„KI ist wahrscheinlich das Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann.“ (Stephen Hawking)
Der künstliche Elefant im Raum
All die Fragen, die uns The Creator stellt, stehen in unserer gegenwärtigen Welt bereits unbeantwortet im Raum. Künstliche Intelligenz ist weder Utopie, noch Zukunftsvision, sie ist real. Der technologische Fortschritt ist rasant! KI hat den Weg in unseren Alltag schon längst gefunden, und die Welt, wie sie uns Regisseur Gareth Edwards (Rogue One – A Star Wars Story, Monsters, Godzilla) in seinem aktuellen Film zeigt, hat diese Anfänge längst hinter sich gelassen. Kleine KI, kleine Sorgen.
The Creator kommt als der Hoffnungsschimmer für das Kinojahr 2023 daher. Ganz sicher wird der Film zum Kult avancieren, über den Kritiker und Fans noch Jahre sprechen. Ob uns The Creator auch in Bezug auf unseren Umgang mit KI ein Orakel sein wird, zeigt die Zukunft. Allerdings braucht es kein Orakel, um sagen zu können, dass The Creator vor allen Dingen eines ist: ein verdammt guter Film in jeder Hinsicht.
Handlung
Die Handlung von The Creator ist, selbst mit einer kleinen Abrissbirne, schnell runter gerissen. Nach einer fünfzehn Jahre zuvor stattgefundenen atomaren Katastrophe in Los Angeles hat die Regierung der Vereinigten Staaten die Existenz jeglicher KI nicht nur verboten, sie erklärt ihr regelrecht den Krieg.
Protagonist ist der ehemalige Spezialagent Joshua (John David Washington), dessen mittlere Lebensphase von starker Trauer um seine verstorbene Frau Maya (Gemma Chan) und deren ungeborenes Kind geprägt ist. Beide kamen während einer Undercover-Mission um Leben, an der Joshua selbst beteiligt war. Eines Tages bekommt er Besuch von seiner ehemaligen Einheit, die ihm einen Auftrag mit höchster nationaler Priorität anbietet. Eine Geheimorganisation, die in Beziehung mit dem mysteriösen Nirmata – dem Erschaffer (Creator) – steht, soll eine Waffe entwickelt haben, die eine Bedrohung für die Menschheit und die Regierung darstellt. Nirmata setzt sich außerdem für den Erhalt und die Weiterentwicklung der verbotenen KI ein.
Joshua zögert zunächst, den Auftrag anzunehmen. Allerdings wird er dann durch die Tatsache überzeugt, dass seine verstorbene Frau Maya nicht nur am Leben zu sein scheint, sondern auch mit Nirmata in Verbindung gebracht wird. Joshua nimmt den Auftrag an, den Creator zu jagen und die geheime Waffe zu zerstören. Doch die Zerstörung dieser geheimen Waffe erweist sich für Joshua als schwierig, als er erfahren muss, dass diese Waffe ein Kind ist. Ab diesem Zeitpunkt wird Joshuas moralischer Kompass nicht nur einmal auf die Probe gestellt. Er beginnt seine wohl wichtigste Reise.
Mando und Grogu 2.0?
Bereits am Anfang des Filmes, dessen Titel ursprünglich True Love sein sollte, merkt man ganz deutlich, dass wir es hier mit keinem konventionellem Film-Handwerk zu tun haben. Dieser Film ist anders. Und dieser Film sieht auch anders aus – und zwar sehr sehr gut.
Organisch und stimmig kommen die Szenenbilder und Effekte daher. Zu keiner Zeit wirkt das Bild unecht oder übertrieben. Auch mangelt es dem Film nicht an unterhaltsamer Kinokultur. Regisseur Edwards setzt gelegentlich auf dezente Witze und legt ebenfalls Wert auf einen guten Soundtrack. Oft war ich bei der Konstellation Joshua und Alfie an Mando und Grogu aus The Mandalorian erinnert.
Die ethischen und moralischen Fragen stehen in The Creator jederzeit im Vordergrund, und die Emotion, die hierbei entsteht, trägt den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Sekunde durch die Geschichte. Zahlreiche Action gibt es in The Creator auch. Längen hat der Film keine. Die Laufzeit von über zwei Stunden vergeht wie im Flug und endet mit einer der schönsten Endeinstellungen, die ich seit langer Zeit im Blockbuster-Kino gesehen habe.
Nicht Waffen töten Menschen …
The Creator ist ein Film über KI, über Menschen und über Liebe. Er handelt davon, wie es uns in der Zukunft möglich sein muss, genau diese drei Dinge zu vereinen. Wenn böse Zungen hier von Kitsch und Klischee sprechen, dann nur, weil sie nicht verstehen, dass der Film ohne seine Hauptprämisse, die Liebe, nicht funktionieren und schnell in Vergessenheit geraten würde.
Wir sollten diesen Film und seine Botschaft aber besser nicht übersehen oder vergessen! Die Moral von The Creator stellt im Grunde eine Neuauflage von Asimovs Regeln der Robotik dar und sollte uns definitiv als Leitfaden für unsere neue und zukünftige Beziehung mit KI dienen. Wir müssen schon jetzt damit beginnen, KI nicht als Feind zu sehen oder als Sklave. Wir müssen aber auch jetzt schon damit beginnen, uns nicht von ihr abhängig zu machen. Wir müssen lernen, mit ihr zu leben, wie wir auch mit unseren Mitmenschen leben, denn am Ende sind KI und Mensch sich gar nicht so unähnlich.
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Leider fehlt in der Kritik der offensichtlichste Aspekt des Films: Es geht darum, wie die USA andere Länder überfallen, deren Innenpolitik ihnen missfällt. Die KI kann hier als Parabel auf progressive Regierungen gesehen werden, die sich dem neoliberalen Imperialismus entgegenstellen. Es ist wohl kein Zufall, dass ein Großteil des Films in Asien spielt und Szenen enthält, in denen Reisbauern bedroht und niedergeschossen werden. Die Anspielungen auf den Vietnamkrieg sind alles andere als subtil.