Godzilla, der Urgigant überzeugt.
Eine Fortsetzung mit langem Anlauf
Mit Die Rückkehr des Monsters kehrte Godzilla 1984 wieder auf die Kinoleinwand zurück. Das Ergebnis war ein durchaus guter Film, der allerdings in Sachen Einspielergebnisse hinter den Erwartungen von Toho zurückblieb. Kombiniert mit dem überschaubaren Erfolg von King Kong lebt war Produzent Tomoyuki Tanaka der Überzeugung, dass das Publikum noch nicht bereit war für weitere Filmabenteuer der Riesenechse. Erst der Erfolg von Der kleine Horrorladen konnte ihn von der Meinung abbringen.
Doch für das nächste Leinwandabenteuer der Echse wollte er etwas anderes wagen. Er hielt einen öffentlichen Story-Wettbewerb ab und stellte die Bedingung, dass die Geschichte wieder ein klassisches „Versus“-Szenario sein sollte, in der also Godzilla gegen eine andere Kreatur antreten würde. Die Ideen der fünf Finalisten wurden schließlich dem Regisseur und Drehbuchautoren Kazuki Omori übergeben, obwohl Produzent Tomoyuki Tanaka ihn für den Niedergang der Reihe in den 1970ern verantwortlich machte.
Der Filmemacher wählte für das Skript von Godzilla, der Urgigant am Ende die Idee des Zahnarztes Shinichiro Kobayashi aus, der sein Konzept mit dem hypothetischen Tod seiner eigenen Tochter und der Biotechnologie anreicherte. Omori, der für den neusten Kinoauftritt der Riesenechse jede Menge Freiheiten genoss, änderte für das finale Drehbuch allerdings einige Elemente.
Ein ungewöhnlicher „Gegenspieler“
Er brauchte hierfür insgesamt drei Jahre und brachte unter anderem einige Spionageelemente in die Story hinein. Ebenso sorgte er dafür, dass die Anti-Nuklear-Message, die die Filmreihe schon immer auszeichnete, wieder eingebaut wurde. Dies geschah, indem er reinschrieb, dass sich die Zellen der Kreatur, die Godzilla bekämpfen sollte, mit denen der Riesenechse selbst verschmolzen, was für ihren Riesenwuchs sorgen sollte.
Der große Antagonist von Godzilla, der Urgigant sollte das Pflanzenwesen Biollante sein. Doch das Design und die Animation des Monsters entpuppten sich als äußerst problematisch. Es wurde hierbei wieder auf die übliche Vorgehensweise der Godzilla-Reihe zurückgegriffen, in der im Prinzip ein Kostüm gebaut wurde, in dem ein Schauspieler, in diesem Fall Masashi Takegumi, steckte. Doch das Sehen in dem Outfit drinnen war nur sehr eingeschränkt und die Tentakel, die zur Kreatur gehörten, waren äußerst schwierig aufzubauen und zu kontrollieren.
Der Cast für den Film bestand überwiegend aus lauter Godzilla-Neulingen. In den Hauptrollen waren Kunihiko Mitamura als Wissenschaftler Kazuhito Kirishima, Yoshiko Tanaka als die Betreuerin der psi-talentierten Kinder Asuka Okouchi, derweil Masanobu Takashima zu Major Sho Kuroki wurde. Megumi Odaka übernahm den Part des Psi-Talents Miki Saegusa und Kōji Takahashi rundete als der Wissenschaftler Dr. Genichiro Shiragami die Riege der Hauptdarsteller ab.
Wie weggeblasen
Der Wissenschaftler Dr. Genshiro Shiragami experimentiert 1985 für das Land Saradia mit der Verschmelzung von Pflanzenzellen und Godzillazellen, um den Staat aus seiner Abhängigkeit vom Öl zu befreien. Doch bei einem terroristischen Anschlag verliert er nicht nur sein Labor, sondern ebenso seine Tochter Erika, die bei der Attacke ums Leben kommt.
Fünf Jahre später ist Shiragami wieder zurück in Japan. Er hat Zellen seiner toten Tochter mit denen einer Rose vermischt. Später nutzt er den Ausbruch des Mount Mihara, in dem Godzilla sich befindet, um Zellen des Ungeheuers in seine Finger zu kriegen. Er verschmilzt diese mit der Rose und erschafft so, ohne es zu ahnen, ein Ungeheuer, dass er später Biollante nennt. Und dieses tritt gegen Godzilla an, als dieser aus seinem Vulkangefängnis ausbricht und wieder auf dem Weg nach Japan ist.
Ich weiß nicht wann, aber irgendwann in den 1990ern muss ich Godzilla, der Urgigant das erste Mal im Fernsehen gesehen haben. Damals wusste ich noch nicht so viel über das Riesenvieh, über seine Filmhistorie und was seinen Charme ausmacht. Ich wusste nur, dass ich von dem Film wie weggeblasen war und von da an ein Fan des Monsters wurde, von dem ich, wenn ich konnte, versuchte, jeden seiner Fernsehauftritte mitzukriegen.
Ein Meisterwerk
Seit damals ist viel Zeit vergangen und mein Interesse an dem Wesen ist immer noch ungebrochen. Ich konnte sogar mich, dank warp-core, mit allen vorherigen Filmauftritten beschäftigen, mit den guten, wie dem ersten Auftritt, wie auch den hundsmiserablen, wie King Kong: Dämonen aus dem Weltall. Doch auf keinen Film fieberte ich so hin, wie Godzilla, der Urgigant. Würde sich mein Rewatch mit meinen Jugenderinnerungen decken? Oder würde ich enttäuscht werden?
Zunächst ein Mal ist es schade, dass nicht der originale Titel Godzilla vs Biollante ins Deutsche übernommen wurde. Aber der hiesige Filmname ist jetzt auch kein Reinfall. Das war früher wesentlich schlimmer, siehe Die Brut des Teufels.
Doch zum Film: Der Mut von Kazuki Omori hat sich gelohnt. Sein Godzilla, der Urgigant ist ein Meisterwerk. Einer der besten, wenn nicht sogar der bis dahin beste Film der gesamten Reihe. Und das will was heißen.
Bruch mit vielen Normen
Was dieses Filmabenteuer so großartig macht, ist, dass er mit einer ganzen Kette an bisherigen Normen bricht. Biollanete ist zwar ein Monster. Doch anders als ein King Gidorah oder ein Mechagodzilla ist es nicht einfach nur der Antagonist. Man erfährt viel über seine Entstehungsgeschichte, wieso es existiert, wie es überhaupt in die Existenz gekommen ist. Und es ist eine Ursprungsgeschichte, die traurig macht und das Wesen dementsprechend zu einer tragischen Kreatur macht. Hinzu kommt auch noch eine heroische Darstellung gegen Ende des Films.
Auch die Hinzufügung von Spionageelementen funktioniert in Godzilla, der Urgigant hervorragend. Die entsprechenden Handlungen spielen sich eher im Hintergrund ab, ohne den Hauptplot zu dominieren. Trotzdem hat man das Gefühl, dass hier Staaten ohne Rücksicht auf die Leben unschuldiger Zivilisten agieren. Vor allem das Land Saradia, offensichtlich orientalischen Ursprungs, handelt mit seinem Agenten SSS9 absolut rücksichtslos. Wann immer er auftaucht, wann immer er agiert, weiß man, es gibt Tote.
Und die Rolle der Frauen? Was normalerweise immer Grund zur Kritik war, verläuft dieses Mal wesentlich besser. Weil beiden weiblichen Hauptfiguren Asuka Okouchi und Miki Saegusa gestattet wird, eigenständige Persönlichkeiten zu bilden, die sich nicht anhand der Männer in ihrer Umgebung definieren. Beide ergänzen sich perfekt, als Betreuerin und Psi-Talent. Wobei Letztere nicht bei jeder Gelegenheit kollabiert, sondern ernst genommen wird und auf eigenen Beinen steht.
Ein ernstes Thema
Überhaupt ist das Auftauchen von Psi-Talenten in Godzilla, der Urgigant etwas, was dem Film erstaunlich gut tut. Die Szene, in der die beiden weiblichen Charaktere in eine Klasse voller junger Psi-Talente gehen und diese ihnen ihre Bilder von Godzilla zeigen, hat eine enorme Wucht, die nicht zu unterschätzen ist. Hoffentlich wird dieses Element in den nächsten Teilen der Reihe wieder aufgegriffen.
Erstaunlich ist, wie ernst der Film das Thema Biotechnologie und Wissenschaft behandelt. Denn im Prinzip ist Biollantes Existenz das Ergebnis eines Wissenschaftlers, der unethisch agiert, wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen. Doch das Kinoabenteuer beschäftigt sich, für Godzilla-Verhältnisse, durchaus kritisch mit dem Vorgehen aller Beteiligten. Und es drückt indirekt aus, dass das Ergebnis nur zu weiterer Tragik führt, was sich insbesondere am Ende des Films ausdrückt.
Wer sich übrigens fragt, was Godzillas Rolle in seinem eigenen Abenteuer ist: Das ist, wie bei seinen besten Auftritten der Fall, die einer Nebenfigur, die aber trotzdem wichtig ist. Denn es ist seine Existenz, sind seine Zellen, die dafür sorgen, dass die Staaten miteinander im Geheimen wetteifern und sich gegenseitig bestehlen und dabei über Leichen gehen. Es ist seine Existenz, die dafür sorgt, dass Biollante entsteht. Godzilla an sich mag in Godzilla, der Urgigant nur eine Nebenrolle spielen. Doch sein Wirken ist überall zu spüren.
Leider nur ein überschaubarer Erfolg
Erstaunlich ist übrigens der Soundtrack von Koichi Sugiyama, einem bekannten Komponisten, der unter anderem bei vielen Spielen der Dragon Quest-Reihe den Score erschuf. Es ist sein erster und leider auch letzter Beitrag zur Godzilla-Serie. Er verwendet alte Themes, erschafft aber auch Melodien, die an Blockbuster der 1980er erinnern, wie beispielsweise Star Wars oder Indiana Jones.
Am Ende gibt es viele Tote, manche gerechtfertigt, manche nicht. Aber es ist ein grandioses Finale von Godzilla, der Urgigant, passend zu einem grandiosen Film. Auch die Kritiken lobten den Kinofilm, wobei er allerdings an den Kinokassen enttäuschte. Bei einem Budget von 700 Millionen Yen spielte er nur 1,04 Milliarden Yen ein. Zu wenig, weshalb Tomoyuki Tanaka beschloss, für den nächsten Auftritt Godzillas wieder auf Nummer sicher zu gehen.
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