Mit Prey kommt der erste neue Eintrag zum Predator-Franchise seit der Übernahme durch Disney.
Keine Familienunterhaltung
Im Vorfeld gab es etliche Stimmen in den Sozialen Medien, die bezweifelten, dass Disney dem Franchise gerecht werden könnte. Immerhin war der erste Predator-Film von 1987 mit Arnold Schwarzenegger hierzulande indiziert worden. Nach einer Neuprüfung bekam er ungeschnitten eine Freigabe ab 16 und ebenso bekam Prey eine Freigabe ab 16. Und ich kann euch sagen, vollkommen zurecht, denn an blutigen Effekten und Gewalt wird hier nicht gespart, sie werden aber auch nicht eingesetzt, nur weil man es kann, sondern immer passend.
Inhalt
1719. Die junge Komantschin Naru (Amber Midthunder) will sich nicht der traditionellen Rolle hingeben und Kriegerin werden. Dies weckt den Unmut der anderen, männlichen Krieger, nur ihr Bruder Taabe (Dakota Beavers) glaubt an sie. Als ein Puma ein Mitglied des Stammes verschleppt, macht sich Taabe mit seinen Kriegern zur Verfolgung auf. Naru entscheidet selbst, dass sie dabei sein muss und folgt ihnen. Dabei entdeckt sie Spuren von einem größeren Raubtier, doch niemand will ihr glauben …
Rezension
Normalerweise sind Prequels immer voll mit Logiklöchern und Kontinuitätsproblemen, erst recht, wenn zwischen den Filmen 35 Jahre liegen. Das ist hier nicht der Fall, der Predator kämpft nicht mit dem extrem futuristischen Anzug und Laserwaffen, ist aber trotzdem enorm überlegen.
Langsamer Aufbau
Es gehört einfach zu einem guten Predator-Film dazu, dass wir als Zuschauer natürlich wissen, was da im Verborgenen lauert, aber die Charaktere im Film nicht. So ist auch hier grob das erste Drittel des Films ohne viel Predator, der dieses Mal übrigens von Dane DiLiegro gespielt wird, schnell vorbei, während uns die Zeit und Welt erklärt wird. Wir erfahren, dass Naru eben eine Kriegerin werden will, aber oft zu lange zögert, sich aber in Medizin auskennt und eine gute Fährtenleserin ist. Ebenso wird die Beziehung zu ihrem Bruder ausgearbeitet, der sie auf der einen Seite schützen will, auf der anderen aber ihr Potential erkennt. Und wir erfahren natürlich, dass Naru eine eher taktische Kriegerin ist, die eben lieber wartet und auf den richtigen Augenblick wartet.
Aber jetzt geht es rund
Umso hektischer wird es im Rest des Films. Naru steht zum ersten Mal dem Predator gegenüber, der vor ihren Augen mit bloßen Händen einen Bären erlegt. Sie entkommt nur knapp, ihr Stamm will ihr immer noch nicht glauben, also macht sie sich alleine auf die Jagd. Bei der ersten richtigen Auseinandersetzung mit dem außerirdischen Jäger gerät sie in eine Falle der Trapper. Der Predator lässt sofort von ihr ab, denn sie ist wehrlos – so wurde es auch fast immer vorher gezeigt. Wehrlose Beute ist für die Predatoren (Die Spezies heißt laut einem Comic Yautja, aber ich weiß nicht, ob der Comic Kanon ist.) wertlos. Aber wenn Waffen ins Spiel kommen, dann geht es rund.
Die Kolonisten wussten offenbar von dem Alien und wollen ihm eine Falle stellen, bei dem Naru und Taabe den Köder spielen sollen. Die junge Kriegerin hat dort aber schon längst verstanden, dass sie als wehrlose Beute uninteressant sind. Also richtet der Außerirdische in einer der besten Kampfszenen des Franchises ein regelrechtes Blutbad unter den Europäern an. Die Komantschin entdeckt dabei, dass der Helm des Jägers seine Projektile steuert und nicht seine Kanone. Dies nutzt sie später, um dem Jäger eine Falle zu stellen. Wie schon in den anderen Filmen ist eine List und nicht rohe Gewalt die Lösung des Alienproblems.
Eine Kopie?
Die erste Hälfte ist Mulan, die zweite eine schlechte Kopie des ersten Predator. Das habe ich im Internet schon gelesen. Und ja, wenn man es sooooo weit runterbrechen will, dann kann man zu diesem Schluss kommen. Dann kann man aber jeden Film als Kopie eines anderen Werkes bezeichnen – der Herr der Ringe hat dann auf einmal auch sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Krieg der Sterne. Also, nur weil da eine Frau um Anerkennung kämpft, darum, mehr sein zu dürfen als eine Frau, ist das keine Mulan-Kopie. Und nur weil Naru sich die Umgebung zum Verbündeten macht, ist das keine Kopie des ersten Teils – auch nicht, weil Taabe den guten, alten Dutch Schaefer zitiert. Sowas nennt man Easter Egg oder auch manchmal Verbeugung vor dem Original.
Apropos Verbeugung. In Predator 2 bekommt Danny Glover in seiner Rolle als Lieutenant Mike Harrigan eine altertümliche Pistole mit einer eingravierten Jahreszahl – 1715. Optisch passt sie zu den von den Trappern verwendeten Pistolen.
Wenn ich mich an irgendwas erinnert gefühlt habe, dann eher an den Reboot der Tomb Raider-Spielereihe. Lara Croft macht sich hier auch auf Wildtierjagd mit Pfeil und Bogen und hat eine ähnliche Szene mit einem Bären wie hier, nur dass dort kein Predator sie gerettet hat. Das war aber wirklich nur in wenigen Szenen.
Kleine Ungereimtheiten
Ein paar Unstimmigkeiten gibt es aber schon. Wäre der Film durchgehend Englisch/Deutsch, dann wäre es gar nicht aufgefallen, dass die Ureinwohner sich nicht in ihrer Sprache unterhalten, denn das ist ja normal, es geht dabei ja darum, dass wir verstehen, was gesagt wird. Im Film wird aber das eine oder andere Mal trotzdem in der Sprache der Ureinwohner gesprochen. Authentischer wäre es natürlich gewesen, wenn die Komantschen untereinander in ihrer Sprache gesprochen hätten und nur mit den Trappern auf Englisch, aber Untertitel sind allgemein nicht gern gesehen. Dann wäre es aber besser gewesen, sie nur Englisch (bzw. natürlich Deutsch in unserer Synchronisation) reden zu lassen. Das ist ähnlich wie die Klingonen, die die meiste Zeit Englisch reden, aber bestimmte Worte einfach nicht übersetzt werden.
Im Vorfeld hieß es außerdem, dass wir hier den ersten Besuch eines Predators auf der Erde sehen würden. Das passt aber nicht mit der Aussage in Alien vs. Predator zusammen, dass die Predatoren schon vor tausenden von Jahren zur Erde gekommen sind. Vielleicht ignoriert man diesen Film, vielleicht war das Gerede zu Beginn auch nur die Idee irgendeines Magazins.
Imposante Bilder
Zu sehen gibt es wirklich Einiges, die Landschaften sind wunderschön in Szene gesetzt, der Stamm wird nicht so klischeehaft wie in vielen anderen Filmen dargestellt, der Predator hat zwar ein neues Design, aber in jedem Film ab dem zweiten haben wir gesehen, dass die Spezies sehr unterschiedlich aussieht, was den Körper und auch die Rüstung angeht. Und hier sind es ja auch knapp 270 Jahre, die zwischen diesem Auftreten und der Begegnung mit Arnold Schwarzenegger liegen. Die Kämpfe, vor allem der mit den Trappern, sind gut in Szene gesetzt, lediglich beim CGI merkt man, dass es kein großes Blockbusterkino ist, sondern eben ein Direct-to-Stream-Film. Vor allem das Blut, welches über den Predator läuft, als er den Bären erlegt und hochhebt, sieht arg künstlich aus.
Zu woke?
Auch das wurde im Vorfeld und auch nach Veröffentlichung in den sozialen Medien immer wieder gesagt. Eine Frau gegen den Predator, wie soll das gehen. Amerikanische Ureinwohner, warum denn das bitte? Denen kann man nur sagen: Die 80er haben angerufen. Sie wollen ihr Weltbild zurück. Eine Frau als Gegner eines fiesen Aliens, das gab es zwar schon 1978, aber offenbar haben die 80er mit ihren Schwarzeneggers, Van Dammes, Stallones und so weiter ein hart Testosteron gesteuertes Umfeld erschaffen, sodass manche Menschen einfach in dieser Zeit hängen geblieben sind. Und genau wegen dieser Leute ist es wichtig, dass wir heute Frauen als Protagonistin in einem Actionfilm sehen und nicht nur in einer romantischen Komödie.
Was die amerikanischen Ureinwohner angeht: Auch diese prinzipiell als Gegner für den Predator zu nehmen, ist absolut richtig. Immerhin haben diese zu dieser Zeit weite Teile des Landes bewohnt. Außerdem fehlt es leider an vernünftiger Repräsentation, was man hier sehr schön gezeigt hat, denn der Predator ist nicht das einzige Raubtier, gegen das die Komantschen kämpfen müssen, auch die Trapper jagen die Ureinwohner wie Beute und behandeln sie auch so. So wird zum Beispiel gezeigt, wie Naru etliche gehäutete Büffel findet. Dies war eine bekannte Strategie der Kolonisten, denn die Büffel waren eine wichtige Lebensgrundlage der Ureinwohner.
Reboot? Relaunch? Alles auf Anfang?
Das Ansehen dieses Filmes weckte etliche Reboot-Assoziationen. Ein neuer Name, eine Zeit vor dem ersten Teil. Aber, offiziell ist Prey ein Prequel. Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Film nur der Auftakt zu einer Reihe von Prey-Filmen sein wird, die durch alle möglichen Zeitalter springen werden. Dabei werden wir aber nie die Zeit ab 1987 besuchen und diese Reihe unangetastet lassen. Das halte ich sogar für eine echt gute Idee. Prey ist erstmal ein weit besserer Name für die Reihe als Predator, darüber wurde ja schon in Predator – Upgrade gewitzelt, und mit diesem Film hatte man sich mit dem Kampfanzug und der „genetischen Verbesserungen“ der Predatoren in eine Ecke geschrieben, aus die man nur schwer rauskommen konnte. Upgrade sollte eigentlich ein Relaunch der Reihe werden, floppte aber bei Kritikern, Fans und an den Kinokassen. Packt man nun einen zweiten Relaunch der Reihe unter diese Voraussetzungen, dass die Filme z. B. im Wilden Westen oder im Mittelalter spielen, berührt man die ursprünglichen sechs Teile (die beiden Alien vs. Predator-Filme zählen offiziell zu dieser Reihe) nicht und kommt auch nicht in große Logiklöcher. Man darf nur jetzt nicht den Mittelalter-Predator technisch weiter entwickelt zeigen als diesen hier. Vielleicht sehen wir ja auch den Bau des Tempels unter dem Eis aus Alien vs Predator.
Fazit
Ich gebe zu, ich war auch skeptisch, was aber mehr an der Prequelthematik lag und auch an den negativen Erinnerungen an den Vorgänger. Dieser Streifen macht aber eigentlich alles richtig. Der Predator ist nicht topmodern, aber immer noch wesentlich besser ausgerüstet als die Gegner. Man merkt dem Film schon an, dass sich Regisseur Dan Trachtenberg und sein Co-Autor Patrick Aison am ersten Film orientiert haben, aber im Prinzip ähneln sich eh alle Filme im Grundaufbau. Das hier ist jedenfalls der beste Predator seit dem Original. Und ich bin mir nicht sicher, ob der erste nur durch die Nostalgiebrille vorne liegt.
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