In der Zukunft gibt es auf der Erde keine Nationalstaaten mehr, sondern Enklaven, welche alle Nichtbürger brutal unterdrücken und versklaven. Höchste Zeit für eine Revolution.
Die Handlung
Vivian steht am Abgrund eines Wolkenkratzers und blickt auf eine brennende Stadt herab, in der ein Bürgerkrieg tobt. Offensichtlich ist er dafür verantwortlich und die Massen feiern ihn als Befreier. Doch dies ist nur ein wiederkehrender Traum, der ihn plagt. In der Realität ist er Kommandant einer Kampfeinheit der S.I. (Spezielle Interventionskräfte).
Zusammen mit seinen Kameraden Nadia, Cicero und Ulrich ist es Vivians Aufgabe, in den Jagdzonen vor der Enklave Buenos Aires Menschen einzufangen. Diese werden anschließend versklavt, um die reiche Bevölkerung in den Großstädten mit Produkten zu versorgen. Dabei werden schon mal Eltern von ihren Kindern getrennt und Letztere sich selbst überlassen.
Bei einem ihrer Einsätze trifft die S.I.-Truppe auf Bürger der Enklave, die sich eigentlich nicht in der Jagdzone vor den Mauern der Stadt aufhalten sollten. Einer redet etwas von einem „Tiqqun“ und kurz darauf dreht eine Kampfdrohne der S.I. durch und erschießt den Mann und die Frau. Das alles gibt Vivian Rätsel auf, doch die Lösung muss noch warten.
Den folgenden Abend bekommen er und seine Leute Zutritt zur Enklave und dürfen sich zur Belohnung erst einmal amüsieren. Eine gute Gelegenheit, den Neuling Ulrich ins Team zu integrieren. Nach einem Besuch des Stripclubs El Loro Azul, mit dessen Betreiberin Vivian ein Gespräch hinter verschlossenen Türen führt, gerät sein Team in eine Schlägerei. Der Kommandant wird dabei schwer verletzt und wacht erst ein halbes Jahr später aus dem Koma auf.
In der Zwischenzeit ist die Enklave Kapstadt gefallen, wobei Ulrich seine gesamte Familie verloren hat. Rund um die Welt flammen weitere Aufstände auf, was bei Vivian, Nadia und Cicero Erinnerungen an Tokio weckt. Alle drei waren Zeuge des Untergangs der Metropole, bevor sie nach Buenos Aires versetzt worden sind. Als wäre das noch nicht genug, wird Vivian auch auf andere Weise von seiner Vergangenheit eingeholt. Seinem Team wird eine Psychologin zugeteilt, bei der es sich um keine Geringere als seine Exfreundin Rachel handelt.
Beim nächsten Einsatz wird das Team in eine letale Zone geschickt, in der es zu Widerstand gegen die Enklave gekommen ist. Unter den Todesopfern entdeckt Vivian einen Mann, der das Tattoo eines blauen Papageis trägt. Derselbe Papagei, der das Logo des El Loro Azul in der Enklave ziert. Doch was hat es damit auf sich? Vivian kann sich einfach nicht mehr daran erinnern.
In der Nachbesprechung der Mission fällt auch Rachel auf, dass mit ihrem Ex etwas nicht stimmt. Sie kündigt ihm an, dass er und sein Team an einem Auffrischungskurs an der S.I. University teilnehmen müssen. Dort bekommen sie erst mal einen Propagandakurs, auf den vor allem Cicero allergisch reagiert. Als Veteran, der den Fall von Tokio miterlebt hat, kann man ihm nix vormachen. Beim anschließenden Schießtraining können er und die anderen endlich Dampf ablassen, der sich auch an den Trainern entlädt.
Nach der unbezahlten Schulungswoche werden die vier Teammitglieder erst einmal zu Personenkontrollen in der Enklave eingeteilt. Vivian nutzt die Gelegenheit, um dem El Loro Azul einen erneuten Besuch abzustatten. Er will wissen, was es mit dem blauen Papagei und dem Tiqqun auf sich hat, denn er träumt immer noch von der Revolution und weiß nicht warum.
Rezension von Erinnerungen an den globalen Bürgerkrieg 1/3
Der Auftakt dieser Comicreihe führt die Leserschaft in eine extrem dystopische Klassengesellschaft ein, die nicht einmal vor Sklaverei zurückschreckt. Es gibt keine Staaten mehr, die den Kapitalismus mittels Gesetzen in die Schranken weisen könnten. Das System der Enklaven ist der feuchte Traum aller Libertären. Das Beunruhigende daran ist, dass es schon heute Milliardäre gibt, die eine solche Gesellschaft anstreben. Einige planen dabei künstliche Inseln in internationalen Gewässern, andere würden gerne Kolonien auf dem Mars gründen. Hauptsache weit weg von einschränkenden Gesetzen und demokratischen Mitspracherechten.
Aufstiegsmöglichkeiten gibt es in diesem System kaum welche. Entweder man gehört zu den Reichen oder man vegetiert vor den Mauern der Enklaven dahin, bis einen die S.I. einfängt und versklavt. Die einzige Aussicht, irgendwann doch den Traum von einem Leben in einer der modernen Großstädte zu führen, ist der Dienst in der S.I. Wer dabei hilft, die eigenen Mitmenschen zu unterjochen, wird eines Tages dafür belohnt. Doch die Dienstzeit muss man dafür erst einmal überleben.
Vivian, Nadia und Cicero träumen zwar noch von einer entspannten Zeit in einer fernen Zukunft, aber in ihnen keimen bereits Zweifel. Vor allem, da sie den Niedergang der Tokio-Enklave erlebt haben. Ihr neuer, unerfahrener Kamerad Ulrich erfährt bei seinem ersten Freigang in Buenos Aires zudem, dass es auch innerhalb der Enklaven eine strenge Klassengesellschaft gibt. Nicht jeder hat überall Zutritt. Allein die Superreichen dürfen sich überall aufhalten. Ein aus der Gosse aufgestiegener S.I. wie Ulrich, der sich seine Bürgerrechte erst noch verdienen muss, wird schnell selbst zum Opfer von S.I.-Brutalität, wenn er unbeabsichtigt eine rote Linie übertritt.
Das Entsetzen über die Drohnenhinrichtung von Bürgern tut ihr Übriges, Zweifel beim Einsatzteam zu nähren. Die Propaganda im Auffrischungskurs kann Cicero bereits als solche durchschauen und die miese Behandlung durch ihre Vorgesetzten lassen die vier ebenso wenig auf sich sitzen. Vivian ist bei alledem schon einen Schritt weiter und dem Rätsel des blauen Papageis auf der Spur. Die Auflösung gibt es allerdings erst in Band 2.
Alles in allem ist der Auftakt der Reihe spannend erzählt und auch optisch gelungen. Die Zeichnungen sind sehr detailreich, wobei vor allem die Innenstädte und Räume sowie die technischen Hintergründe in den Einsatzhelikoptern viel fürs Auge bieten. Letztere sind vom Design her an die Helikopter aus Avatar angelehnt, unterscheiden sich aber dennoch weit genug davon, um nicht zum Plagiat zu geraten.
Die brennenden Skylines in Vivians Träumen vermitteln bereits einen guten Eindruck von dem, was noch kommt. Die Charaktere sind ebenfalls perfekt gezeichnet und sowohl leicht auseinander zu halten als auch stets wiederzuerkennen. Die Posen sind gut getroffen, selbiges gilt für den Faltenwurf der Kleidung.
Die stimmungsvolle Koloration verleiht den Bildern zusätzliche Lebendigkeit. Das Spiel von Licht und Schatten ist perfekt. Hinzu kommt das Leuchten von Reklametafeln und Scheinwerfern. Die Glanzeffekte bis hin zur Augenfeuchtigkeit bei Nahabbildungen sind ebenso gut ausgeprägt. Diese Graphic Novel ist wahrhaftig ein Genuss.
Fazit
Eine intelligente gesellschaftskritische Story trifft hier auf atemberaubende Bilder. Das macht sofort Lust auf mehr, zumal man kaum abwarten kann, wie sich die Geschichte weiter entwickelt. Splitter hat mit Erinnerungen an den globalen Bürgerkrieg einmal mehr einen packenden Erwachsenencomic ins Deutsche übertragen und als hochwertigen Hardcoverband auf den Markt gebracht.
Info
Autor: Richard Marazano
Zeichnungen & Farben: Jean-Michel Ponzio
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite
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Warpskala
Warpskala-
Story10/10
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Zeichenstil10/10
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Koloration10/10
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