Sie erreichen das Dyoversum – und finden die verlorene Menschheit

Solsystem
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Solsystem
Autor: Christian Montillon
Titelbild: Arndt Drechsler
Erschienen: 31.01.2020

Zur Handlung

Die TESS QUMISHA gelangt in die Anderswelt und das Solsystem – mit elf Planeten! Doch aufgrund noch höherer Hyperimpedanz kommt es zum Systemausfall und Hüllenbruch und der Absturz auf Triton wird nur dank Kommandant Hanko Lee der CISTOLO KHAN verhindert. Diese patrouillierte dort wegen einer Prophezeiung aus dem Jahre 1626NGZ durch den Thesan Jathao Vanoth, der Rhodans Ankunft orakelte. Doch Willkommen werden die Galaktiker nicht geheißen.

Im hyperphysikalisch eigenwilligen Dyoversum war Homer Gershwin Adams von 1614 NGZ und dem CEE (Change-Everything-Event) an als Advisor in Regierungsgeschäfte eingebunden, muss allerdings alle 62 Jahre in Suspension, um den aussetzenden Zellaktivator zu regenerieren. In solch einer Erholungsphase gelangt Rhodan in das weitestgehend unbelebte Zwillingsuniversum und sieht sich sogleich einem Anschlag sogenannter Irreversibilisten ausgesetzt und Topsider des Sternengeleges verlangen seine Auslieferung …

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Universale Zwillinge – das Dyoversum

Obacht – folgend eine Explosion kosmologischer Begeisterung – auf eigene Gefahr!

Vorab schon geteasert (hier aber außen vorgelassen), war der Begriff schon in aller Munde. Nun ist das Dyoversum als „neues Spielfeld“ erreicht – und wie. Es erweist sich als bereits mit dem Urknall entstandenes sog. „Zwillingsuniversum“ zum Standarduniversum (Meekorah; Hochland; Niederungen des Kosmos). Doch während dieses als „Parresum“ per Möbiusschleife mit dem Arresum innigst verbunden ist, fungiert hier die (natürliche oder künstlich geschaffene?) Zerozone als Statuspassage zwischen den Zwillingen.

Das Institut zur Erforschung des Dyoversums („im Gestänge des Plutos“) muss noch erklären, dass die Zwillinge nicht eineiig und „im Einklang“ entwickelt sein können. Viele auffällige Abweichungen sind festzustellen: obwohl es keine abweichende Strangeness gibt und es demnach kein Paralleluniversum nach herkömmlichem kosmologischen Verständnis sein kann, herrscht (im bekannten) Dyoversum eine nochmal stark erhöhte Hyperimpedanz vor. Durch die fällt die seit 1331NGZ stetig HI-angepasste Technik komplett aus. Anpassungen der Prinzipskizze nun dyoversalweiter „natürlicher Fluktuationen“ der Hyperimpedanz sind daher von Nöten.

Und inmitten dieses merkwürdigen Andersraum das „Solsystem“: ein Zufall, dass es mit Pluto, Zeut und selbst Medusa und in Summe also 11 Planeten so viele gibt, wie seit der Ankunft von ES in der Milchstraße und bis zum Auftreten der Tiuphoren zuvor nicht? Also planetarer Stand von vor über 20 Mio. Jahren … Und während der Mars paradiesisch bewohnbar ist, ist das 27 Lichtjahre entfernte Wegasystem gänzlich unbewohnt. Und das einzige bisher aufgespürte Volk sind die (immerhin auch) kriegerischen Topsider des so nie gehörten „Sternengeleges“ unter dem Geheiß der „Gelegemutter“ (statt des Despoten).

Und viel mehr war in den über 400 Jahren kaum erforschbar, da angesichts der Hyperimpedanz und langwieriger Anpassungsprozesse die Technik nicht weit genug ist. Linearetappen nur bis zu 25 Lichtjahren möglich, was erschütternd kurz ist. Grund hierfür auch „höherdimensionale Eisberge“ (Manifestationen), die wie solche auf dem Nordozean den Linearraum durchwandern und an denen wie die Titanic Raumschiffe im Flug zerschellen können. „Linear-Labyrinthe“, durch die man nur mithilfe von „Lookouts“ navigieren kann. Ein allerhöchst unfreundlicher düsterer Zwilling, zu den es Teile der Menschheit (und Galaktiker) verschlug. Nochmal ganz andere, negativere Vorzeichen als für die notgedrungen, aber freiwillig ausgewanderte STARDUST-Menschheit.

Faszinierend! Sehr viel hier noch zu sagen ist, gerade weil Thesan Vanoth von „Rettung“ und „Neuanfang“ im Dyoversum spricht: wie groß ist der Aktionsradius der Dyo-Galaktiker? Was treiben sie so abgeschieden über die vier Jahrhunderte? Was für soziale Auswirkungen hat die Isolation? Eine „kollektive Depression“ wird angesichts eines tot scheinenden Universums angedeutet …

2. Homer Gershwin Adams

Sehr gelungener Kniff: Adams, den wir alle doch stets nur als Homer kennen, hier größtenteils mit Gershwin rufen zu lassen. So wie der Zyklus in Hälfte 2 neu durchstartet, die Menschen in neuer Raum-Zeit gestrandet sind, so vermittelt mir diese ungewohnte Anrede auch auf dieser Ebene im Kleinen einen Neuanfang und Aufbruch ins Unbekannte.

Dennoch Irritationen: trotz fotografischen Gedächtnisses denkt Gershwin angesichts der hyperimpedanten Chaosumstände an den Hyperschock / die aktuelle Hyperdepression seit 1331 NGZ, aber keinmal an Gravospaltung, Gravoerratik und Nirvana-Phänomene in der „traumatisierten“ Anomalie des Neuroversums. Das, obwohl es dort mit „Irrlichtern“ zwischen den Sonnen auch zu „energetischen Fluktuationen“ kam, die Raumschiffopfer forderten.

Viel Ähnliches, aber (noch) keine Verweise. Dabei war er ab 1469NGZ ebenfalls im operativen Krisenstab und auch noch der Earl Grey der Society of Absent Friends und somit in ähnlicher Funktion wie nun vom quasi ersten Tag an als Advisor (Ein-Mann-Ältestenrat) der amtierenden Residentin. Als solcher lenkt er „die Phase Nemo“ um zur „Phase Neuland“ u.a. mit der Besiedlung der blühenden Landschaften auf dem Mars.

Auch erinnert sich Gershwin vergleichsweise kurze 78 Jahre später nicht mehr an intensive Beziehung mit Thersa Gooden, obwohl er gewiss kein Sunnyboy und Womanizer ist wie Atlan oder – im Gedenken – Tek. Im Gegenteil: “…er ist keine einfache Figur. … Kein Held, mit dem man Action machen kann.“ Umso mehr hat es mich gefreut, dass und wie Gershwin hier gezeichnet wird und dass und wie er seine „Beziehung auf Zeit“ mit Amalia Serran führt. Sie ist, strenggenommen, wohl nur erzählerisch der unbedarfte Sidekick, dem Gershwin in tunlichst einfachen (und uns Lesern noch nicht zu viel preisgebenden) Worten die so neuen Verhältnisse im Dyoversum näherbringt. Ihre ruppig-distanzierte, vom unsterblichen ZAC-Träger sehr unbeeindruckte Art hat mir aber sehr gut gefallen.

Ganz kurz geschockt, bin ich wegen des Zellaktivator-Aussetzers Gershwins so besorgt aber nicht. Problematisch, dass nur ein Suspensions-Alkove kostspielig betrieben wird und werden kann, von dem er und die ZAC-Regeneration abhängig ist. Das könnten übel gesinnte Kräfte gewiss gegen ihn wenden – an und für sich sind alle 62 Jahre mal 620 Stunden Suspensionspause jedoch nicht weiter dramatisch. Außer die Expokratur will es so.

3. Perry Rhodan, der Prophezeite

Schokolade mit ganzen Nüssen“ ist genauso wenig Perrys wie meine Sache, womit nennenswerte Gemeinsamkeiten leider schon enden. Mich hat nämlich noch niemand prophezeit, geschweige denn zum wiederholten Male: schon 3037 „Der Abyssale Ruf“ war Rhodan in eine Selbsterfüllende Prophezeiung verstrickt. Am Abyssalen Triumphbogen der Kandidatin Phaatom traf er auf die Thesan und Lasha Pezenna Flaith, die sein Erscheinen eben hier vorausgesehen hatte und deshalb dorthin kam. Ggf. auch ohne sie, nun aber gezielt mit ihr, betritt er erst den Triumphbogen und die Geschehnisse nehmen ihren Lauf.

Im Dyoversum wurde Rhodans Erscheinen schon im Jahre 1626 (12 Jahre nach dem Change-Everything-Event) angekündigt: unkonventionell war hier der Thesan und ebenfalls Lasha Jathao Vanoth nicht offiziell bei der Regierung, sondern im Stile einstiger sayporanischer Auguren am legendären Speakers‘ Corner in London aufgetreten. Rhodan als Bote und Terrasucher prophezeit, verheißt Vanoth auch, dass bis dahin die Terraner im Dyoversum ihre „neue Heimat gefunden” hätten, die für sie „Rettung“ und ein „Neuanfang“ sei. So entstanden die sog. „Vanothen“ resp. „Irreversibilisten“. Diese „folgen dem nachvollziehbaren Gedankengang, dass wir sämtliche Ressourcen dafür verwenden sollen, uns in diesem Kosmos auszubreiten. Neue Kolonien zu gründen. Was schwer genug ist. Fernreisen sind extrem mühevoll – und außerdem gefährlich.“

Es bleibt für mich rätselhaft, wie man in dieser trostlosen Gegend im Nirgendwo bleiben will und aus Angst vor ermöglichter Rückkehr sogleich ein Attentat auf Rhodan verübt. Perry befindet sich hier in der unglaublich zwiespältigen Situation, Verheißer einer Rückkehr zu sein und zugleich Zerstörer der neuen Heimat. Davon ab, dass er zunächst einmal nur angekommen ist und selber nicht weißt oder auch nur ahnt, wie er oder gar Terra/Luna zurückgelangen könnten.

Zu diesen gänzlich unverhofften innerterranischen Widerständen kommt noch die moralische Zwickmühle: eine Rückführung ginge wohl nur auf Kosten der Ayees, die auf Iya im standarduniversalen Solsystem sitzen und an die Prophezeiung glauben, dass die Teaana (Terraner?) kommen und sie nichten (vernichten werden. So spekulierte Kollege Mario schon Lasha-esk vorausschauend in 3021 „Eyshus Geschenk“. Der Preis ist hoch und eventuell schon deshalb könnte meine Beobachtung3 zu einer unhintergehbaren Statuspassage für die Menschheit aus 3049 „In der Zerozone“ eine radikal realistische Zukunftsperspektive sein …

Fazit zu Solsystem

Ein wenig Hausmeisterei: Mit diesem Band wurde das Layout der LKS auf Betreiben von Klaus Bollhöfener “luftiger“ gestaltet; die Inhalte von der LKS-Tante Michelle Stern sind derweil gleichbleibend interessant – ich lese dort weiter gern Eindrücke aus der Mitleserschaft. Im Glossar gibt’s eine Kurzbiographie von H. G. Adams, allerdings mutmaßlich aus dem „falschen Zwilling“ des Dyoversums: er soll schon 1961 mit rückgestürzten Perry Kontakt aufgenommen haben – um 10 Jahre zu früh der Herr… Und zu guter Letzt: wer es nicht eh schon mitliest, möge dringend das hiesige Journal von Rüdiger Vaas erlesen. Es geht um „kosmische Ästivation“. Häh, bitte was? Siehe dort, Sehr spannend!

Zum Roman „Solsystem“ und Auftakt des „Zerozone“-Vierteilers: nach Ernst Vlcek(939-942) ist das erst das zweite Romanquartett eines Autors in bald 59 Serienjahren – ein „wahrer Expokrat“, der sowas initiiert und nicht „stolz“ ist, sondern „Spaß“ hatte. Konnte mich nur an mehrere Dreiteiler (v.a. von der Autorenheit MiMaThu) erinnern. Allein dafür wird Monti Respekt sicher geworden sein!

Zum Glück wird keinmal „gerast“, was sonst bei Monti die bevorzugte Fortbewegungsart ist; dennoch sehr sicher ein „echter Monti“ – denn zweimal treten kurz und nur am Rande eigensinnige Roboter auf, die ihren skurrilen Part spielen. Darüber hinaus ein ganz starker Auftakt, durch den enorm viel angelegt ist und ich umso mehr wissen will, wie es weitergeht. Was ist mit Adams, was und wozu das Dyoversum und durch wen (die Thesanit?) die Versetzung Terras und Lunas dorthin? Rettung wovor und wieso dann nur Terra und Luna? Und dass wir Weiteres noch dreifach durch diese Hälfte des Dualen Expotäns erfahren, quasi „aus einer Hand“, lässt mich gespannt und vorfreudig ausharren!

Wilde Spekulation: das Dyoversum ist eine der „Versiegelten Regionen“, von denen die Sayporaner einst sprachen und in denen keine aktiven Superintelligenzen/Höheren Mächte aktiv seien. Ein perfekter Rückzugsort für die von der Kandidatin Phaatom (NOCH nicht direkt) bedrohten Galaktiker, um dem Multiversalen Konflikt zu entgehen – welch Verheißung der thesaniten Propheten!


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Dominic Schnettler
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