Mit Spider-Man kam 2002 der bekannteste Charakter von Marvel auf die Leinwand.
Komplizierter, als man denkt
Wir schreiben das Jahr 2002. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen, seitdem die Comicverfilmung Blade herauskam. In dieser Zeit sind insgesamt drei erfolgreiche Comicadaptionen in den Kinos herausgekommen, die allesamt auf Marvel Comicserien basierten. Als uninformierter Kinogänger hätte man deshalb durchaus der Meinung sein können, dass dieser Erfolg für die Verantwortlichen von Sony, die die Verfilmungsrechte für Spider-Man besaßen, der Grund war, sich endlich an eine Realverfilmung des Spinnerichs zu wagen. Schließlich war und ist die Figur das Aushängeschild von Marvelcomics, noch mehr als die X-Men. Da ist es doch eine Selbstverständlichkeit, dass der Charakter auch verfilmt wird, oder?
Doch wie es in der Realität so üblich ist, ist sie wesentlich komplexer, als man es wahrhaben möchte. Denn genau wie bei den X-Men, war die Vorgeschichte zu dem Filmabenteuer des Netzkopfes lang und von vielen Fehlversuchen geprägt. Dieser Film war nicht das erste Realfilmabenteuer der Figur. Bereits in den 1970ern gab es zum Beispiel eine Fernsehserie, von der zwei Episoden 1981 in dem Kinofilm Spider-Man: The Dragon’s Challenge zusammengefasst wurden. Für die damalige Zeit war das Ergebnis ordentlich, auch wenn die Reihe längst nicht den Kultfaktor erreichte, wie beispielsweise die legendäre Realadaption des Hulks aus dieser Zeit.
Seitdem gab es viele Versuche, eine richtige Kinoverfilmung auf die Beine zu stellen. Doch im Laufe der Zeit gaben sich die verschiedenen Produktionsfirmen mit ihren jeweiligen Konzepten die Klinke in die Hand. Zu einem bestimmten Zeitpunkt war auch James Cameron im Gespräch, der ein Scriptment, eine Mischung aus Drehbuch und Konzeptstory, erstellte. Allerdings bediente sich der berühmte Regisseur der Comicvorlage sehr frei. Sein Elektro war beispielsweise eine größenwahnsinnige Parodie von korrupten Kapitalisten, es wurde offenherzig geflucht und Peter Parker und Mary Jane Watson hatten Sex auf der Brooklyn Bridge. Alles Aspekte, die in der Vorlage so natürlich nicht vorhanden waren.
Wenn Teufel zum Erfolg führen können
Letzten Endes landeten die Filmrechte bei Columbia Pictures, die sich im Besitz von Sony befanden, im Rahmen eines Austausches von Rechten. Dabei sollte das Scriptment von James Cameron die Basis für den Film bilden, was auch in groben Zügen geschah. Das eigentliche Drehbuch stammte von David Koepp, der bereits die Skripts für Kinofilme wie Jurassic Park oder Mission Impossible verfasste. Für die Regie wurde nach einiger Suche Sam Raimi angeheuert, der ein großer Fan der Comics war, was ihm auch den Job verschaffte.
Dies war der erste potentielle Blockbuster des Regisseurs, der sich zuvor durch die Tanz der Teufel-Trilogie einen exzellenten Ruf als Horror- und Komödien-Filmemacher zulegte. Außerdem war er auch noch Produzent, der als Executive Producer berühmte Fernsehserien wie Hercules (mit Kevin Sorbo in der Hauptrolle) und Xena: Die Kriegerprinzessin (mit Lucy Lawless in der Titelrolle) mit leitete bzw. letztere erschuf.
Als Peter Parker wurde der ehemalige Kinderschauspieler Tobey Maguire (Pleasantville) gecastet, der sich für seine Rolle intensiv vorbereitete. Willem Dafoe (Platoon, American Psycho) stellte den Antagonisten Norman Osborn aka der Grüne Kobold dar. Er war der größte Name aus der Schauspielerriege und bestand darauf, das unbequeme Superschurkenkostüm zu tragen. Kirsten Dunst, bekannt aus Interview mit einem Vampir, übernahm den Charakter der Mary Jane Watson. James Franco, der zuvor als James Dean in dem gleichnamigen Biopic für Aufsehen sorgte, wurde Harry Osborn, Peter Parkers Freund und Sohn von Norman Osborn. Die Hollywood-Veteranen Cliff Robertson als Ben Parker und Rosemary Harris als May Parker rundeten den Hauptcast ab. Bei den Nebencharakteren wurde J. K. Simmons (Es geschah im September) als J. Jonah Jameson angeheuert, derweil Sam Raimis Bruder Ted Raimi (Hercules) sowie der langjährige Standardschauspieler des Regisseurs, Bruce Campbell (Tanz der Teufel), Cameoaufttritte erhielten. Und ein ganz besonderer Stargast war der Profiwrestler „Macho Man“ Randy Savage als Bonesaw McGraw.
Unfälle beim Schulausflug
Die Dreharbeiten fingen mit etwas Verspätung am 8. Januar 2001 an und verliefen problemlos. Die einzige Komplikation in der Postproduktionsphase war der 9. September 2001, der Anschlag auf das World Trade Center. Da die zerstörten Zwillingstürme in Werbematerial gezeigt wurden, musste dieses entsprechend bearbeitet werden, um sie zu entfernen. Spider-Man wurde schließlich am 3. Mai 2002 in die amerikanischen Kinos gebracht, derweil die deutsche Fassung am 6. Juni desselben Jahres die Lichtfilmsäle eroberte.
Peter Parker ist ein junger Mann, der auf die High School geht und hoffnungslos in Mary Jane Watson verschossen ist. Allerdings steht er in der Hackordnung der Schule ziemlich weit unten und wird, trotz seiner Freundschaft zu Harry Osborn, von allen gehänselt und ihm werden Streiche gespielt. Dinge ändern sich, als er bei einem Besuch eines genetischen Labors von einer gentechnisch veränderten Spinne gebissen wird und daraufhin Superkräfte entwickelt.
Seine neuen Kräfte steigen ihm allerdings zu Kopf und er beginnt sich arrogant zu verhalten, unter anderem gegenüber seinen Zieheltern Onkel Ben und Tante May. Maskiert als Spider-Man nimmt er an einem Wrestlingmatch teil, um Geld für ein Auto zu verdienen, doch die gewonnene Summe wird ihm vorenthalten. Frustriert lässt er zu, dass ein Ganove die Kasse der Veranstalter stiehlt, muss allerdings später entsetzt feststellen, dass dieser seinen Onkel Ben umgebracht hat.
Superhelden sind gefährlich und verkaufsfördernd
Nach dem Abschluss der High School zieht er mit Harry Osborn zusammen und beginnt eine Karriere als Superheld, als der freundliche Spinnerich von nebenan. Um zusätzlich Geld zu verdienen, schießt er Fotos von sich in seiner kostümierten Identität, die er der Zeitung Daily Bugle verkauft. Doch dessen Inhaber und Chefredakteur J. Jonah Jameson hat kein Interesse daran, Spider-Man als Helden zu verkaufen, sondern startet stattdessen eine Schmutzkampagne gegen ihn.
Derweil muss Norman Osborn um seine Firma kämpfen. Schon zuvor hat er sich, um zu beweisen, dass eine Chemikalie, an der sein Unternehmen arbeitet, ungefährlich ist, eben dieser ausgesetzt. Was ihn zwar hat stärker werden lassen, aber gleichzeitig auch zu einer Persönlichkeitsspaltung führte. Als Grüner Kobold, so seine Zweitidentität, führt er einen Feldzug gegen all jene, die Oscorp gefährlich werden können. Und parallel hat er es ebenfalls auf Spider-Man abgesehen.
Der hat sich indes enorm in Mary Jane Watson verliebt, die aber andererseits das Eye Candy an der Seite seines besten Freundes Harry Osborn ist, der sie inzwischen schon fast als ein Eigentum sieht. Wiederholt begegnen sich die beiden, da Peter ihr als Spider-Man immer wieder das Leben rettet.
Das Unmögliche möglich machen
Bei einem gemeinsamen Essen der Parkers mit den Osborns und MJ kommt es zur Eskalation und Harry meint, dass Mary Jane Peter Parker liebt. Er erzählt dies seinem Vater, der daraufhin als Kobold MJ entführt und Spider-Man eine Falle an der Brooklyn Bridge stellt. Hier muss sich der Superheld entscheiden, ob er die Frau, die er liebt oder einen Straßenbahnwaggon voller Unschuldiger rettet. Am Ende entreißt der Spinnerich beide der Gefahr und wird anschließend von einem erzürnten Kobold in ein verlassenes Gebäude geworfen.
Den darauffolgenden Kampf gewinnt Spider-Man mit Mühe und Not. Allerdings wird Norman Osborn von seinem eigenen Kampfgleiter tödlich aufgespießt, weil der Superheld, gewarnt von seinem Spinnensinn, diesem ausweichen konnte. Er bittet Peter, Harry nichts von der anderen Identität seines Vaters zu erzählen, was dieser auch macht, als er den toten Körper abliefert.
Bei der Beerdigung von Norman schwört Harry Spider-Man Rache und meint zu Peter, dass dieser nun die einzige Familie sei, die ihm verbleibt. Der wiederum akzeptiert nun die volle Verantwortung als Spider-Man und meint zu Mary Jane, die ihm zuvor ihre Liebe gestanden hat, dass er sie als Freundin schätzt. Womit er seine wahren Gefühle für sie verbirgt, um sie zu schützen. Denn als Geliebte eines Superhelden wäre sie in steter Gefahr.
Nahe an der Vorlage gehalten
Als ich damals Spider-Man im Kino sah, war ich von dem Film hellauf begeistert. Für mich als Comicfan war dies die Erfüllung eines Traumes, von dem ich noch nicht mal geahnt hatte, dass ich ihn habe. Und sogar jetzt, Jahre später, war es für mich ein Hochgenuss, ihn erneut zu sehen. Und auch wenn der Film Schwächen hat, von der Story her war und ist es immer noch eine der besten Comicverfilmungen!
Dabei merkt man dem Kinofilm an, dass hier Leute zu Gange waren, die sich einerseits eng an die Vorlage hielten, sie aber andererseits auch frei interpretierten. Anders als in den Comics hatte der Film-Peter Parker nämlich keine künstlichen Webshooter, sondern organische. Ein Filmelement, das anschließend bald mit in die Comics übernommen wurde, nur um einige Zeit später wieder rückgängig gemacht zu werden.
Doch ansonsten wurde erstaunlich viel Material aus der Vorlage übernommen. Das reicht von den Lebensumständen Peter Parkers, über seine komplizierte Beziehung zu Mary Jane und Harry Osborn, bis zum Ende des Grünen Kobolds. Alles Elemente, die man als Comicfan gut kennt. Und das sind nur ein paar!
Humor und Ernst nahe beieinander
Dabei gelingt es Sam Raimi, eine nahezu perfekte Balance zwischen Humor und ernsten Momenten zu erschaffen. Man lacht beispielsweise, wenn Peter beim Ausprobieren, wie seine Webshooter funktionieren, zunächst allerlei Comicsprüche aufsagt, nur um dann beim ersten Netzschwingen wie ein Insekt an der Windschutzscheibe eines an einer Hauswand gemalten Autos zu landen. Und man sitzt gespannt an der Kante seines Sitzes, als der Grüne Kobold Spider-Man in eine Situation bringt, wo er wählen muss, wen er rettet. Nur um dann zu feiern, als der Held natürlich die richtige Entscheidung trifft, das Unmögliche möglich zu machen.
Knapp über zwei Stunden läuft der Film und man wird jede Minute gut unterhalten. Dabei lässt sich der Kinofilm fast exakt in zwei Teile aufteilen. Die erste Stunde ist der typische Heroenursprung, in dem erklärt wird, wer er ist und was ihn antreibt. Parallel dazu bereitet Sam Raimi jedoch auch die Handlung für die zweite Hälfte vor, indem er den Schurkenursprung präsentiert und den Konflikt mit dem Helden vorbereitet.
Natürlich kann Spider-Man nicht ohne die Darsteller funktionieren, die durch die Bank weg eine gute Arbeit machen, wenn auch teilweise mit einigen Einschränkungen, die aber in der Summe kaum ins Gewicht fallen.
Der beste und der schlechteste der Schauspieler zugleich
Tobey Maguire kann als Spider-Man wirklich glänzen. Er schafft es, sowohl in den komischen, als auch in den ernsten Momenten eine gute Leistung abzugeben. Und man merkt ihm an, dass er sich für den Film vorbereitet hat, dass er trainierte und einen entsprechend durchtrainierten Körper hatte. Es gibt allerdings ein paar Szenen, in denen sein Gesichtsausdruck nicht richtig sitzt und er etwas dümmlich dreinschaut.
Willem Dafoes Leistung zählt ironischerweise zu den stärksten, aber auch zu den schwächsten des Films. Als Norman Osborn spielt er mühelos alle an die Wand. Seine Intensität, seine Verbissenheit, mit der seine Figur um sein Unternehmen kämpft, ist grandios. Doch sobald er zur Grünen Kobold-Persönlichkeit wechselt, neigt er auf einmal zu einer vollkommen übertriebenen Darstellung. Was er auf dem Kasten hat, sieht man in der Szene, in der er den Dialog zwischen Norman Osborn und dessen Alter Ego darstellt. Man kriegt eine Gänsehaut, beim Zuschauen, schon allein wegen der fließenden Übergänge. Und muss sich doch stellenweise ein Kichern verkneifen, weil dieses Overacting als Superschurke unfreiwillig komisch wirkt.
Kirsten Dunst ist Eye Candy und Fanservice zugleich. Sie ist eine grandiose Schauspielerin, die wirklich das Beste daraus macht. Nur leider gibt zu wenig Szenen wie die, in der angedeutet wird, dass sie sich in ihrer Familie nicht wohlfühlt oder dass sie sich nur allzu bewusst ist, dass Harry sie wegen ihres Äußeren mag. Ihr Innenleben, ihre wahre Persönlichkeit kommt dabei zu kurz. Sie ist einfach überwiegend eine Damsel in Distress, die ständig in der Not ist und von Spider-Man gerettet werden muss. Dies ist auch der größte Schwachpunkt des ansonsten gut gelungenen Films.
Der berühmteste moralische Grundsatz aller Zeiten
James Franco nimmt man problemlos den Sohn von Norman Osborn ab. Er wirkt wie ein Getriebener, stets darum bemüht, seinem Vater zu gefallen. Und das, obwohl ihm die finale Anerkennung vorenthalten wird, weil da ja noch die andere Persönlichkeit seines Vaters ist. Das Ende lässt vieles offen, inklusive der Tatsache, dass er, ebenso wie in den Comics, selber irgendwann der grüne Kobold wird.
Cliff Robertson und Rosemary Harris stellen perfekt Ben und May Parker dar, Peters Ersatzeltern, nachdem seine leiblichen Eltern verstorben sind. Und auch wenn er nur in der ersten Hälfte des Films eeine Rolle spielt, baut er trotzdem den perfekten moralischen Grundstein für das auf, was Spider-Man ausmacht, indem er ihm sein berühmtes Motto mit auf den Weg gibt: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung.“ Sie hingegen gibt sich nach dem Tod ihres Ehemanns wie eine nette Großmutter, die sich rührend trotz ihrer eigenen Probleme um ihren Neffen kümmert.
Auch die Nebenrollen bieten eine grandiose Leistung. J. K. Simmons lebt als J. Jonah Jameson förmlich auf. Wie er alles und jeden herumkommandiert und nie den Überblick verliert, ist ein Genuss. Ted Raimi als sein Assistent wird von ihm locker an die Wand gespielt. Und Bruce Campbell merkt man an, was für einen Spaß er als halbseidener Ringsprecher hat. Genauso wie auch Randy Savage beweisen kann, was er kann und eine typische „Macho Man“-artige Promo abliefern darf. Übrigens gibt es einen „Bitte nicht Blinzeln“-Moment, wo Stan Lee einen kurzen Auftritt hat.
Entschuldigung, wo geht es zu den Power Rangers?
In Sachen Special Effects ist der Spider-Man gut gealtert. Wenn man bedenkt, dass vor allem die Szenen, in denen der Superheld sich durch die Luft schwingt, am Computer entstanden sind, merkt man das beim Zugucken beinahe nicht. Auch das Kostüm von Spider-Man selbst ist großartig designed. Erneut nahe an der Comicvorlage, aber trotzdem doch etwas Eigenständiges durch dieses hervorgehobene Netzmuster. Nur das Outfit vom grünen Kobold kann nicht überzeugen. Vermutlich haben die Designer keine Möglichkeit gefunden, das Comicoutfit so auf die Leinwand zu bringen, dass es nicht lächerlich wirkt. Nur war ihre Lösung dafür nicht gerade gut, weil so der Schurke wie ein entlaufener Power Ranger-Gegenspieler aussieht.
Zu der Kritik muss man anmerken, dass das Meckern auf hohem Niveau ist. Denn trotz aller Schwächen, trotz aller Kritikpunkte, kann ich mich nur wiederholen: Dies ist eine der besten Comicverfilmungen überhaupt!
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