Der Fürsorger bringt uns und die USS Voyager in den fremden und unerforschten Delta-Quadranten.
Der Fürsorger – Caretaker
Staffel 1, Folge 1 – Sternzeit 48315,6
Vorwort zur Serie
Mit Star Trek: Raumschiff Voyager (VOY) betritt Mitte der 90er Jahre die dritte Star Trek-Serie der ‚Next Generation‘, die fünfte insgesamt, den Fernsehmarkt. Anders als die wenige Jahre zuvor parallel zu den letzten beiden Staffeln von Star Trek: The Next Generation (TNG) gestartete Schwesterserie Star Trek: Deep Space Nine (DS9) spielt Voyager wieder primär auf einem Raumschiff der Vereinigten Föderation der Planeten und nicht auf einer Raumstation. Die Serie ist erneut nicht nur in der gleichen Zeitlinie wie TNG und DS9 angesiedelt, sondern spielt parallel zu den Geschehnissen der DS9-Staffeln drei bis sieben und darüber hinaus. Um grobe Schnitzer in der Konsistenz der beiden Serien von vornherein auszuschließen, wurde die Voyager auf eine Reise (engl. voyage) geschickt, aber dazu später mehr. Genau wie DS9 bei TNG nimmt auch Voyager zu Beginn der Serie direkt Anleihen an der parallel laufenden Schwesterserie und schließt über die Thematisierung des Maquis sogar den Bogen zu TNG.
Die Reise beginnt – anders als geplant
Die USS Voyager, ein nagelneues Raumschiff der Intrepid-Klasse, soll unter Captain Kathryn Janeway (Kate Mulgrew) mit dem unehrenhaft aus der Sternenflotte entlassenen Ex-Maquis Thomas Eugene Paris (Robert Duncan NcNeill) als Beobachter in den Badlands nach einem vermissten Maquis-Schiff unter dem Kommando von Chakotay (Robert Beltran) – auf dem sich auch der Sicherheitschef der Voyager Lt. Tuvok (Tim Russ) befindet – suchen. Dort angekommen wird die Voyager, wie schon das Maquis-Schiff vor ihr, von einer fremden Entität, dem Fürsorger, über 70.000 Lichtjahre in den Delta-Quadranten entführt. Beim Aufprall der Verlagerungswelle sterben auf der Voyager unter anderem der Erste Offizier des Schiffs Lt. Commander Cavit (Scott Jaeck), Steuerfrau Lt. Stadi (Alicia Coppola) und mit dem Schiffsarzt und der Krankenschwester das komplette medizinische Personal. Diese Tatsache beschert uns mit dem medizinisch holografischen Notfallhologramm (Robert Picardo) das erste holografische Besatzungsmitglied der Star Trek-Geschichte.
Die Schuld, die nicht beglichen werden kann
Der Fürsorger liegt im Sterben und hat, da seine Gefährtin ihn verlassen hat, mehrere Schiffe aus entfernten Winkeln der Galaxis zu sich geholt, um nach mit ihm kompatiblen Lebewesen zu suchen und einen Nachkommen zu schaffen. Er hat eine große Schuld am Volk der Ocampa auf sich geladen und kann diese ohne Nachkommen nun nicht mehr begleichen. Die Crews der beiden Schiffe aus dem Alpha-Quadranten vereinen sich vorerst, um ihre vermissten Fähnrich Harry Kim (Garrett Wang) und die Halb-Klingonin des Maquis B’Elanna Torres (Roxann Dawson), die vom Fürsorger auf den Heimatplaneten der Ocampa gebracht wurden, wiederzufinden. Auch der Talaxianer Neelix (Ethan Phillips) sowie, nach ihrer Befreiung aus der Gefangenschaft bei den Kazon, die junge Ocampa Kes (Jennifer Lien) schließen sich der Suche an.
Eine schwerwiegende Entscheidung
In letzter Minute können die beiden Crews, zusammen mit den beiden einheimischen Helfern, die Vermissten und das komplette Außenteam aus der unterirdischen Stadt der Ocampa retten, bevor der Fürsorger alle Versorgungskanäle kollabieren lässt. Als die beiden Schiffe zur Phalanx zurückkehren, um wieder nach Hause zu gelangen, sind inzwischen zwei Kazon-Raider eingetroffen. Nach einer kurzen Kommunikation zwischen Captain Janeway und dem Kazon-Ogla Anführer kommt es zum Kampf zwischen den beiden Alpha-Quadrant- und den Kazon-Schiffen, da die Kazon es auf die fortschrittliche Technologie der Sternenflotte – allen voran den Replikator und die Transportertechnologie – abgesehen haben.
Captain Janeway beamt während des Kampfes mit Tuvok auf die Phalanx und bittet den Fürsorger, sie in den Alpha-Quadranten zurück zu schicken. Dieser lehnt ab, da er keine Kraft mehr dazu hat und vor seinem Tod die Phalanx zerstören will, damit sie nicht in die Hand der Kazon fällt. Besagte Kazon bekommen inzwischen von einem Trägerschiff Verstärkung, das nur mit einem Kamikaze-Angriff des Maquis-Raiders zerstört werden kann.
Bei dieser Aktion wird allerdings auch die Selbstzerstörungsvorrichtung der Phalanx zerstört und Captain Janeway muss nun entscheiden, ob sie die Phalanx nutzenwird, um nach Hause zurück zu kehren, oder ob sie dem Willen des Fürsorgers folgend die Phalanx vor einem Zugriff durch die Kazon zerstört. Entgegen der Aussage Lt. Tuvoks, dass die Oberste Direktive hier klar gebietet, die Phalanx intakt zu lassen und sie folglich auch zur Heimreise nutzen zu können, entscheidet sich Captain Janeway, unter Protesten von B’Elanna Torres, dazu die Phalanx und damit den Weg nach Hause zu vernichten.
Nachdem das Maquis-Schiff zerstört ist, wollen beide Crews gemeinsam als eine Sternenflottencrew zusammenarbeiten, Tom Paris wird von Janeway per Schlachtfeld-Beförderung zum Lieutenant und Steuermann der Voyager gemacht und auch Neelix und Kes bleiben an Bord.
Die Mischung macht’s
Die Gastauftritte von Gul Evek (Richard Poe) und Quark (Armin Shimerman) sind nicht zu aufdringlich. Insbesondere der Auftritt von Quark macht nicht nur viel Spaß sondern legt auch die Grundlage für die sich entwickelnde Freundschaft von Harry Kim und Tom Paris und ist damit ein durchaus relevanter Bestandteil der Handlung.
Auch der Hauptcast weiß zu gefallen. Janeway tritt in ihrem ersten Kommando gleich resolut auf, trifft eine äußerst schwerwiegende Entscheidung und strahlt stets aus, die Kontrolle zu haben. Sie zeigt aber auch viel Menschlichkeit in ihrem Verhalten Tom Paris oder den Ocampa gegenüber und insbesondere natürlich, als sie ihr Privatgespräch mit ihrem Mann hat. Tom Paris wird direkt als Weiberheld eingeführt und zeigt schon in dieser ersten Doppelfolge eine sichtbare Charakterentwicklung mit viel Tiefe – eine toll angelegte Figur!
Der Doktor agiert im Stile eines Holograms, zeigt sich irritiert von den Geschehnissen um sich herum, die ihm auch niemand erklärt. Er wirkt noch wie ein etwas arroganter Fremdkörper, aber genau das ist beabsichtigt und spielt Robert Picardo wirklich toll. Chakotay und B’Elanna Torres stellen gute Ergänzungen zum Sternenflottenpersonal dar und vor allem B’Elanna zeigt auch offen, wie anders ihre Denkmuster sind. Zudem hat Roxann Dawson diese klingonische Wildheit und Unbeherrschtheit sofort adaptiert. Dieser eigentlich zierlichen Frau möchte man wirklich nicht begegnen, wenn sie wütend ist.
Auch Tuvok kann man ohne Anlaufzeit direkt als Vulkanier erkennen. Tim Russ versteht es, die Emotionen nicht nur aus seiner Sprache, sondern auch aus seiner Mimik rauszuhalten. An dieser Stelle sei an die früheren Staffeln von TNG erinnert, wie viel Mimik selbst ein überragender Schauspieler wie Brent Spiner da in einem Androiden zur Schau getragen hat.
Jeder Charakter aus dem Hauptcast hat seinen Auftritt und darf ein bisschen Hintergrundgeschichte zur eigenen Figur zum Besten geben. Genau das erwartet man von einer Pilotfolge für eine Serie, die gleich zu Beginn alles Bekannte hinter sich lässt und darüber hinaus auch, zumindest erstmal, keine weiteren Figuren, die der Besatzung bereits bekannt sind, mehr einführen können wird. Die Ausnahme bieten hier naturgemäß Kes und Neelix, wobei Erstere schon sehr viel Hintergrund bekommen hat, wohingegen wir zu Neelix noch genau gar nichts erfahren haben.
Entstehende Beziehungen
Es fällt, aller sehr gut passender Chemie zwischen den Figuren und den Schauspielern zum Trotz, schwer zu glauben, dass sich ein pflichtversessener junger Fähnrich, frisch von der Akademie der Sternenflotte kommend, noch bevor seine erste Mission wirklich begonnen hat, bereits gegen zwei Führungsoffiziere und für einen verurteilten Straftäter entscheidet. Die Serie erklärt das, indem aus Sicht des jungen Absolventen Tom Paris in der Sache, die Schlussendlich zu seiner Entlassung aus der Sternenflotte geführt hat, am Ende richtig gehandelt hat. Sich selbst eine Meinung zu bilden, statt auf (Vor)Verurteilung zu hören – das lebt Star Trek: Raumschiff Voyager hier wunderbar vor. Schade, dass dieses Thema durch den Tod des Schiffsarztes und des ersten Offiziers, nicht fortgeführt wird und Harry Kim damit doch sehr leicht mit seiner Entscheidung durchkommt. Man darf dem jungen Fähnrich aber zu Gute halten, dass auch Captain Janeway selbst Tom Paris jederzeit auf Augenhöhe begegnet und ihm schon ab der ersten Krise Vertrauen entgegenbringt. Dieser Führungsstil ist auch in Star Trek nicht selbstverständlich.
Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Crew der Voyager in naher Zukunft mit Neelix umgehen wird. Er hat die Crew und die ihr zur Verfügung stehende überlegene Technologie der Voyager benutzt und missbraucht, um seine eigenen Ziele zu verfolgen. Dabei erklärt er faktisch im Namen der Voyager den Kazon den Krieg. Erst Kes‘ Intervention bringt ihn dazu, dass er dann auch der Crew der Voyager im Gegenzug hilft. Das sind nun wahrlich keine guten Voraussetzungen, um sich als wertvolles Mitglied der Besatzung zu etablieren. Trotzdem wird er am Ende ohne weitere Diskussion in die Crew aufgenommen. Natürlich kann man jemanden mit Kenntnissen und Erfahrungen in dieser komplett neuen Umgebung sehr gut an Bord gebrauchen. Trotzdem muss an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, ob das jemand sein sollte, der einen erstmal aus egoistischen Motiven benutzt hat und erst nach Intervention seiner Geliebten auch eine Gegenleistung angeboten und erbracht hat.
Die Sinnfrage
Die Entscheidung des Fürsorgers, die Ocampa zwar mit einem großen Energievorrat für mehr als fünf weitere Jahre zu versorgen, aber dann alle Wege zur Oberfläche zu verschließen, um wie er sagt die Ocampa zu beschützen, zeugt nicht gerade von irgendeiner Art Weitsicht. Von der Oberfläche endgültig abgeschnitten sind die Ocampa dem sicheren Tod geweiht, sofern sie sich nicht selbst befreien. Spätestens dann kommen sie sowieso in Kontakt mit den Kazon auf der Oberfläche. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, zuvor mit seinen phantastischen Möglichkeiten die Kazon milder zu stimmen, sie gar zur friedlichen Koexistenz mit den Ocampa zu bewegen und dafür dauerhaft, also auch nach seinem Ableben, zu belohnen? Wäre das nicht ein noch besseres Star Trek-Motiv gewesen? Vielleicht, aber es würde die Voyager dann nicht gebraucht haben. Aus der Sicht des Drehbuchs muss es so passieren, damit die Voyager auch direkt einen Feind im Delta-Quadranten hat, ohne etwas wirklich falsch gemacht zu haben.
Auf wessen Seite steht die oberste Direktive?
Die Entscheidung von Captain Janeway, die Phalanx zu zerstören, mag den Idealen der Sternenflotte zwar entsprechen, aber selbst der rein logisch denkende Vulkanier Tuvok – ihr engster Vertrauter noch dazu – gibt zu Protokoll, dass die oberste Direktive hier zur Geltung kommen muss, und impliziert, dass eine Zerstörung der Phalanx der obersten Direktive sogar widerspricht. Zweidimensional betrachtet mag er mit der Argumentation, das Machtgefüge im Delta-Quadranten damit zu beeinflussen, nicht falsch liegen, aber ich würde von einem Vulkanier seiner Qualität erwarten, eine Ecke weiter zu denken. Erst der Kamikazeangriff des Maquis-Schiffs auf das Kazon-Trägerschiff hat dazu geführt, dass die Selbstzerstörung der Phalanx nicht mehr funktionierte. Es wurde also bereits eingegriffen und mit ihrer Entscheidung, die Phalanx zu zerstören, stellt Captain Janeway den ursprünglich vorgefundenen Status quo wieder her. Janeways Erklärung, dass sie nicht darum gebten haben, involviert zu werden, es aber nun mal sind, kann hingegen nicht überzeugen und hinterlässt den leicht faden Beigeschmack einer Bauchentscheidung.
Fazit
Who is she to be making these decisions for all of us?
-B’Elanna TorresShe’s the Captain.
–Chakotay
Die Pilotfolge Der Fürsorger nimmt uns wieder mit auf ein Raumschiff und bereitet bereits alles für die lange, gefährliche und sicherlich nicht langweilige Heimreisereise der USS Voyager vor. Wir befinden uns fortan in uns bisher (bis auf die TNG-Folgen Q who? / Zeitsprung mit Q und The price / Der Barzanhandel) völlig unbekanntem Raum. Damit kann die Serie sich fast völlig frei entfalten – eine gute Voraussetzung, um dem Kanon treu und dabei aus der Parallelserie draußen zu bleiben. Diesen Kampfstern Galactica-ähnlichen Kniff zu verwenden, um den Neuankömmling auf den Bildschirmen deutlich von DS9 abzugrenzen, ist okay.
Auch sonst betritt diese Star Trek-Serie wieder Neuland: Ein weiblicher Captain, ein Hologramm als Doktor, ein eigentlich unehrenhaft entlassener Steuermann, ein neuer Erster Offizier, welcher der Sternenflotte den Rücken gekehrt hatte, eine aus Sternenflotte und Maquis zusammengewürfelte Crew mit Ergänzungen aus dem Delta-Quadranten – streng nach Vorschrift wird hier sicher nicht alles laufen! Die Saat für erste Konflikte, aber auch für erste Freundschaften, ist bereits im Aufgehen.
Insgesamt ein starker und gelungener Auftakt in die dritte Star Trek-Serie der nächsten Generation, die uns mit einigen Spannungsfeldern und Neugierde, wie es denn weitergehen mag, zurücklässt.
Trivia
- Die USS Voyager NCC-74656 ist ein brandneues Föderationsschiff mit einer stabilen Reisegschwindigkeit von Warpfaktor 9,975, mit 15 Decks, 141 Besatzungsmitgliedern, Trikobalt-Sprengköpfen und Bio-neuralen Schaltkreisen. Technisch gesehen definitiv eine Weiterentwicklung zur Galaxy-Klasse und optisch unzweideutig als Schiff der Sternenflotte zu erkennen – das hat Sinn und gefällt! Auch das Interieur der Voyager ist eine Weiterentwicklung und passt in den Kontext des Star Trek-Universums. Die Details stimmen ebenfalls, so bekommen wir zum Beispiel nach TOS, TNG und DS9 einen weiteren Roten-Alarm-Ton zu hören, die Brücke ist funktional und im klassischen Star Trek-Schema angeordnet. Dass alle relevanten Stationen einen Blick nach vorne haben ist einfach nur logisch.
- Das Intro zur Serie gefällt mit neuen Elementen in Kombination mit den aus der Originalserie (TOS) und TNG bekannten Vorbeiflugelementen der USS Voyager. Die nicht umsonst preisgekrönte Titelmelodie, die als einzige Star Trek-Titelmelodie bisher in allen Staffeln der Serie in der gleichen Version verwendet wird, komponiert von Jerry Goldsmith, ist unverkennbar im Star Trek-Musik-Universum anzusiedeln und beweist doch genügend Eigenständigkeit sowie den Pepp, den man von einer Serie Mitte der 90er Jahre erwarten kann.
- Robert Duncan McNeill kennen wir als Nicholas Locarno bereits aus der TNG-Folge The first duty / Ein missglücktes Manöver. Diese Figur stand zugleich Pate für die Figur des Tom Paris in Voyager. Man wollte den Schauspieler, aber schlussendlich doch eine neue Figur und kein re-use aus TNG – zum Einen, um die Zahlung von Tantiemen zu vermeiden, aber sicherlich auch, weil Nicholas Locarno noch als Kadett aus der Sternenflottenakademie geflogen war und man hier einen ehemaligen Lieutenant Junior Grade haben wollte, was insgesamt auch besser passt.
Internationale Erstausstrahlung: Mo. 16. Januar 1995
Deutschland: Fr. 21. Juni 1996
Regie: Winrich Kolbe
Drehbuch: Michael Piller, Jeri Taylor
Idee: Rick Berman, Michael Piller, Jeri Taylor
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Warpskala
Warpskala-
Handlung8/10
-
Effekte9/10
Positiv
- Tolle optische Effekte
- Gute Charaktereinführungen
- Passende Erzählgeschwindigkeit
Negativ
- Unlogisches Handeln (Fürsorger / Janeway)
- Teilweise etwas konstruiert
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