Sheridan ein Mörder? Lennier und Garibaldi ermitteln.
Staffel 2 – Folge 14
Minbari lügen nicht / There All The Honor Lies
Die Handlung
Auf Babylon 5 wird testweise ein Souvenirladen eröffnet, um zusätzliche Einnahmen durch den Verkauf von Merchandising-Produkten einzunehmen. Sheridan (Bruce Boxleitner) beauftragt Ivanova (Claudia Christian) damit, diese Testphase kritisch zu überwachen.
Nach dieser Besprechung macht sich Sheridan auf dem Weg zu Kosh (Jeffrey Willerth), um eine weitere Lektion zu lernen. Unterwegs wird er von einem Minbari angegriffen, der ihn zu Boden wirft. Neben sich findet Sheridan eine PPG. Der Minabri macht Anstalten, Sheridan zu töten, da schießt Sheridan und tötet den Angreifer. Ein anderer Minbari hat das Ganze gesehen und rennt weg.
Auch wenn Sheridan beteuert, keine Wahl gehabt zu haben, besteht Delenn (Mira Furlan) darauf, den Fall zu untersuchen. Neben Garibaldi (Jerry Doyle) macht sich auch Lennier (Bill Mumy) auf die Such nach dem Zeugen. Dieser sagt, Sheridan habe geschossen, obwohl sich der Minbari ergeben wollte. Sheridan wirft dem Zeugen vor, zu lügen. Delenn erklärt Sheridan, dass Minbari niemals lügen. Trotz dieser üblen Situation erscheint Kosh und erinnert Sheridan an die Lektion. Er bringt Sheridan an einen abgelegenen Ort. In einer kleinen Kammer sitzen einige verhüllte Menschen und singen einen gregorianischen Choral. Es klingt sehr schön und Koshs Beschreibung „Ein Moment perfekter Schönheit“ trifft es genau.
Durch Londo (Peter Jurasik) erfährt Sheridan, dass Minbari sehr wohl lügen dürfen, wenn sie die Ehre eines anderen schützen wollen. Dies ist das fehlende Puzzleteil und Lennier stellt dem Zeugen eine Falle. Da sowohl der Zeuge als auch der Ermordete und Lennier zum gleichen Tempel gehören, will sich Lennier stellen und zugeben, dass Sheridan in Notwehr gehandelt habe. Jetzt erklärt der Zeuge, dass Lennier das nicht tun dürfe, denn es war der Tempel, der Sheridan in Misskredit bringen wolle. Der angreifende Minbari hat sich freiwillig geopfert, damit Sheridan als Mörder dasteht. Sheridan hatte im Krieg einen falschen Notruf abgesetzt. Als ein Minbarischiff erschien, um das vermeintlich beschädigte Erdschiff zu zerstören, vernichtete Sheridan stattdessen das Minbarischiff. Das sei unehrenhaft gewesen und müsse bestraft werden. Lennier hat dieses Geständnis aufgezeichnet, aber Sheridan verzichtet darauf, die Aufnahme zu verwenden. Wenn der Zeuge wahrheitsgemäß berichten würde, was passiert ist, könne man den Tempel aus allem heraushalten. Somit sei auch Lenniers Ehre nicht in Gefahr.
Schließlich bringt Ivanova einen Teddybären mit der Aufschrift „JS“ mit. Sheridan ist nicht amüsiert und wirft das Stofftier aus der Luftschleuse. Der Souvenirladen wird geschlossen.
Der übliche Verdächtige
Ich mag keine Fernsehfolgen, in denen eine Hauptfigur für etwas angeklagt werden soll, dass die Person nicht begangen hat. Es gibt nur wenige Serien, in der so ein Szenario nicht in der ein oder anderen Form vorkam. Diese Folgen sind meist uninteressant, weil wir Fans wissen, dass am Ende die Unschuld bewiesen wird. Auch bei Babylon 5 funktioniert es nicht. Dazu kommt noch, dass es schon das zweite Mal ist, denn gleich in der Pilotfolge wurde Jeff Sinclair (Michael O’Hare) verdächtigt, auf Kosh einen Mordanschlag verübt zu haben. Der Clou, alles an dem Punkt festzumachen, dass Minbari niemals lügen, außer um die Ehre eines anderen zu schützen, steht auf ganz wackeligen Füßen. Zu allem Überfluss erscheint eine Anwältin auf der Station, denn die Erde ist durchaus an einem Gerichtsprozess interessiert. Die Anwältin, die von Catlin Brown gespielt wird, Na’Toth aus der ersten Staffel, hat in der ganzen Folge nur eine Aufgabe: Sheridan anzukündigen, dass er das Kommando in jedem Fall abgeben müsse, egal, ob das Gericht ihn für schuldig oder unschuldig hält. Offenbar hat man auf der Erde endlich kapiert, dass Sheridan kein xenophober Kriegstreiber ist, den Präsident Clark in ihm gesehen hatte. Wie gut, dass es am Ende nicht zu einem Prozess kommt.
Dabei war der Grundgedanke der Folge eigentlich sehr interessant: Es sollte um ganz verschiedene kulturelle Eigenarten gehen, die verschiedene Spezies gegenseitig verstehen und tolerieren müssen, wenn sie miteinander interagieren. Auf der Erde haben wir Menschen zwar auch unterschiedliche Lebensweisen und Kulturen, aber diese haben alle irgendwo einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Das muss bei außerirdischen Kulturen nicht so sein. Wenn sich ein Hund und eine Katze begegnen, dann bedeutet das Hundeknurren „Vorsicht, ich werde gleich sauer“. Die Katze könnte das mit ihrem Schnurren vergleichen, was bedeutet: „Ich fühle mich sehr wohl bei dem, was du mit mir machst.“ So missverständlich kann auch die Kommunikation zwischen unterschiedlichen galaktischen Spezies sein.
Genau so ein Missverständnis hat zum Erd-Minbari-Krieg geführt. Als das erste Erdschiff auf ein Minbarischiff getroffen war, hatte das Minbarischiff seine Kanonen ausgefahren, was bei den Minbari den Respekt vor dem anderen ausdrücken soll. Für die Menschen war das aber die Vorbereitung auf einen Angriff. Auch der Militärschlag, den Sheridan gegen die Black Star durchführte, kommt in dieser Folge zur Sprache. Wir erfahren, dass es aus Sicht der Minbari zwar ehrenvoll ist, ein beschädigtes und wehrloses Schiff zu vernichten, aber es ist nicht ehrenvoll, wenn dieses Schiff seine Wehrlosigkeit nur vortäuscht und seinerseits den Angreifer vernichtet.
Das mag aus unserer Sicht scheinheilig klingen, aber eigentlich sollte hier nur deutlich gemacht werden, wie unterschiedlich menschliche und minbarische Vorstellungen von „Ehre“ sind. Auch dass Minbari das Konzept des Lügens zum eigenen Vorteil nicht kennt, tritt bei den Ermittlungen des vermeintlichen Mordes zu sehr in den Hintergrund. Man hat das Gefühl, das diese Mentalität ja gerade im passenden Moment gekommen ist, wo es um Wahrheitsfindung geht. Eine ernsthafe Betrachtung der Minbari, wie es sich lebt, wenn keine Lügen zum eigenen Vorteil gesagt werden, fehlt. Ein „Krimi“ ist für so einen Mentalitätsvergleich einfach ein schlechtes Mittel.
Im Writers Room
Drehbuchautor Peter David schrieb das zweite Mal ein Drehbuch für Babylon 5. Er hatte eigentlich vorgesehen, dass Garibalid derjenige ist, der fälschlicherweise beschuldigt wird. Aber JMS fand, dass es mit Sheridan besser funktionieren würde, um zu zeigen, wie nahe sich Sheridan und Delenn schon gekommen waren. Es tut mir leid, ich denke, dass JMS hier falsch gehandelt hat. Zum einen, weil wir schon im Pilotfilm den Fall hatten, dass der Stationskommandant verdächtigt wurde, zum anderen weil Garibaldi viel impulsiver ist und er eher mal in eine Situation gerät, in der er zu schnell eine Waffe abfeuern könnte. Insbesondere mit den Erfahrungen, die Garibaldi in der letzten Silvesternacht gemacht hatte, wäre es glaubhaft, wenn er bei einer vermeintlichen Gefahr auf einen Angreifer sofort schießt.
JMS hat Peter Davids Idee diesbezüglich abgelehnt und so schrieb dieser die ganze Story auf Sheridan zu. Aber am fertigen Drehbuch hat JMS dann noch weitere Änderungen vorgenommen. Die Frau von Peter David sammelt Stoffteddies und sie kaufte für Joe Straczynski einen Teddy und zog ihm ein Hemdchen an, auf der Vorderseite mit den Buchstaben JS und Ba-bear-lon 5 auf der Rückseite. Dieser kann aber nichts Niedliches leiden und wollte seine kleine Rache: Er schrieb die Abschlussszene mit dem Teddy in das Drehbuch. Diesen Spaß setzte Peter David seinerseits fort. Zusammen mit Bill Mumy kreierte er die Nickelodeon-Serie Space Cases. Eine Gruppe Kinder wird auf ein außerirdisches Raumschiff verschlagen und an einem Lichtjahre entfernten Ort versetzt. Ein kleines bisschen wie in jener Serie, durch die Bill Mumy bekannt wurde: Lost in Space. In der zweiten Folge wird im All ein treibender Teddy gefunden, den eine der Figuren auf das Raumschiff bringt. Er schenkt den Teddy einem Mädchen, die den Teddy total süß findet und sich fragt, was für eine Art Erwachsener so etwas ins All wirft. Die Antwort: Die böse Alienspezies der Straczyn.
Wo JMS schon dabei war, das Drehbuch von Peter David zu ändern, baute er auch gleich den Teil um Kosh mit hinein. JMS hat sich nie dazu geäußert, worin genau die Lektion eigentlich bestanden hat. Ging es wirklich nur darum, ein Farbenspiel bei einem mittelalterlichen Gesang zu erleben? In dem lateinischen Text geht es um den Erlöser, aber ich bezweifle, dass JMS da irgendeine Bedeutung für den Serienverlauf gesehen hat. Vielleicht ein Hinweis auf das wahre Aussehen der Vorlonen, das wir am Ende der Staffel sehen werden.
Zusammen mit den Änderungen von JMS, gibt es in der Folge ganze vier Handlungsebenen, denn Peter David hatte selbst eine B-Handlung geplant. Vir (Stephen Furst) befürchtet, durch einen anderen Centauri ersetzt zu werden, und ist ganz betrübt. Londo hält aber zu ihm und setzt seine Autorität ein, damit Vir auf der Station bleiben kann. Eigentlich ist das genauso überflüssig wie der Mordverdacht bei Sheridan. Man weiß doch von vornherein, dass Vir auf der Station bleiben wird. Zumindest erleben wir noch einmal einen netten Londo, wie man ihn aus der ersten Staffel noch kennt.
In dieser Folge gibt es erstmals einen direkten Seitehieb auf Star Trek – Deep Space Nine. Das Merchandisinggeschäft war nämlich ganz klar gegen Deep Space Nine gerichtet. Ivanova sagt im englischen Original: „We are not some … deep space franchise. This station is about something.“ Bis zu diesem Zeitpunkt gab es kein Merchandising-Material für Babylon 5. JMS wollte das nicht, zumal er bei vergangenen Serien schlechte Erfahrungen mit den Spielzeugherstellern gemacht hatte. Erst später, als auch die B5-Fans nach Produkten riefen, kam das ein oder andere auf den Markt.
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