Die Großwildjagd auf der SOL stellt fast alles in den Schatten
Titel: Schatten im System
Autor: Ruben Wickenhäuser
Titelbild: Dirk Schulz/Horst Gotta
Erschienen: 23. Juli 2021
Zur Handlung
Die SOL ist von Quantenunschärfeeffekten betroffen, dabei stirbt ein Teammitglied der Scouts auf rätselhafte Weise. Zahlreiche andere Besatzungsmitglieder werden von lebensgefährlichen Zwischenfällen heimgesucht, auch der Pilot der SOL, Mentro Kosum. An Bord der CREST II wird Donna Stetson vermisst. SENECA zeigt erneut Ausfallserscheinungen und kollabiert. Der Emotionaut Senco Ahrat muss einen Weg finden, die überfüllten Hypersilo-Energiespeicher zu entleeren, bevor die Schutzschirme ausfallen und das Eindringen von Neutern nicht mehr verhindern können. Seine Mission ist von Erfolg gekrönt, da drehen der Haluter Icho Tolot und die Bestie Tro Khon unvermittelt durch. Mit vereinten Kräften gelingt es Perry Rhodan und seinem Team, den Haluter in ein Großwildgehege einzusperren und die strukturverhärtete Bestie auf die Krankenstation zu verfrachten. Sofgarts Helfer Ekkis und Eggis verschaffen sich Zugang zum neuronalen Netzwerk der SOL, in körperlicher Erscheinung von William Shakespeares Romeo und Julia. Sie nekrotisieren das ehemals gesunde Gewebe auf positronischer Ebene. Der Quantenschatten zeichnet sich für die merkwürdigen Vorgänge an Bord verantwortlich. Durch die überraschende Unterstützung von Romeo und Julia wird der Quantenschatten mitsamt der Positronik der SOL abgestoßen. Der drohende Ausfall des SCALA-Schutzschirms kann dadurch verhindert und die künstliche Intelligenz SENECA auf rätselhafte Weise von der CREST II in die SOL transferiert werden. Auf der vorübergehend positroniklosen CREST II bricht Panik aus.
Gedanken zu Schatten im System
Die Geschichte begann verheißungsvoll. Dungeons&Dragons auf der CREST II und ein spielender Systemtechniker mit passendem Namen, fabelhaft! Nach dem Prolog verlor ich aber für längere Zeit die Verbindung zum Roman, ziemlich exakt die Hälfte des Taschenbuchs riss mich nicht vom Hocker. Der ereignisreiche Schlußspurt konnte dann doch noch die Kohlen aus dem Feuer holen, mitsamt völlig unerwartetem Ende. Viele interessante und toll geschriebene Kurzgeschichten an Bord von zwei verschiedenen Raumschiffen erwarten die Leser:innen. Darunter eine wiederholte Therapiesitzung mit SENECA auf der CREST II, zum Glück diesmal kurz gehalten, plus eine Safari mit anschließender Großwildjagd auf der SOL. Schlag auf Schlag wechseln sich die Krisenherde ab. Schauplätzemangel kann man dem Werk von Ruben Wickenhäuser beileibe nicht attestieren. Hört sich doch eigentlich klasse an, oder?
Leider wirkten die extrem häufigen Ortswechsel mit der Zeit maßlos übertrieben, hier hätte der Autor sich den ein oder anderen Nebendarsteller gerne sparen können. Zu Gunsten der Übersichtlichkeit. Zumal man die komplette Handlung auch in einem Satz zusammenfassen könnte: Die Auswirkungen des Quantenschattens auf die SOL-Besatzung. Und da liegt mein Kernproblem mit dem Heft. Manches ist zu vorhersehbar. Dass es sich bei dem vermeintlichen Bord-Saboteur um den Quantenschatten handeln würde, konnte jeder, der den Vorgängerroman gelesen hat, nach den ersten Leseminuten schon erahnen. Der Versuch des Spannungsaufbaus verpufft damit. Dadurch wird dem Roman seine Magie genommen und es handelt sich dann einfach nur noch um ein Sammelsurium an toll umrissenen und kurzweilig erzählten Geschichten über Einzelschicksale.
Ich bin selbst ein großer Befürworter von ausführlicher Charakterentwicklung, diesen Aspekt des Romans fand ich hinsichtlich Sam Breiskolls katzenhaften Sohn stark erzählt. Bjo Breiskoll ist ein interessanter Charakter, ich möchte unbedingt schnellstmöglich erfahren, inwieweit er noch Einfluss auf das Geschehen haben wird. Und ich gehe mal davon aus, dass er entscheidend sein wird. NATHAN hielt sich ja bisher sehr zurück, da wird und muss noch was kommen. Der Auftritt von Haluter und Bestie hingegen war längst überfällig, die Großwildjagd auf der SOL hat mir einen Heidenspaß gemacht. Das dramatische Finale entschädigt für vieles und hebt den Roman noch ins obere Wertungssegment.
So ähnlich wie die Dame auf dem faszinierend schönen Titelbild hab ich wohl geschaut, als ich mir den Kopf über das Romanfazit zermarterte.
Fazit mit Wertung
Das Werk von Ruben Wickenhäuser stellt die Weichen für das große Staffelfinale, ist aber an sich nicht stimmig genug, um mich vollständig zu überzeugen. Bjo Breiskoll wird in Stellung gebracht, NATHAN’s Geheimprojekt erweist sich vermutlich noch, ähnlich wie Sofgart im Hondro-Finale, als entscheidender Faktor. Dazu braucht es nicht viel Phantasie. Krachende Action an zahllosen Nebenkriegsschauplätzen innerhalb der SOL, wechselt sich mit seitenlanger, leicht vorhersehbarer Handlung ab. Auch wenn mir der Faktor Charakterentwicklung sehr wichtig ist, wurde hier leicht überzogen, die Besetzungsliste zählt einige Köpfe zu viel. Dadurch verlor ich beim Lesen öfter mal den roten Faden und die Kontrolle über mein Namensgedächtnis, die Sterberate der Protagonisten erreicht dabei nicht ganz das Niveau von George R.R. Martin, kommt aber verdächtig nah ran. Die rasante Großwildjagd und ein richtig gutes Finale retten die Wertung, aber ich komme nur auf leicht überdurchschnittliche sechs von zehn Punkten.
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