Mit Hellboy wurde ein Superheldencomic adaptiert, der nicht von Marvel und DC stammt.
Wem gehört was?
Ein immer wiederkehrendes Problem bei den aktuellen Superheldenverfilmungen ist die Frage nach den Rechten. Denn leider liest man oft genug, dass die Filme zwar erfolgreich sind, aber die Leute, die teilweise die Stories oder Charaktere erschaffen haben, auf denen die Leinwandabenteuer basieren, von dem enormen Gewinn gar nichts abkriegen oder mit Almosen abgespeist werden. Das ist leider die Schattenseite des Work-For-Hire-Prozesses, unter dem die Superheldencomics von Marvel und DC entstehen.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Wo ein Film oder eine Serie erfolgreich ist und die Grundlage dafür ein Werk ist, das einzig und allein dem kreativen Kopf dahinter gehört. The Walking Dead ist hierfür das Paradebeispiel, da die zugrundeliegende, gleichnamige Comicserie und damit ebenfalls die entsprechenden Rechte Eigentum von dem Autor Robert Kirkman sind, der dank der Tantiemen und des Erfolgs der Fernsehserien finanziell ausgesorgt hat. Ein anderes, wenn auch wesentlich älteres Beispiel, ist Hellboy.
Die Figur und das dazugehörige Universum sind geistiges Eigentum von Mike Mignola, der die Geschichte der Figur seit dem ersten Erscheinen in den 1990er Jahren steuert. Dabei ist der Zeichenstil von Mignola unverwechselbar, da er dunkle und düstere Meisterwerke zu Papier bringt, aber gleichzeitig in seinen Stories ebenso einen Sinn für Humor beweist.
Gesucht wird jemand, den die Maske nicht stört
Und mindestens so alt, wie der Comic ist, müssen wohl auch die Bemühungen gewesen sein, Hellboy zu verfilmen. Dabei war Mike Mignola nicht alleine damit, sondern er hatte mit Guillermo del Toro jemanden zur Seite, der bereits zur damaligen Zeit einen guten Ruf hatte. Und mit Blade II hatte er 2002 bewiesen, dass er sich darauf verstand, einen Superheldenfilm im Horrorambiente zu drehen. Wobei sein Ruhm noch längst nicht so enorm war wie heutzutage.
Schon 1998 hätte der Film übrigens bereits produziert werden können. Doch zu jener Zeit galten Superheldenverfilmungen als schwierig und nicht profitabel. Erst mit Blade und X-Men änderte sich dies. Und irgendwann gelang es den beiden, mit Columbia Pictures ein Studio zu gewinnen, das die Finanzierung übernahm.
Das Skript zum Film schrieb Guillermo Del Toro gemeinsam mit Peter Briggs. Del Toro führte auch Regie. Die Rolle des Hellboy übernahm niemand Geringeres als Ron Perlman (Alien: Resurrection), weil der Regisseur bei ihm das Gefühl hatte, dass er die Nuancen und Emotionen der Figur trotz der aufwendigen Maske darstellen konnte. John Hurt (Alien) wurde zum Ziehvater des Helden, Trevor Bruttenholm, derweil Selma Blair (Zoe, Duncan, Jack and Jane) die feuerkontrollierende Liz Sherman wurde. Für Rupert Evans war dies die erste größere Filmrolle, er stellte den jungen Agenten John „Johnny“ Myers dar. Der Tscheche Karel Roden hatte bereits in Blade II mit Guillermo Del Toro zusammengearbeitet und übernahm die Rolle des Hauptantagonisten Grigori Rasputin. Jeffrey Tambor (Arrested Development) wurde zu Tom Manning, derweil Doug Jones (Mimic) Hellboys besten Freund Abe Sapien darstellte. Die Stimme der Figur stammte allerdings von David Hyde Pierce (Frasier), der dafür nicht in den Credits gelistet wurde. Genauso wenig, wie er bei der Premiere mit dabei war oder Pressetermine wahrnahm, aus Respekt gegenüber Doug Jones. Brian Steele (Monkeybone) wurde zum Monster Sammael, derweil der Tscheche Ladislav Beran (Blade II) Karl Ruprecht Kroene wurde und mit Bridget Hodson (Die Nebel von Avalon) als Rasputins Geliebte Ilsa Hauptstein der Cast abgeschlossen wurde.
Zu was Kinder alles werden können
1944 gelingt es einer Spezialeinheit des US-Militärs unter der Leitung des amerikanischen paranormalen Wissenschaftlers Trevor Bruttenholm eine Beschwörungszeremonie der Nazis und Rasputins zu verhindern. Der Russe wollte die im All lebenden, uralten Lebensformen Ogdru Jahad in die Welt holen, um mit deren Hilfe die Erde zu unterjochen. Doch durch das Eingreifen der Soldaten wird er durch ein von ihm erschaffenes Portal gezogen, derweil seine Untergebenen Ilsa von Hauptstein und Karl Ruprecht von Kroenen fliehen können. Die zurückgebliebenen Nationalsozialisten sind besiegt, doch ein kleiner, roter, niedlicher Dämon mit einer Steinhand war zuvor in unsere Welt gekommen. Er wird von Bruttenholm adoptiert und erhält den Namen Hellboy.
60 Jahre später ist aus dem „Kleinkind“, das langsamer altert, als ein normaler Mensch, ein erwachsener Mann geworden. Er ist Teil der geheimen Behörde BPRD, die die Erde vor paranormalen Gefahren beschützt. Und er ist nicht das einzige ungewöhnliche Individuum, das für die Organisation arbeitet. Auch sein bester Freund Abe Sapien, ein Wesen, das unter Wasser lebt und über spezielle Fähigkeiten verfügt, ist so einer. Nur seine geliebte Liz Sherman, die Pyrokinese kann, ist nicht mehr mit dabei.
Doch dann holen Ilsa von Hauptstein und Karl Ruprecht von Kroenen Rasputin zurück in die normale Welt. Und dieser will seinen Plan von damals wieder aufnehmen. Doch um diesen umzusetzen, braucht er einen speziellen Schlüssel. Genauer gesagt ist es die steinerne Hand von Hellboy, den er gleichzeitig an seine wahre Rolle, die eines Höllenprinzen, erinnern will. Womit der Kampf um das Schicksal der Erde beginnt.
Lovecraft lässt schöne Grüße ausrichten
Hellboy braucht den Vergleich mit den anderen Superheldenverfilmungen nicht zu scheuen. Im Gegenteil: Im Vergleich zu einem Blade oder X-Men ist er sogar deutlich originalgetreuer. Es macht sich eben bemerkbar, dass Schöpfer Mike Mignola mit bei der Verfilmung involviert war. Und dass Regisseur Guillermo del Toro genau weiß, wie er die Vorlage adaptieren muss, ohne dass man das Gefühl hat, dass hier etwas zu frei interpretiert wurde.
Es ist einfach ein Film, der gute Laune macht, von der ersten bis zur letzten Sekunde. Man merkt überall die Vorlage von Mike Mignola an und den Einfluss eines H.P. Lovecrafts. Denn die Odgru Jahad sind natürlich den alten Göttern aus dessen Cthulhu-Erzählungen entlehnt. Dabei ist die Atmosphäre zwar einerseits düster, wird aber andererseits durch viele lustige Momente aufgeheitert. Etwa zum Beispiel der im letzten Teil des Films zum Leben erweckte Tote, der seine miese Laune verbal deutlich macht. Oder die vielen Onliner, die der Titelheld ständig zum Besten gibt.
Und hier muss man die grandiose Darstellungsarbeit von Ron Perlman loben. Es war die richtige Entscheidung, ihn als den Hauptdarsteller zu casten, weil er wirklich die gewünschten Nuancen unter einer heftigen Maske zum Besten bringt. In dem einen Moment ist er der coole Held, der sich mit seinem Gegner prügelt und dabei Katzen und Menschenleben rettet. In dem nächsten macht er Fehler, verfolgt zum Beispiel seine Angebetete Liz Sherman heimlich oder sorgt allgemein dafür, dass sich sein Ziehvater nur noch mehr Sorgen macht.
Ein ganz besonderes Figurendreieck
Die komplizierte Beziehung zwischen den beiden ist ebenfalls mit Grund, wieso Hellboy so gut funktioniert. Es ist das klassische „Gegensätze ziehen sich an“. Er ist der Höllenjunge, stark und nie um einen Spruch verlegen, der allerdings in ihrer Gegenwarte seine Nonchalance verliert. Sie tritt hingegen deutlich erwachsener auf. Sie wird von Selma Blair als eine Frau dargestellt, die von inneren Dämonen geplagt ist, sich aber nach außen hin gefestigt gibt. Als eine Person, deren besondere, pyrokinetischen Kräfte oft genug Fluch und Segen zugleich für sie sind. Und nur selten zeigt sie, wie es wirklich in ihrem Inneren aussieht.
Und dann ist da noch Abe Sapien, der so etwas wie der heimliche Hauptcharakter des Films ist. Wie Doug Jones die Figur zum Leben erweckt, ist wirklich bewundernswert. Trotz der heftigen Maskerade stellt er ihn als äußerst sensiblen und zurückhaltenden Charakter dar, der außerhalb seiner natürlichen Umgebung vorsichtig und behutsam agiert. Gleichzeitig ist er von allen BPRD-Agenten der menschlichste, der ein offenes Ohr für alle hat, sogar für den Jungagenten John Myers.
Der Film wird vor allem von diesem Triumvirat geleitet, das sich gegenseitig perfekt ergänzt. Wo Hellboy der Typ fürs Grobe ist, ist Liz quasi das geplagte Ass im Ärmel. Und Abe Sapien derjenige, der mit seinem Einfühlungsvermögen dafür sorgt, dass das Beziehungsgeflecht funktioniert, der zwischen den Charakteren vermittelt.
Ein nerviger Charakter, leider
Und John Myers? Seine Figur ist der typische Neuling, derjenige, über den man als Zuschauer alles kennenlernt. Er hat keine besonderen Fähigkeiten, weshalb er auch für diese Rolle perfekt geeignet ist. Er ist derjenige, der alles mit offenen Augen bestaunt. Und gleichzeitig unfreiwillig zum Konkurrenten für Hellboy wird, wenn es um die Liebe von Liz Sherman geht. Rupert Evans macht einen guten Job dabei, diese Figur darzustellen, die trotz der betont dargestellten Unschuld zu keinem Zeitpunkt nervig wirkt.
Und John Hurt? Als Trevor Bruttenholme gibt er einen glaubwürdigen Ziehvater ab, der weiß, dass seine Zeit auf Erden abläuft, und der sich Sorgen um seinen Sohn macht. Er ist streng zu ihm, versucht ihm noch auf ihrem letzten gemeinsamen Wege zu erziehen, auch wenn er vermutlich gleichzeitig weiß, dass das nicht mehr möglich ist. Der Schauspieler gibt seiner Figur etwas Tragisches und betont dabei eben dieses Väterliche, was er ausstrahlt. Man merkt, wie sehr ihm sein Trio der besonderen Wesen am Herzen liegt, etwa wenn er sich wiederholt vor die Mitgliedern seines Teams stellt, um sie vor großen Konsequenzen ihres Handelns zu schützen.
Doch sein Nachfolger als Leiter der Organisation, Tom Manning, kann nicht überzeugen. Es handelt sich um den typischen stereotypen Vorgesetzten, der mit allem und jedem unzufrieden ist und seine Meinung erst dann ändert, als Hellboy sein Leben rettet. Klar, die Figur wird hauptsächlich als Comedy Relief eingesetzt. Aber dennoch stört er durch seine platte Charakterisierung. Vor allem im Vergleich zu den anderen Protagonisten fällt dies eben extrem auf.
Stumm, tödlich, gut
Auch bei den Schurken gibt es ein uneinheitliches Bild. Der stärkste Antagonist ist der stumme Karl Ruprecht Kroenen. Gerade die Tatsache, dass er im Laufe des Films kein einziges Mal redet, sondern einfach nur seine Taten sprechen lässt, sorgt dafür, dass er unheimlich und gleichzeitig ebenso cool wirkt. Und dieses Unheimliche verstärkt sich immer mehr, je mehr man über ihn erfährt. Er ist ein wahres Monster in Menschengestalt.
Auch Rasputin ist ein gelungener Antagonist. Er taucht zwar nur selten im Film auf, doch sein Wirken, sein Tun macht sich überall bemerkbar. Und wenn er zu sehen ist, dominiert er mit seinem Charisma jede Szene. Und vor allem wird er als intelligent charakterisiert. Er zwingt die Figuren zum Reagieren und nicht zum Agieren. Und fügt ihnen so manchen schweren Schlag zu, derweil er gleichzeitig auch so etwas wie Respekt gegenüber seinen Gegenspielern hat.
Doch ausgerechnet die von Bridget Hodson dargestellte Ilsa Hauptstein ist ein enormer Schwachpunkt von Hellboy. Unterm Strich lässt sich über diese Figur nur sagen, dass sie da ist, aber nichts Substanzielles beiträgt, außer eben dazustehen und Rasputin zur Hand zu gehen. Man empfindet nichts bei ihrem Anblick, sie ist einem komplett egal. Und das ist so ziemlich das schlimmste Urteil, das man über einen Charakter fällen kann. Man hätte mehr erwartet, eventuell zum Beispiel Eindrücke, was sie und Kroenen in den Jahren zwischen Rasputins Verschwinden und Wiederkehr getrieben haben. So ist ihre einzige Charaktereigenschaft, dass sie den großen Schurken von Hellboy liebt, was einfach zu wenig ist.
Eine Enttäuschung am Ende
Und Sammael? Er ist das von Brian Steele dargestellte Handlanger-Monster, ohne jede Eigenschaft, abgesehen davon, dass er böse ist und alle Gegner seines Herrn angreift. Er hat ein paar coole Fähigkeiten, aber dient ansonsten nur als Kanonenfutter für die Helden. Eben typisch Fußvolk.
Und gleichzeitig ist er auch Gegenstand eines kleinen Logikfehlers des Films. Es wird gezeigt, wie er sich in der Kanalisation von New York breitmacht und sich dort vermehrt. Abe Sapien entdeckt ihn und kann am Ende nur schwerverletzt entkommen. Und danach? Ist davon nicht mehr die Rede, bis Sammael gegen Ende des Films wieder auftaucht, um von Liz Sherman vernichtet zu werden. Es wird nie ein Extra-Trupp losgeschickt, um ihn und seine Brut unter der amerikanischen Stadt endgültig zu vernichten, weshalb man eigentlich davon ausgehen könnte, dass er dort immer noch haust.
Auch der finale Kampf enttäuscht. Derweil die Auseinandersetzung zwischen Hellboy und Rasputin gut inszeniert wird und zum Film passt, ist das bei dem, was danach geschieht, nicht mehr der Fall. Das Problem ist, dass er einfach so passiert und nicht sonderlich gut aufgebaut wird. Noch dazu ist eben ein bloßes CGI-Spektakel, was sich mit dem restlichen Film, der ansonsten überwiegend auf praktische Tricks setzt, komplett beißt.
Eine der besten!
Und ja, in Sachen Tricks braucht sich der Film nicht zu verstecken. Sieht man vom Endspektakel ab, dann ist dies ein von den Special Effects her sehr guter Kinofilm. Man merkt einfach, dass hier alles versucht wurde, das spezifische Aussehen der Comicvorlage so gut es geht zu übertragen, ohne dabei päpstlicher als der Papst zu sein. Das Ergebnis kann überzeugen.
Und so ist, trotz dieser Fehler, Hellboy einer der besten Superheldenverfilmungen aller Zeiten.
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