschlag

Richard Attenborough war in seiner Familie nicht der einzige Prominente. Auch seine beiden jüngeren Brüder David (ein bekannter britischer Moderator und Biologe) und John (ein Vorstandsvorsitzender in der britischen Motorindustrie und später Finanzberater) erlangten Berühmtheit. Er selbst heiratete am 22. Januar 1945 die Schauspielerin Sheila Sim, mit der er bis zu seinem Tod zusammen war. Das Paar hatte drei Kinder, die alle auf die eine oder andere Art in seine Fußstapfen traten.

Seine älteste Tochter Jane Attenborough kam allerdings gemeinsam mit ihrer Stiefmutter und ihrer 15-jährigen Tochter beim Tsunami von 2004 im Indischen Ozean ums Leben. Ihr Sohn und ihre zweite Tochter überlebten die Katastrophe. Der Schauspieler beschrieb später diesen Tag als den schlimmsten seines Lebens.

Richard Attenborough war sein gesamtes Leben lang engagiert. Er diente 33 Jahre lang als Präsident der Kampagne gegen Muskeldistropie und setzte sich für eine Erziehung ein, die nicht nach Hautfarbe, Rasse, Kredo oder Religion urteilte. Er war ein lebenslanger Unterstützer des Chelsea Fußballclubs, wo er von 1969 bis 1982 sogar als Direktor arbeitete. Er wurde am 30. Juli 1993 zum Lord Temporal ernannt und erhielt den Titel des Baron Attenborough.

Eine Legende verlässt die Bühne des Lebens

Im August 2008 kam der Schauspieler mit Herzproblemen ins Krankenhaus und bekam einen Herzschrittmacher. Im Dezember 2008 hatte er zu Hause einen Unfall und erlitt dadurch einen Schlaganfall, was ihn an einen Rollstuhl fesselte. Im Laufe der Jahre trennte er sich nach und nach von vielen Besitztümern. 2012 ging erst seine Ehefrau in das Pflegeheim für professionelle Schauspieler, Deville Hall, ehe er dann im Dezember desselben Jahres nachkam. Laut seinem Bruder David war es am Ende einfach nicht mehr praktikabel, dass sie noch ihr Haus besaßen.

Richard Attenborough verstarb am 24. August 2014, im Alter von 90 Jahren. Gemäß seinem Wunsch wurde seine Asche in der Gruft der St.-Mary-Magdalene-Kirche in Richmond neben der seiner Tochter Jane Holland und seiner Enkelin Lucy beigesetzt. Zum Zeitpunkt seines Todes überlebten ihn seine Ehefrau, sein ältestes und sein jüngstes Kind, sechs Enkel, zwei Urenkel und sein jüngerer Bruder David.

Richard Attenborough im Web

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Götz Piesbergen

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