Constantine ist ein spannend gemachter Fehler.
Ein Bastard wird verfilmt
Wenn man an DC-Comics denkt, dann kommen vor allem Figuren wie Superman, Batman oder Wonder Woman in den Sinn. Eben die typischen bunt bzw. düster gekleideten Superhelden, die sich mit allerlei Gefahren auseinandersetzen müssen. Doch von diesen drei Charakteren hatte Anfang 2005 kein einziger einen Kinofilm seit Jahren gehabt. Bei dem dunklen Detektiven sollte immerhin ein paar Monate später Batman Begins in die Lichtspielhäuser kommen, derweil der Mann aus Stahl erst ein Jahr später mit Superman Returns wieder seine Aufwartung machen sollte. Und die Amazone? Bei ihr sollte es 2011 einen Pilotfilm für eine potentielle Fernsehserie geben, der dann am Ende allerdings, wenn man den Kritiken glauben schenken darf, zum Glück nicht ausgestrahlt wurde. Erst 2017 erhielt sie ihren eigenen Film.
In der Abwesenheit dieser großen Figuren wurden sich daher an eher ungewöhnliche Comics als Vorlage gewagt. Mit einem eher enttäuschenden Ergebnis. Bei Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen lief im Prinzip alles schief, was schieflaufen konnte. Und Catwoman beleidigte die Intelligenz des Zuschauers in jeder Minute. Ob Constantine da die erlösende Abwechslung für darbende Fans des Comicverlags bringen würde?
Zugegeben: Bei der Verfilmung aus dem Hause Warner Bros. Pictures bediente man sich einer eher ungewöhnlichen Vorlage. Denn die Grundlage bildete kein magiebegabter Superheld, wie es Dr. Fate oder Zatanna sind. Vielmehr war und ist John Constantine, wie er mit vollen Namen hieß, ein kettenrauchender, britischer Bastard, der weniger mit Hilfe von Magie als vielmehr mittels Durchtriebenheit, Frechheit und Intelligenz seine Abenteuer übersteht. Hinzu kam auch noch, dass die Figur zur damaligen Zeit ihre Erlebnisse in dem Vertigo-Label des DC Comics-Verlags erlebte. Einer Abteilung für Comics, die sich eher an erwachsene Leser richtete und wo die Comics kein Teil des normalen DC-Universums waren. Hellblazer, so die Serie in der die Figur auftrat, war die einzige dauerhaft fortlaufende Comicreihe des Imprints. Sie schaffte es auf 300 Ausgaben und namenhafte Autoren wie Garth Ennis, Peter Milligan oder Warren Ellis steuerten die Geschicke der Figur.
Ein durchaus ansehnlicher Cast
Erschaffen wurde der Charakter von Alan Moore, Stephen R. Bissette und John Ridgway. In der Serie Swamp Thing hatte er 1985 seinen Erstauftritt, damals noch als fester Bestandteil des regulären DC-Universums. In jenes kehrte er übrigens 2013 nach dem Ende seiner vorherigen Comicreihe wieder zurück, wenn auch mit durchwachsenem Erfolg.
Die Idee, ausgerechnet ihn und seine Abenteuer zu verfilmen, war bereits etwas älter. Laurel Shulel Donner, Ehefrau des Regisseurs Richard Donner, begann die Produktion schon im Jahr 1997. Zwei Jahre darauf wurde der Regisseur Paul Hunter angeheuert, der bis dahin »nur« Musikvideos gedreht hatte. Zwei weitere Jahre sollten vergehen und er wurde durch den indischstämmigen Regisseur Tarsem Singh (The Cell) ersetzt. Die Hoffnung von Warner Bros. war, dass dieser 2002 mit den Dreharbeiten und Nicolas Cage in der Hauptrolle anfangen könnte. Daraus wurde allerdings nichts, da Tarsem Singh das Projekt verließ und es zu gegenseitigen Gerichtsverfahren kam. Schließlich wurde der österreichische Filmemacher Francis Lawrence angeheuert, für den es der erste richtige Kinofilm war, den er drehte. Das Drehbuch, das sich in Teilen an der Story Dangerous Habits orientierte, stammte von den Drehbuchautoren Kevin Brodbin und Frank Capello. Dabei wurden einige Veränderungen an der Vorlage durchgeführt. So wurde das Setting von Großbritannien nach Amerika, genauer nach Los Angeles, verlegt. Alan Moore selbst distanzierte sich übrigens von dem Projekt. Was, angesichts der »Meisterwerke« die die Adaptionen seiner Comics From Hell und Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen waren, nicht verwunderte.
Der Cast setzte sich aus vielen bekannten Schauspielerin zusammen. John Constantine wurde von Keanu Reeves (Matrix) dargestellt, der dafür nicht auf seinen natürlichen amerikanischen Akzent und schwarze Haarfarbe verzichtete. Rachel Weisz (Die Mumie) wurde zu dem Los Angeles Police Detective Angela Dodson, derweil ein junger Shia LeBouf (Transformers) zu Constantines Fahrer Chas Kramer wurde. Tilda Swinton (Orlando) übernahm die Rolle des Erzengels Gabriel, während Djimon Hounsou zu Papa Midnite wurde. Gavin Rossdale, Mitglied der Rockband Bush, erhielt den Part des Halbdämonen Baltazhars und der schwedische Darsteller Peter Stormare trat am Ende des Films als Luzifer Morgenstern auf.
Ein Guilty Pleasure!
John Constantine ist ein Experte fürs Okkulte, der zur Hilfe gerufen wird, als eine junge Frau besessen worden ist. Doch die Austreibung erweist sich als schwieriger als gedacht, da der Dämon versucht, über die Besessene rüberzuwechseln, etwas, was eigentlich unmöglich und ihm verboten ist. Und während der Zyniker der Sache nachgeht, beschäftigt ihn noch etwas anderes: Er hat unheilbaren Lungenkrebs und wird, wenn er stirbt, wegen einer Jugendsünde in der Hölle landen, was er natürlich verhindern möchte.
Doch dann bittet ihn Detective Angela Dodson um Hilfe. Ihre Schwester hat Selbstmord begangen und sie will herausfinden, was genau geschehen ist. Der Ermittler stößt dabei schon bald auf eine uralte Prophezeiung, bei der der Speer des Schicksals eine wichtige Rolle spielt. Die Apokalypse soll heraufbeschworen werden und es gibt Kräfte im Himmel und in der Hölle, die ein starkes Interesse daran haben, dass dies geschieht.
Constantine zu gucken hat etwas von einer Guilty Pleasure. Man weiß, dass der Film nicht gut ist. Aber man kann nicht weggucken, weil er trotz seiner nicht so überzeugenden Elemente solide Abendunterhaltung bietet.
Wen scheren Details?
Dabei müht sich der Film erst gar nicht großartig mit Einzelheiten ab, um Dinge zu erklären. Man erfährt das Allernötigste, mehr aber auch nicht. So wird zu keinem Zeitpunkt erklärt, wieso der Speer des Schicksals zu Beginn des Films in einer Naziflagge in Mexiko von Raubgräbern gefunden wird. Oder wieso so viele Volldämonen den Weg auf die Erde gefunden haben, obwohl das ja im Prinzip ein Bruch des Vertrags zwischen Himmel und Hölle darstellt und das irgendjemanden auf beiden Seiten auffallen sollte. Es geht einzig und allein darum, dass sich der Titelheld dem Bösen stellt.
Und das tut Constantine mit Bravour. Keanu Reeves gibt der Figur die richtige Portion Zynismus, mit der sie auf alles reagiert. Man merkt, dass er jemand ist, der in seinem Leben schon zu viel Scheiß gesehen hat und dass ihn das abgehärtet hat. Eine der wenigen Möglichkeiten, damit umzugehen, ist sein Kettenrauchen. Vor allem zu Beginn des Films sieht man ihn stets mit einer Fluppe im Mund herumlaufen, wobei das dann im Laufe der Handlung nachlässt.
Der Lungenkrebs, der ja für die Figur im Prinzip von wichtiger Bedeutung ist, wird im Laufe des Films immer weniger bedeutsam. Hustet der Titelcharakter zu Beginn noch regelmäßig Blut, verschwindet das dann nach einem dämonischen Angriff. Nur gegen Ende, da ist die Krankheit wieder wichtig.
Wenn der Antagonist sich rar macht
Rachel Weisz als Angela Dodson wird als eine kompetente Frau dargestellt. Als jemand, der über besondere Fähigkeiten verfügt, diese allerdings bislang unterdrückt hat, bis die Begegnung mit dem Hauptcharakter diese wieder erweckt. Interessanterweise wird ein paar Mal ein Verhältnis zwischen ihr und dem Titelhelden angeteasert, doch stets werden die Beteiligten auf den kalten Boden der Tatsachen zurückgeholt und daraus wird nichts.
Auf diese beiden Figuren fokussiert sich nahezu der gesamte Film. Sie sind es, die die Handlung vorwärtstreiben und dafür sorgen, dass man wissen möchte, wie es weitergeht. Was auch wichtig ist, da Constantine eine Comicverfilmung ist, in der der primäre Antagonist erst ganz zum Schluss enthüllt wird und man bis dahin nur anhand seiner Taten erahnen kann, wer er sein könnte. Die Lücke, die dadurch entsteht, versuchen dann viele kleinere Gegenspieler zu schließen. Seien es gehirnlose Handlanger oder Balthazar: Sie sind es, an denen sich die Protagonisten abarbeiten können.
Doch kommen sie über den Status von Kanonenfutter kaum hinaus. Insbesondere bei letzterem ist es so, dass man ihn nur ein Mal in Aktion erlebt, was ironischerweise das einzige Mal ist, wo er gefährlich wirkt. Immerhin ist die Sequenz, wo er indirekt dafür sorgt, dass einer von Constantines Helfer stirbt, beeindruckend inszeniert und sorgt sogar für einen gewissen Grusel.
Himmel und Hölle begeistern
Der andere von John Constantines Helfern wird durch Shia LeBouf dargestellt. Und hier muss man einfach sagen, dass der Film es nicht schafft, dass die Figur über ihre Ansätze hinaus kommt. Es wird gezeigt, dass er unbedingt dem Hauptcharakter zur Seite stehen möchte und dafür auch Sachen lernt. Doch wird versäumt, zu erklären, was genau die Verbindung zwischen den beiden ist, bzw. wieso er überhaupt für den Okkulten Ermittler arbeitet.
Ein Highlight ist hingegen Tilda Swinton. In den wenigen Szenen, in denen sie auftritt, dominiert sie vollkommen. Es ist faszinierend, wie sie scheinbar mühelos die anderen Darsteller an die Wand spielt. Mit einer einzigen Ausnahme: Peter Stormare. Der taucht zwar erst gegen Ende des Films auf. Doch seine Darbietung als Luzifer ist noch umwerfender, als die von Tilda Swinton als Gabriel. Er gibt einen unberechenbaren Teufel ab, der in der einen Minute freundlich und jovial ist, nur um dann wirklich die böse Seite heraushängen zu lassen.
Überwiegend ist Constantine ist trotz der Fehler bei einigen Figurenzeichnungen ein durchaus spannender Film. Zu weiten Teilen wird man exzellent unterhalten. Nur der Übergang vom zweiten zum letzten Drittel schwächelt. Und die Tatsache, dass der Titelcharakter aus den Hinterlassenschaften seines Artefaktversorgers eine Wumme baut und dabei der Drachenhauch ignoriert wird, ist eben typisch amerikanisch.
Not very british!
Der Elefant im Raum ist natürlich die Treue zur Comicvorlage. Es gibt einige Elemente, die nahezu 1:1 übernommen wurden. Namen wie Chas und Funktionen, wie dass er der Taxifahrer von John Constantine ist. Ebenso, dass der Titelcharakter ein zynischer Bastard ist, der nie um einen Spruch verlegen ist, kennt man aus den Comics. Die allerwichtigsten Dinge stimmen also.
Doch der Rest? Wurde sehr frei interpretiert. Die Britishness der Vorlage ist im Prinzip fester Bestandteil des Charmes der Figur, ebenso auch seine blonde Stachelfriseur, die sich nicht ohne Grund an dem Sänger Sting orientierte. Das wurde geopfert, um aus der Figur einen Amerikaner zu machen, genauso, wie das Setting in die USA transportiert wurde. Wodurch der Story einiges an Ausstrahlung verloren geht. Doch das größte Manko ist das Finale, das im Original die Gewieftheit und Gerissenheit des Charakters nur nochmal unterstrich.
Wobei man allerdings auch einwenden muss, dass, wenn etwas in den Comics funktioniert, es nicht deshalb auch im Film funktionieren muss. Im Gegenteil: Da hier mehr Aufmerksamkeit erzeugt wird, wäre es für die Macher vermutlich zu heikel, den Kinofilm mit einer moralisch bedenklichen Message zu beenden. Spoiler: Als Constantine in den Comics es schaffte, seine Seele gleich drei Teufeln nacheinander zu verkaufen, und dadurch von seinem Lungenkrebs geheilt wird, zündet er sich eine neue Zigarrette an, in dem Wissen, dass wenn er stirbt, seine verderbte Seele einen Bürgerkrieg in der Hölle auslösen würde. Weshalb diese Wesen alles tun werden, sein vorzeitiges Ableben zu verhindern. Im Film wird aus drei Teufeln einer und am Ende fängt der Hauptcharakter an, Nikotinkaugummi zu kauen, um sich das Rauchen abzugewöhnen. Wie gesagt: Dies war eine Veränderung, die vermutlich sein musste, auch wenn sie natürlich die Gewieftheit der Figur untergräbt.
Ein überzeugenderer Constantine
Tricktechnisch kann der Film durchaus begeistern. Vor allem das Design der Hölle, als ein Spiegelbild der realen Welt, nur eben komplett zerstört, gefällt. Ebenso gefällt das Aussehen der Dämonen, das enorm gruselig geraten ist.
Was bleibt am Ende? Die Tatsache, dass Constantine seine Fehler hat. Aber auch gleichzeitig überwiegend spannende Unterhaltung bietet. Jedenfalls, solange man die Comicvorlage nicht kennt, bzw. bereit ist, dieses Wissen hintenanzustellen.
Finanziell war der Film kein voller Erfolg. Er spielte seine Produktionskosten, um die 100 Millionen US Dollar, zwar doppelt ein. Aber eben nicht dreifach, um als voller Erfolg zu gelten. Trotzdem hat vor allem Keanu Reeves wiederholt sein Interesse daran geäußert, die Figur wieder darstellen zu dürfen. Problem ist, dass es in der Zwischenzeit eine Fernsehserie gab, die zwar nach nur einer Season eingestellt wurde. Doch deren Darsteller Matt Ryan konnte sie im sogenannten Arrowverse wieder wahrnehmen und wirkte dabei glaubwürdiger als Keanu Reeves. Was vermutlich auch daran lag, dass er Waliser ist und kein Amerikaner.
Warpskala
WarpskalaPositiv
- Peter Stormare und Tilda Swinton begeistern
- Keanu Reeves ist ein halbwegs glaubwürdiger John Constantine
Negativ
- Hält sich nicht sehr nahe an der Comicvorlage
- Schwächelt im Ende des Zweiten Drittels, Anfang des letzten Drittels
- Helfer von John Constantine bleiben blaß.
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