Ein Dorflehrer gibt seinen Schülern das nötige Wissen, um die Erde vor der Zerstörung zu bewahren.

Der DorflehrerHandlung

In der Galaxis tobt seit Äonen ein Krieg zwischen dem Silizimperium und der Karbonation. Die siliziumbasierten Lebensformen stammen von außerhalb der Milchstraße und trachten danach, alle kohlenstoffbasierten Zivilisationen auszulöschen. Viele Welten haben sie bereits verwüstet, doch endlich ist es der Karbonation gelungen, die Angreifer in einen Spiralarm der Galaxis zurückzudrängen.

Da die Raumschiffe des Silizimperiums Sterne brauchen, um Wurmlöcher für ihre Überlichtreisen zu erzeugen, hat die Karbonation entschieden, alle Sonnen im Umkreis von 500 Lichtjahren zu sprengen. Die feindlichen Invasoren sollen somit isoliert werden. Allerdings sollen alle Sonnensysteme verschont werden, in denen sich bereits Zivilisationen der Stufe 3C und höher entwickelt haben. Nur niederes Leben soll dem Vorhaben für das größere Wohl geopfert werden.

In dem betreffenden Spiralarm liegt ein blauer Planet, der von seinen Bewohnern Erde genannt wird. Auf dieser Welt setzt sich im chinesischen Hinterland der Dorflehrer Li leidenschaftlich für seine Schüler ein, die aus bildungsfernen Bevölkerungsschichten stammen. Er verteidigt die Kinder vor den Schlägen ihrer alkoholkranken Väter und das Schulgebäude vor den plündernden Dorfbewohnern. Dabei riskiert er seine eigene Gesundheit, denn Dummheit und Brutalität gehen oft Hand in Hand.

Eines Tages wird Li von einer aufgebrachten Menge so schlimm verletzt, dass er in ein Krankenhaus in einer Großstadt muss. Dort wird bei ihm zu allem Elend Speiseröhrenkrebs diagnostiziert. Noch könnte dieser behandelt werden, doch die Operation übersteigt das schmale Einkommen des Dorflehrers. So tritt er den Heimweg an, in der Hoffnung, seine Klasse wenigstens noch durch das restliche Schuljahr bringen zu können.

Li opfert sich bis zum letzten Atemzug für seine Schützlinge auf und trichtert ihnen die drei newtonschen Gesetze ein, bis sie diese auswendig können. Kurz nachdem er die Augen für immer geschlossen hat, werden die Kinder auf ein Raumschiff der Karbonation entführt und einem Wissenstest unterzogen, welcher darüber entscheidet, ob die Sonne zerstört wird oder nicht.

Auf die ersten Fragen wissen sie keine Antwort, weshalb eine Rakete abgefeuert wird. Die Zeit bis zum Einschlag nutzen die Außerirdischen, um weitere Fragen zu stellen, darunter nach den newtonschen Gesetzen. Diese können die Schüler zum Glück auswendig, auch wenn sie sie noch gar nicht verstehen. Die Rakete wird daraufhin umgelenkt und die Erde ist gerettet.

Rezension von Der Dorflehrer

Das grundlegende Konzept der Geschichte ist durchaus interessant und spannend erzählt. In der Milchstraße tobt ein interstellarer Krieg, von dem die Menschheit nichts weiß und dem sie fast zum Opfer fällt. Der wahre Held, dessen Einsatz die Erde rettet, ist ein bescheidener Dorflehrer, der sich für seine Schützlinge aufopfert. So weit, so gut.

Leider werden viele wichtige Fragen offen gelassen. Was ist z. B. die Motivation des Silizimperiums, in der Milchstraße einzufallen und alles kohlenstoffbasierte Leben auszulöschen? Welchen Vorteil haben die außergalaktischen Wesen davon? Sie erobern die Planeten der Milchstraße nicht, sondern verwüsten sie einfach nur. Handeln sie aus blankem Rassismus? Niemand wird es je erfahren.

Hinzu kommen jede Menge Logik- bzw. Wissenslücken. So ist die Annahme, die Randzone des Spiralarms, in welcher unser Sonnensystem liegt, sei abgelegen und trostlos, offensichtlich falsch. Eine Zivilisation wie die Karbonation, welche die gesamte Galaxis umspannt und seit Jahrtausenden beherrscht, sollte das längst in Erfahrung gebracht haben.

Weiterhin ist das Zentrum der Galaxis mitnichten ein lebensfreundlicher Ort, da die Sterne dort viel zu dicht stehen. Außerdem ist es keine gute Idee, 100 Millionen Sterne zur Explosion zu bringen, da dies eine weitere Todeszone schaffen würde. Allein die dadurch freigesetzten Gammablitze könnten Leben weit über die vorgesehene Isolationszone hinaus vernichten. Mit Astronomie hat sich Cixin Liu offenbar nicht eingehender beschäftigt.

Zumindest die Antriebstechnologie der Siliziumzivilisation ist aber durchaus interessant. Die Erzeugung von Wurmlöchern würde tatsächlich hohe Energiemengen erfordern, weshalb es schlüssig erscheint, diese in direkter Nähe von Sternen zu öffnen. Die Frage lautet nur, ob der Autor selbst auf diese Idee gekommen oder im Internet darauf gestoßen ist. Dort wimmelt es nämlich nur so von Artikeln und Videobeiträgen, die in Bildanomalien und Artefakten einiger NASA-Aufnahmen der Sonne gigantische UFOs zu sehen glauben.

Cixin Lius astronomisches Fachwissen steht mindestens ebenso in Zweifel, wie das der Kinder von Mister Lis Schule. Die können nicht einmal die Frage beantworten, der wievielte Planet von der Sonne aus die Erde ist, dabei hat ihnen ihr Dorflehrer erst ein paar Seiten zuvor den Aufbau des Sonnensystem erklärt. Sind die Kinder allesamt vergesslich oder haben sie einfach nicht aufgepasst? Nur Newtons drei Gesetze haben sie sich gemerkt, aber die hatten sie erst wenige Minuten vor ihrer Entführung durch die Karbonation gelernt. Und dann verstehen sie die physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht einmal, sondern plappern sie nur nach. Mister Li hat leider auf ganzer Linie versagt.

Die Außerirdischen sind allerdings auch nicht die Schlausten, obwohl sie durchaus so tun. Wenn sie feststellen wollten, ob es auf einem Planeten in der Isolationszone intelligentes Leben gibt, hätten sie keine Exemplare entführen und testen müssen. Es hätte beispielsweise gereicht, nach Funksignalen Ausschau zu halten, die Menschheit nervt ihre galaktische Nachbarschaft immerhin schon seit rund 100 Jahren mit ihren Sendungen. Für den Fall, dass die Aliens sich längst über diese Kommunikationsform hinaus entwickelt haben, hätte auch ein Blick aus dem Fenster genügt, um die Infrastruktur der Erde zu erkennen. Die künstlichen Lichter auf der Nachtseite des Planeten sind wahrlich schwer zu übersehen.

Der Test, den die Aliens an den Kindern durchführen, ist aber auch in sich unlogisch. So stellen die Außerirdischen erst im Nachhinein fest, dass die Menschen eine Lautsprache besitzen, die sie für sehr ineffizient halten. Wenn dem so ist, wie konnten sie den Entführten dann Fragen in deren Sprache stellen? Das ergibt überhaupt keinen Sinn! Entweder haben sie die Erde schon in der Vergangenheit besucht, wie Lehrer Li es vermutet, dann hätten sie unsere Art der Kommunikation bereits gekannt. Andernfalls hätten sie den Kindern ihre Fragen schlichtweg gar nicht stellen können und erst recht nicht deren Antworten verstanden.

Dennoch kommen sie letztendlich zu dem Schluss, dass die Menschheit nicht eine 3C-Zivilisation ist, sondern sogar eine 5B. Was auch immer das bedeuten mag. Die Kardaschow-Skala ist hier jedenfalls nicht gemeint, denn laut der wären wir nicht mal ganz eine Typ-I-Zivilisation, während eine Typ-III-Zivilisation bereits in der Lage wäre, die gesamte Energie ihrer Galaxie zu nutzen. Cixin Liu hat sich hier schlichtweg etwas aus den Fingern gesaugt und hält es nicht mal für nötig, es zu erklären.

Die Leser müssen einfach dafür dankbar sein, dass sich die Karbonation mit einem auswendig gepaukten Satz der bildungsfernen Dorfjugend zufrieden gibt und die Menschheit für würdig genug erachtet, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Nun ja, zumindest so lange, bis das Silizimperium die Erde erreicht. Übrigens ist nicht ganz klar, ob die beiden Wortspiele Karbonation und Silizimperium von Cixin Liu intendiert sind, da sie auf Chinesisch wohl kaum so funktionieren dürften.

Die Art und Weise, wie China dargestellt wird, lässt die Menschheit unterdessen wenig erhaltenswert erscheinen. Zunächst entsteht der Eindruck, die Szenen in der Dorfschule würden irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielen. Die Landbevölkerung wirkt ungebildet und primitiv, und die Schule befindet sich in einem absolut maroden Zustand. Als die Hinterwäldler einen kleinen Traktor erhalten und diesen sofort auseinanderbauen, könnte man die Handlung schon eher in die Ära Maos einordnen. Doch als Mister Li in die nächstgrößere Stadt reist, deuten die modernen Autos und Computer mit Flachbildschirmen unzweifelhaft auf das 21. Jahrhundert hin.

Gibt es heutzutage in China wirklich noch total heruntergekommene Dorfschulen ohne Heizung, geschweige denn einen digitalen Zugang? Solche Bilder kennt man inzwischen eigentlich nur noch aus Entwicklungsländern des globalen Südens. Von einer führenden Industrienation würde man Derartiges nicht erwarten. Erst recht von einem zumindest dem Namen nach sozialistischen Land, denn alle anderen Länder, in denen es ein sozialistisches System gab oder gibt, haben im weltweiten Vergleich sehr hohe Alphabetisierungsraten.

Schlimmer noch ist das dargestellte Gesundheitssystem. Mister Lis Krebserkrankung wäre heilbar, doch er muss sterben, weil er sich die Operation nicht leisten kann. Nicht einmal im bettelarmen Kuba herrschen derart katastrophale Zustände! Auf der Karibikinsel ist das Gesundheitssystem kostenfrei und krankt höchstens an der völkerrechtswidrigen Handelsblockade der USA. Ferner gibt es selbst in kapitalistischen Nationen wie Deutschland eine gesetzliche Krankenkasse. Kein Lehrer müsste hierzulande aus finanziellen Gründen an behandelbarem Krebs sterben.

Ob es in China wirklich so krass zugeht, kann selbstverständlich nicht anhand der Comicadaption eines Science-Fiction-Romans beurteilt werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass dem nicht so ist. Einzig das sture Auswendigpauken des Lernstoffs wirkt definitiv glaubhaft, denn derartige Methoden passen zu autoritären Staaten.

Obwohl sich Mister Li sehr für das Wohl seiner Schüler einsetzt, sind seine Lehrmethoden absolut Oldschool und pädagogisch falsch. Wenn Kinder etwas nicht verstehen, muss es ihnen erklärt werden. Sie etwas auswendig lernen lassen, das sie nicht begreifen, in der Hoffnung, dass der Groschen irgendwann später fallen wird, führt doch zu nichts. Okay, in dem Fall führt es zur Rettung der Erde, aber die Kinder werden letztendlich unwissend sterben.

Das sollte an dieser Stelle erst einmal an Kritik reichen. Es gibt auch Positives an dieser Graphic Novel, denn die Zeichnungen sind wirklich klasse. Vor allem die Raumschiffflotten des Silizimperiums und der Karbonation sehen sehr eindrucksvoll aus. Ebenso fantasievoll ist die Wasserwelt Azurian, welche von einer fischartigen Spezies bewohnt wird. Es ist wirklich schade, dass dieser wunderschöne Planet samt seiner Bewohner ausgelöscht wird.

Der Detailgrad kann sich auch in den Szenen auf der Erde sehen lassen. Die Dorfschule mag marode sein, aber zumindest wird dieser Eindruck grafisch sehr gut umgesetzt. Die räumlichen Perspektiven stimmen und die Bilder wirken insgesamt sehr lebendig. Was die Charaktere angeht, sind diese ebenfalls meist gut getroffen, nur auf wenigen Bildern gibt es zuweilen Anomalien. So hat eines der Kinder spitz zulaufende Tentakelfinger ohne Nägel, was recht seltsam wirkt. In der Regel wurde aber auch auf solch kleine Details geachtet.

Die Farbgebung ist alles in allem sehr realitätsnah, vor allem Holzstrukturen sehen super aus. Der Lichteinfall passt, gleiches gilt für Leuchteffekte und Glanzpunkte. Das absolute Highlight sind die Sternenhimmel über der Erde. Lediglich die Galaxie wirkt zuweilen etwas zu sehr gemalt, was den Gesamteindruck allerdings kaum schmälert.

Das Cover stammt wieder von Nicolas Vallet, dessen Zeichenstil zwar von dem des Inhalts abweicht, sich in Sachen Detailgrad aber nicht viel nimmt. Wer aufgrund des fantastischen Covers auf einen ebenso guten Comic hofft, wird diesmal nicht enttäuscht.

Fazit

Trotz einer interessanten Grundidee fallen an dieser Comicadaption einige himmelschreiende Logiklücken unangenehm auf. Der Dorflehrer selbst wirkt sympathisch, ist aber scheinbar nur von ungebildeten Hinterwäldlern umgeben. Sein Tod ist tragisch, aber immerhin hinterlässt er der Welt den Schlüssel zum Überleben. Damit nimmt die Handlung doch noch ein positives Ende, was den Gesamteindruck ein wenig anhebt.

Der wirkliche Genuss entsteht allerdings erst durch die hervorragenden Zeichnungen sowie die realistische Koloration. Insbesondere die großflächigen Bilder der Raumschlachten ziehen einen schnell in den Bann, wobei die zweite Hälfte sogar mit einer ausklappbaren Doppelseite aufwartet. Qualitativ stimmt ebenfalls alles, nur sollte der matte Einband besser nicht mit fettigen Fingern angefasst werden.

Info

Autor: Cixin Liu / Zhang Xiaoyu
Zeichner: Zhang Xiaoyu
Farben: Pan Zhiming
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite

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Warpskala

Warpskala
8 10 0 1
  • Story
    6/10
  • Zeichenstil
    9/10
  • Koloration
    9/10
8/10
Total Score
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