Ein außerirdischer Künstler verbraucht für sein neustes Werk alles Wasser der Erde.

Cixin Liu – Meer der TräumeHandlung

Der Künstler Yan Dong fertigt gerade eine Eisskulptur für das Eis- und Schneekunstfestival, als sich eine außerirdische Sphäre vom Himmel herabsenkt und sich abfällig über die Werke der Menschen auslässt. Einzig die bizarre Skulptur von Yan, die an Eisblumen angelehnt ist, trotzt der fremden Entität wenigstens etwas Respekt ab, weshalb sie mit ihm Kontakt aufnimmt.

Die Wesenheit in der schwebenden Eissphäre stellt sich als Niedertemperaturkünstler vor und offenbart, dass sie weitaus mehr Wasser für ihr nächstes Projekt benötige. In der Folge saugt die außerirdische Entität sämtliche Ozeane, Seen und Flüsse leer, was für das Leben auf der Erde katastrophal ist. Bei der UN streitet man daher, wie man mit der Präsenz umgehen solle.

Während die Amerikaner für einen Militärschlag plädieren, wollen die Chinesen in einen Dialog treten. Da die Wesenheit bereits mit Yan Dong kommuniziert hat, wird er entsendet, um den Dialog herzustellen. Schnell wird jedoch klar, dass die Sphäre nur an Gesprächen über Kunst interessiert ist. Alle Fragen zu ihrem Wirken beantwortet sie daher gern und gibt sogar preis, dass ihre Spezies von außerhalb der Galaxie aus einem Bereich dunkler Materie stammt. Nachdem sie die dunkle Materie verlassen hat, entfaltete sie ihre künstlerischen Ambitionen, die sie bereits auf tausenden Welten ausgelebt hat.

Das findet Yan zwar alles sehr interessant, doch eigentlich wurde er geschickt, um über ein Ende der zerstörerischen Austrocknung zu verhandeln. Als er das Gespräch auf dieses Thema lenkt, bekommt die Entität einen Wutanfall und zerstört die Eskorte des irdischen Künstlers. Das bringt den chinesischen Militärapparat am Ende doch dazu, den amerikanischen Weg zu probieren. Dieser erweist sich jedoch als wenig hilfreich, denn alle Geschosse prallen sowohl im wörtlichen als auch im sprichwörtlichen Sinne von der außerirdischen Sphäre ab.

Bei weiteren Gesprächen mit der Entität meint diese, dass nur die Kunst zähle und Dinge wie Überleben für sie trivial seien. Sie macht einfach weiter, bis ihr Werk vollendet ist. Für dieses kann sich Yan Dong durchaus begeistern. Da die Eiswürfel einen Ring um die Erde bilden, schlägt die Wesenheit vor, das Werk Ring der Träume zu taufen. Yan meint, dass Meer der Träume besser passe, da das Eis der Skulptur aus den Meeren der Erde stammt. Der Künstler stimmt dem zu und verabschiedet sich in die Weiten des Alls.

Einige Zeit später wird Yan Dong erneut vom chinesischen Staat für den Weltkrisenrat angeworben. Dieser ist als geheim eingestuft, um der Menschheit keine falschen Hoffnungen zu machen. Ähnlich deprimierend ist auch das Team von Künstlern, in das man Yan steckt. Dieses soll aus gespendeten Zähnen ein Mahnmal zur Erinnerung an die Menschheit errichten. Yan lehnt ab und wechselt ins Ressort Ozeanrückgewinnung. Künstler war er nämlich nur in seiner Freizeit. In seinem eigentlichen Beruf als Ingenieur hofft er, das Wasser aus dem Meer der Träume zurück auf die Erde holen zu können.

Die Menschheit arbeitet fortan zusammen an diesem Projekt und tatsächlich regnet das Wasser bald darauf aus dem Orbit herab. Als Yan Dong bemerkt, dass das Eis- und Schneekunstfestival wieder stattfindet, widmet er sich erneut der Kunst.

Rezension von Meer der Träume

Es kommt selten vor, dass eine Comicadaption vor der Übersetzung eines Originalromans erscheint. Leider lassen sich daher noch keine Vergleiche ziehen. Allerdings sollte angesichts der üblichen Dicke der Romane von Cixin Liu klar sein, dass bei der Graphic Novel, die auf rund 90 Seiten herunter gedampft worden ist, Kürzungen unvermeidlich sind. Immerhin über das grundlegende Handlungsgerüst lassen sich aber schon mal ein paar Aussagen treffen.

Die Grundidee ist durchaus interessant und konfrontiert die Menschheit mit einem Erstkontaktszenario, das es so noch nicht gegeben hat. Weder wird die Erde von feindlichen Außerirdischen angegriffen, noch wird der Menschheit von wohlwollenden Aliens Hilfe angeboten. Stattdessen handelt es sich um eine Künstlerseele, welche das Wasser der Erde für eine Eisskulptur benötigt und dabei keine Rücksicht auf die Menschen oder die Umwelt nimmt. Die Entität ist daher weder als gut noch als böse einzuordnen.

Dieses Konzept wäre eine hervorragende Ausgangslage für eine spannende Geschichte. Leider fallen einige Dinge sehr unangenehm auf. Zunächst einmal wird nicht erklärt, warum die außerirdische Wesenheit der chinesischen Sprache mächtig ist. Hat sie die Erde schon länger beobachtet oder ist sie telepathisch veranlagt? Wäre Letzteres der Fall, müsste sie nicht verbal kommunizieren, und gegen Ersteres spricht, dass sie sich für nichts interessiert, was nicht unmittelbar mit ihrer Kunst zu tun hat.

Für eine überlegene Intelligenz ist die Entität obendrein ziemlich arrogant und äußert sich permanent nur herablassend über die Menschen sowie deren Kunstfertigkeiten. Wenn die Menschen in ihren Augen so wertlos sind, warum will die Wesenheit sie dann überhaupt mit ihrer eigenen Kunst beeindrucken? Und warum rastet sie gleich aus, wenn Yan Dong sie mit den Problemen konfrontiert, welche sie verursacht? Für eine schöpferische Seele ist es eher ungewöhnlich, aus nichtigen Gründen zu zerstören und zu töten. Die Kreatur verhält sich aber nicht nur rücksichtslos, sondern außerdem jähzornig.

Yan Dong auf der anderen Seite kommt aber ebenfalls nicht auf den Gedanken, die Entität darauf hinzuweisen, dass ihre Kunst keinen Nutzen hat, wenn sie all jene, die ihre Skulptur bewundern könnten, aus Achtlosigkeit zum Tode verurteilt. Ebenso wenig schlägt er ihr vor, das Wasser des Jupitermondes Europa zu verwenden. Dieser birgt tatsächlich mehr Wasser, als alle Ozeane der Erde zusammen. Sofern dort kein höheres Leben existiert, wäre das Problem damit doch gelöst. Aber ein versöhnliches Ende ist einfach nicht vorgesehen.

Stattdessen wird die Menschheit einfach zum Sterben zurückgelassen und muss sich was einfallen lassen, um das Wasser aus dem Meer der Träume zurückzugewinnen. Dies gelingt durch gigantische Spiegel, welche das Eis zum Schmelzen bringen. Dumm nur, dass sich außerhalb der Erdatmosphäre der Großteil sofort ins All verflüchtigen würde. Physik scheint nicht gerade Cixin Lius Stärke zu sein. Eine weit bessere Lösung wäre es gewesen, die Eiswürfel zu zerschlagen und durch den Wiedereintritt in die Atmosphäre schmelzen zu lassen.

Obgleich das Unternehmen trotz seiner physikalischen Unmöglichkeit gelingt, dürfte das Wasser aber ungenießbar sein. Um die Spiegel an den Megaeiswürfeln zu befestigen, müssen erst einmal Löcher in selbige hinein gesprengt werden. Dabei ist ein Atomsprengkopf zu sehen. Eine wirklich tolle Idee, das Eis radioaktiv zu verseuchen.

Wie wenig wissenschaftlich der Comic ist, zeigt weiterhin die Reaktion einiger Menschen auf die Ankunft der künstlerisch begabten Aliensphäre. Vor dem UN-Gebäude in New York meint eine Frau begeistert: „Das ist der Beginn des Wassermann-Zeitalters! Eine neue Weltordnung!“ Derartige Begrifflichkeiten stammen aus der Esoterikszene, die an astrologischen Hokuspokus glaubt. In welchem Sternzeichen die Sonne aufgeht, hat selbstverständlich keinen Einfluss auf das Schicksal der Menschheit und erst recht nicht auf die Ankunft Außerirdischer.

Da zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Vergleich mit der Romanvorlage möglich ist, kann leider nicht gesagt werden, ob die betreffende Szene auf das Konto von Cixin Liu geht oder von den Machern der Comicadaption hinzugedichtet worden ist. Die Chinesen haben jedenfalls völlig andere Tierkreiszeichen und einen eigenen astrologischen Aberglauben. Westliche Astrologie dürfte den Chinesen bestenfalls aus Hollywoodfilmen bekannt sein.

Wenigstens die Schleichwerbung im Comic stammt aus dem Reich der Mitte. Auf Seite 62 ist eine gigantische Huawei-Werbetafel platziert. So viel zum Thema Kommunismus. Es gibt amerikanische Comics, in denen die Produktplatzierungen weniger auffällig sind, sofern überhaupt vorhanden. Wie viel Huawei wohl dafür bezahlt hat?

Egal, das eingefügte Firmenlogo ist jedenfalls das einzige klare Motiv im gesamten Comic, womit wir beim optischen Eindruck des Bandes wären. Der Zeichenstil ist extrem grob, wodurch alles sehr unnatürlich wirkt. Die Gesichter der Charaktere sehen zerknittert aus und ihre Posen sind teils grotesk. Es mangelt den Bildern zudem an Detailiertheit und Tiefe. Der Stil würde sich noch am ehesten für Karikaturen eignen, aber nicht für eine Graphic Novel, die sich an ein anspruchsvolles Publikum richtet.

Der zweifelhafte Genuss wird auch durch die Koloration nicht wesentlich aufgewertet. Die Farben sind total blass und statt Verläufen gibt es harte Abstufungen. Die mangelnde Farbtiefe trägt zum unnatürlichen Gesamteindruck bei, Leuchteffekte sind dabei rar gesät und Glanzeffekte überhaupt nicht vorhanden. Alles in allem wirkt der Comic so trostlos wie die Erde ohne Wasser.

Wie es besser gegangen wäre, zeigt die Covergestaltung von Nicolas Vallet. Hier stimmt einfach alles: der hohe Detailgrad, die tolle Perspektive und die naturalistische Farbgebung. Da drängt sich die Frage auf, warum nicht der gesamte Comic in die fähigen Hände Vallets gelegt worden ist. Damit wäre noch ein Maximum aus der eher dünnen Story herauszuholen gewesen. So bleibt lediglich ein fantastisches Cover, welches mehr verspricht, als der Inhalt hält.

Fazit

Wer sich eingehender mit den Werken von Cixin Liu beschäftigen möchte, sollte als Einstieg nicht diese Graphic Novel wählen. Neben der halbgaren Story krankt der Comic vor allem an der graphischen Umsetzung. Insbesondere die komplett entsättigten Farben hinterlassen einen eher tristen Eindruck. Von einer Geschichte, die vom Wert der Kunst handelt, erwartet man einfach einen höheren künstlerischen Anspruch. Einzig das Cover kann hier überzeugen.

Ansonsten bleibt nur die Hoffnung, dass die anderen Comicadaptionen von Cixin Lius Werken besser sind. Die Chancen dafür stehen gar nicht mal so schlecht, da sie von anderen Autoren und Zeichnern umgesetzt worden sind. Da die Reihe in Deutschland bei Splitter erscheint, gibt es wenigstens an der Verarbeitung wenig auszusetzen. Der einzige Minuspunkt ist der matte Einband, der nicht mit verschwitzten Händen angefasst werden sollte. Im Gegensatz zu den üblichen Hochglanzeinbänden lassen sich solche Oberflächen nämlich nicht abwischen und nehmen Feuchtigkeit schnell auf.

Info

Autoren: Cixin Liu / Rodolfo Santullo
Zeichner: Jok
Farben: Mei & Jok
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite

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Warpskala

Warpskala
3 10 0 1
  • Story
    4/10
  • Zeichenstil
    2/10
  • Koloration
    3/10
3/10
Total Score
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