Indy ist zurück und jagt einmal mehr einem antiken Artefakt nach. Ist dies nun der krönende Abschluss?
Das Rad der Zeit zurückgedreht
Während Teil 1 und 3 der Indiana-Jones-Reihe Klassiker des Abenteuer-Genres sind, fallen die geraden Zahlen eher mäßig bis schlecht aus. Doch woran liegt das? Was gehört zum Erfolgsrezept? In Jäger des verlorenen Schatzes und Der letzte Kreuzzug sind die Gegner des Archäologen Nazis, die antike Artefakte zu ihrem Vorteil missbrauchen wollen. Dabei handelt es sich um verschollene Gegenstände wie die Bundeslade und den heiligen Gral, die es einst tatsächlich gab.
In Der Tempel des Todes geht es hingegen um einen indischen Kult und dessen grausame Menschenopfer sowie Kindersklaven. Das fällt völlig aus dem Rahmen und obendrein hat man es mit dem Ekelfaktor deutlich übertrieben. Dennoch ist der zweite Teil nicht gänzlich schlecht und wird von den Fans geliebt. Ganz anders steht es um Das Königreich des Kristallschädels. Dieser gilt als schlechtester Teil der Reihe und das aus gutem Grund.
Zum einen geht es nicht um ein verschollenes Artefakt, sondern um den Mythos der Kristallschädel, die sich allesamt als Fälschungen herausgestellt haben. Am bekanntesten ist dabei wohl der Mitchell-Hedges-Schädel, der 1924 von Anna Mitchell-Hedges in Honduras entdeckt worden sein soll. In Wahrheit soll ihr Vater den Schädel jedoch erst 1943 bei einer Sotheby’s-Auktion ersteigert haben.
Könnte man daraus trotzdem eine interessante Geschichte stricken? Vielleicht, wenn man bei der Vorlage geblieben wäre. Stattdessen serviert uns Das Königreich des Kristallschädels einen magnetischen Alienschädel mit hypnotischen Kräften, der mit den menschlichen Kristallschädeln absolut nichts zu tun hat. Obendrein gipfelt das Ganze in einem höchst unrealistischen und verstörenden Finale, bei dem sich mehrere Alienskelette zu einem lebenden Außerirdischen zusammenfügen. Statt Science Fiction gibt es also Fantasy und obwohl die Schädel unbegrenztes Wissen enthalten sollen, ist man nach dem Film nicht wirklich schlauer.
Das trifft vor allem auf die sowjetische Agentin Irina Spalko (Cate Blanchett) zu, die eine kaum ernst zu nehmende Gegenspielerin abgibt. Die Sowjets taugen allgemein nicht als Bösewichte, zumal sich der Film damit dem plumpen Antikommunismus der McCarthy-Ära hingibt. Zwar spielt er in dieser Epoche, aber heute wirkt die Rhetorik des Kalten Krieges völlig überholt. Da der Film größtenteils in Lateinamerika spielt, hätte man durchaus auf die Nazis zurückgreifen können, denn von denen sind nach dem Krieg genügend auf diesem Kontinent untergetaucht. Obendrein hätten sich die Nazis für UFO-Verschwörungsmythen geradezu angeboten. (Stichwort: Iron Sky)
Abgesehen von einigen Anspielungen auf die älteren Filme, inklusive der Hochzeit von Indiana und seiner Geliebten aus dem ersten Teil der Reihe, hat der Film nichts von selbigen. Sogar die Action ist einfach nur hanebüchen. Allen voran die Szene, in der Indi erkennt, dass er sich auf einem Atombombentestgelände befindet und sich vor der Explosion in einen Kühlschrank rettet. Nicht nur, dass ihn die Strahlung da drin gegrillt hätte, er fliegt auch noch mehrere Kilometer weit, ohne sich dabei nur einen Knochen zu brechen.
Nach diesem Totalausfall schien es zunächst unwahrscheinlich, dass es überhaupt noch eine Fortsetzung geben würde. Zumal Shia LaBeouf als Sohn von Indiana Jones, und damit dessen potentieller Nachfolger, ausgefallen war, da er seine Schauspielkarriere zwischenzeitlich durch Drogenmissbrauch zerstört hatte. Nun gibt es mit Das Rad des Schicksals doch noch ein Finale, das verspricht, zu den Wurzeln zurückzukehren.
Die Gegenspieler sind wieder Nazis und der Auftakt beginnt sogar zur Zeit des 2. Weltkriegs. Harrison Ford wurde dafür digital verjüngt, was zumindest in den Frontalen durchaus gut aussieht. Andere mögen diese Technik kritisieren, doch hier dient sie der Story und die funktioniert soweit ganz gut. Mit Mads Mikkelsen ist der Obernazi Jürgen Voller zudem gut besetzt. Vollers spätere Arbeit für das Raketenprogramm der NASA macht dabei absolut Sinn, denn damit wird auf das Project Paperclip angespielt, über welches auch Wernher von Braun nach Amerika kam.
Weiterhin gibt es Cameo-Auftritte von John Rhys-Davies und Karen Allen, die bereits in Jäger des verlorenen Schatzes dabei waren. Diese sind zwar ganz nett, tragen aber leider nicht viel bzw. gar nichts zur Handlung bei. Vor allem Karen Allen, die bereits zum dritten Mal in der Rolle von Indianas Gefährtin Marion zu sehen ist, kommt diesmal deutlich zu kurz. Die beiden Charaktere haben sich inzwischen wieder getrennt, nachdem ihr Sohn im Vietnamkrieg gefallen ist, womit immerhin erklärt wird, warum dieser nicht wieder mit von der Partie ist. An seine Stelle tritt Indis Patenkind Helena, gespielt von Phoebe Waller-Bridge.
Der Film knüpft also an die alten Teile an und bietet gleichzeitig genügend Neues. Das trifft auch auf den Tierhorror zu, der längst zu einer Art Running Gag geworden ist. Diesmal gibt es statt Schlangen Aale, die Indi dennoch an seine Phobie erinnern. Jetzt fehlt nur noch eine wichtige Zutat, um das Erfolgsrezept zu vervollständigen: Das antike Artefakt.
Die Nazis drehen am Rad
Als Vorlage für das Rad des Schicksals dient der Mechanismus von Antikythera, der im Film Archimedes zugeschrieben wird. Im Gegensatz zu den verschollenen Artefakten aus Teil 1 und 3, die eine freie Interpretation erlauben, ergeben sich hier ein paar gravierende Widersprüche. Zum einen lebte Archimedes von 287 bis 212 vor unserer Zeitrechnung. Der Mechanismus von Antikythera entstand jedoch erst viel später im Zeitraum von 70 bis 60 v. Z. Außerdem ist von dem Artefakt nicht mehr viel übrig, die Jahrhunderte im Wasser des Mittelmeers haben es stark korrodieren lassen.
Im Film sieht der Mechanismus nicht nur komplett anders aus, er wirkt zudem brandneu und ist lediglich in zwei Hälften geteilt. Und das auch nur aus dramaturgischen Gründen, um eine Schatzsuche zu rechtfertigen. Die funktioniert dank jeder Menge versteckter Hinweise und Rätsel zwar ganz gut, es wäre jedoch besser gewesen, lediglich eine Verbindung mit dem Mechanismus von Antikythera herzustellen, statt das Rad des Schicksal mit diesem gleichzusetzen.
Gemein haben die beiden Artefakte lediglich, dass es sich bei ihnen um astronomische Kalender handelt. Während die reale Vorlage wohl dazu diente, wichtige Ereignisse wie Sonnenfinsternisse oder die Olympiade zu terminieren, berechnet Archimedes‘ Rad Risse in der Raumzeit. Diese ermöglichen Zeitreisen, weshalb die Nazis ein solch großes Interesse daran haben. Voller würde nämlich gern den Ausgang des Krieges zu Gunsten Deutschlands ändern. Indis Patenkind Helena will das Artefakt dagegen nur an den Meistbietenden verschachern und unterschätzt dabei völlig, auf welche Gefahren sie sich einlässt.
Erfreulicherweise haben die Drehbuchautoren hier zwei wirklich gute Entscheidungen getroffen. Zum einen handelt es sich bei dem Rad nicht um eine Zeitmaschine, denn es wäre völlig absurd, dass ein Haufen Zahnräder ein Zeitportal öffnen könnte. Es handelt sich lediglich um eine ausgeklügelte Rechenmaschine, welche das Auftreten natürlicher Wurmlöcher anhand astronomischer Daten berechnet. Zum anderen macht Voller bei der Berechnung einen Denkfehler, sodass er nicht in der gewünschten Zeit landet. Eine Wiederholung der Eröffnungsszene wäre auch total langweilig gewesen und hätte den Film ruiniert.
Stattdessen geht es ins antike Syrakus, wo Indiana Zeuge der Schlacht wird, in der Archimedes‘ Einfallsreichtum zur Anwendung kommt. Da geht nicht nur dem Archäologen das Herz auf, denn diese Überraschung ist echt gelungen. Das, was Indi bisher nur ausgegraben hat, kann er nun live miterleben. Am liebsten würde er in der Vergangenheit bleiben, doch das würde ein Paradoxon erzeugen. Immerhin ein paar rätselhafte Artefakte hinterlässt die Zeitreise aber schon und interessanterweise gibt es solche auch in der Realität.
Kommt Zeit, kommt Rad
Bisher scheiden sich die Geister am neuen Indiana Jones. Für einige markiert er die Rückkehr zu den Wurzeln, andere finden ihn dagegen noch schlimmer als das Königreich des Kristallschädels. Es wird also Zeit, Bilanz zu ziehen, was der Film richtig macht und was falsch.
Zu den Pluspunkten zählen ohne Frage die Besetzung, die Effekte und der Soundtrack. Für Spannung sorgen sowohl Rätsel als auch Action. Was Letztere angeht, scheinen die Drehbuchautoren allerdings voneinander abgeschrieben zu haben. Eine Jagd durch einen Zug gibt es zum Beispiel auch im neuen Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1. Ebenso einen Abstecher in einen U-Bahntunnel, in den Indiana Jones mit einem Pferd reiten darf, während Ethan Hunt mit einem Miniaturauto vor eine U-Bahn rauscht.
Beiden Filmen ist weiterhin gemein, dass sie nicht kleckern, sondern klotzen. Das mag cool aussehen, wird aber spätestens unrealistisch, als Jürgen Voller auf dem Zugdach bei hohem Tempo mit einem Kran kollidiert und das überlebt. Und da wären wir auch schon bei den Minuspunkten.
Bei den Verfolgungsjagden in Das Rad des Schicksals stößt weiterhin auf, dass die zweite mitten durch die Parade der Apollo 11-Crew geht. Wenn man schon historische Ereignisse einbindet, sollten diese nicht derart drastisch umgeschrieben werden. Selbiges trifft auf die CIA-Agentin Mason (Shaunette Renée Wilson) zu. Die angestrebte Diversität im Cast in allen Ehren, wirkt eine Afroamerikanerin in einer solchen Führungsposition zu dieser Epoche extrem anachronistisch. Immerhin spielt der Film zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung, wo Schwarze eben noch nicht gleichberechtigt waren und niemals eine solche Karriere hätten hinlegen können.
Ein weiterer Anachronismus ist Indiana Jones selbst. Zur Zeit des 2. Weltkriegs war er Mitte 40 und der Hauptteil der Handlung spielt 1969. Es sind also seit Kriegsende nur 24 Jahre vergangen, womit Indi ungefähr 69 oder 70 sein sollte. Dazu passt, dass er gerade in Rente geht. Harrison Ford ist allerdings schon satte zehn Jahre älter. Warum hat man die Handlung nicht einfach in die 1970er verlegt? Dann wäre zugleich die Rolle von Agent Mason glaubwürdiger gewesen.
Zu guter Letzt hätte man Dr. Jones noch etwas mehr Würde lassen können. Ihn als abgehalfterten alten Sack zu zeigen, der in Unterwäsche zu seinem Nachbarn latscht, um sich dort über dessen Lärm zu beschweren, hätte nicht wirklich sein müssen. Diese Szene trägt nichts zur Handlung bei und nimmt den späteren Actionszenen, in denen Indi wieder zur Höchstform aufläuft, die Glaubwürdigkeit. Am Ende ist er dann wieder der Senior, der zu seiner Ex-Frau zurückfindet und ihr die schmerzenden Stellen küsst. Das erklärt zumindest, warum sie nicht an dem Abenteuer partizipiert hat.
Fazit: Gutes Rad ist teuer
Rund 300 Millionen Dollar sind in den fünften Teil der Saga gesteckt worden, der mit 153 Minuten Laufzeit der mit Abstand längste Film der Reihe ist. Das Ergebnis ist zwar durchwachsen und vielleicht nicht der beste Indiana Jones, aber auch bei weitem nicht der Schlechteste. Im Gegenteil kommt endlich wieder die gewohnte Stimmung auf, die man aus Jäger des verlorenen Schatzes und Der letzte Kreuzzug kennt. Der Streifen ist zu keiner Sekunde langweilig und bietet so ziemlich alles, was man von einem Abenteuerfilm erwartet. Über die paar kleineren Schnitzer kann man da getrost hinwegsehen, was bei den großen Patzern des Vorgängers unmöglich war.
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