Frankenstein gilt als einer der ersten, wenn nicht gar der erste SciFi-Roman überhaupt.

Ein ikonisches Werk, anders als man es meint zu kennen

Es gibt diverse Werke, in denen von Sachen die Rede ist, die man unbedingt erlebt haben muss. Seien es Filme oder Bücher. Und dann wird natürlich ebenso nach Genre unterteilt, wie beispielsweise in die Science-Fiction-Kategorie. Es existieren dabei nur wenige Werke, die auch außerhalb dieser speziellen Einteilung ausnahmslos empfohlen werden. Mary Shelleys Frankenstein ist so eins.

Wenn der Name fällt, kommt einem sofort ein bestimmtes Bild in den Kopf. Das einer hünenhaften Kreatur, mit Schrauben im Hals und einem schon fast rechteckigen Schädel. Es ist ein Bild, das von der 1931er Filmadaption mit Boris Karloff in der Hauptrolle definiert worden ist. Es ist ebenso ikonisch wie die Szene, wo das Wesen durch Blitze zum Leben erweckt wird. Und doch stimmen diese Bilder noch nicht mal ansatzweise mit dem Roman überein, den die Autorin am 1. Januar 1818 veröffentlichen ließ.

Eine verschachtelte Erzählung

Das Buch fängt merkwürdig an. Man lernt zunächst einen Captain Walton kennen, der eine Expedition zum Nordpol leitet. Unterwegs begegnen sie einem Hundeschlitten, auf dem eine gigantische Gestalt steht. Und wenige Zeit später finden sie einen entkräfteten Menschen, den sie retten und der sich als Viktor Frankenstein vorstellt. Er erzählt schließlich seine Lebensgeschichte.

Er ist der Sohn einer reichen Genfer Familie, der von seiner Kindheit an von dem Wunsch getrieben wird, die Welt zu verstehen. Als er alt genug ist, kriegt er einen Platz an der Universität in Ingolstadt, wo er sich schon bald daran macht, die Geheimnisse des Lebens zu erforschen. Schließlich gelingt es ihm, eine riesige Kreatur zu erschaffen und zum Leben zu erwecken. Doch er bekommt Angst vor dem Ergebnis und flieht. Als er später wieder in sein Domizil zurückkehrt, ist das Wesen verschwunden und die Katastrophe, die nach und nach sein Leben zerstört, nimmt ihren Lauf.

Die Erzählung von Frankenstein ist verschachtelt. Es ist eine Narration innerhalb einer Narration. Und das, was man hier liest, hat – wie gesagt – wenig mit den Boris-Karloff-Filmen zu tun. Erst viele Jahre später wurde der Roman quellgetreu verfilmt.

Jede Menge Tragödien

In jedem Fall schafft es Mary Shelley, mit ihrer Erzählung einen Sog zu erschaffen, dem man sich schwer entziehen kann. Der Beginn ist noch wissenschaftsbejahend mit dem mutigen Captain Walton, der zu einer Expedition zum Nordpol aufbricht, um ihn zu erforschen. Man spürt hier einen Aufbruchsgeist, getrieben von Neugierde und Abenteuerlust.

Dem sie dann die Geschichte von Viktor Frankenstein entgegensetzt. Es ist eine Story, die einen nicht kaltlässt. Weil sie, von Beginn an, mit Tragödien durchsetzt ist.

Der Tod ist im Leben von Viktor Frankenstein ein steter Begleiter. Nicht nur, dass er seine Mutter an Scharlachfieber verliert. Auch später sterben die Leute ringsherum, was dann vor allem ein Werk des Monstrums ist, welches er erschaffen hat. Man bekommt Mitleid mit ihm.

Doch nicht nur der Schöpfer wird hervorragend charakterisiert. Ebenso wird auch seine Schöpfung näher vorgestellt. Hier erschafft die Autorin ein eher ambivalentes Bild. Einerseits das einer Kreatur, die vor allem zu Beginn naiv ist und sich nichts sehnlicher als Anerkennung wünscht. Aber andererseits dann auch die eines Monstrums, dass sich, als es nicht das kriegt, was es will, eiskalt daran macht, das Leben von Viktor Frankenstein zur Hölle zu machen. Und das dementsprechend dafür sorgt, dass viele seiner Familienmitglieder oder Freunde auf die eine oder andere Art ums Leben kommen.

Es bleibt im Ungefähren

Interessant ist, wie die Autorin es vermeidet, näher auf den Ursprung, auf die Art und Weise, wie das Monster zum Leben erweckt wird, einzugehen. Sie belässt bei Andeutungen, geht aber nie ins Detail. Eins aber wird klar: Anders als in Hollywood spielt die Elektrizität hier keine Rolle. Stattdessen müssen Chemikalien wichtig gewesen sein. Und das Monster wird menschenähnlich beschrieben, nur eben extrem groß gewachsen und ohne irgendwelche sichtbaren Schrauben.

Dabei zeigt sich Frankensteins Monster als äußerst intelligent und gewieft. Es treibt seinen Schöpfer vor sich her, lauert ihm auf und konfrontiert ihn mit seinen Taten. Und Viktor Frankenstein? Ist dem gegenüber absolut hilflos.

Das zeigt sich besonders an dem Schicksal der Dienerin Justine. Mary Shelley stellt sie als eine liebenswerte Persönlichkeit dar, die des Mordes beschuldigt wird. Der Leser und Viktor Frankenstein wissen, dass sie unschuldig ist, dass es das Monster war. Doch dieses Wissen nützt nichts, weil sie dann am Ende, trotz der Versuch ihrer Dienstherren, die Hinrichtung zu verhindern, hingerichtet wird. Es ist ein Plot, der sich vor allem aus heutiger Sicht besonders heftig liest. Die Hilflosigkeit ist fast erdrückend. Man wünscht sich, dass Dinge anders verlaufen wären. Doch diesem Wunsch entspricht die Autorin nicht, wohlwissend, dass dieses Ereignis notwendig ist, um auf das Ende Frankensteins hinzuarbeiten.

Ein Meisterwerk, damals wie heute

Die Story liest sich spannend, auch wenn natürlich der Schreibstil komplett anders ist als der moderne. Aber das sorgt eben dafür, dass man so von dem Roman fasziniert ist. Denn im Grunde ist er ein Spiegel seiner Zeit und das sogar ein guter.

Auch heute hat Frankenstein nichts an Wirkkraft verloren. Im Gegenteil: Durch die vielen Adaptionen und Auftritte in den verschiedensten Medien bleibt die Figur einem ständig und stetig präsent. Womit dieses Buch ein Meisterwerk der SciFi-Literatur ist und bleibt.

Autor: Mary Shelley
Titel: Frankenstein
Originaltitel: Frankenstein or the modern Prometheus
Übersetzer:  Christian Barth
Verlag: Heyne
Erschienen: 1995
Einband: Taschenbuch
Seiten: 249
ISBN: 3-453-08242-7
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Götz Piesbergen
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