Am Vorabend einer Katastrophe – sie erreichen einen todgeweihten Kontinent
Titel: Im Land der Sternengötter
Autor: Ben Calvin Hary
Zeichner: Arndt Drechsler-Zakrzewski
Erschienen: Freitag, 18. März 2022
Was ist die Perry-Rhodan-Miniserie Atlantis?
Da das Gebiet der Perry-Rhodan-Miniserien, bis auf einen sehr kurzen Artikel von Mario Staas (Stardust), bei Warp-Core noch nicht eingeführt ist, möchte ich gerne den Kontext etwas erläutern.
Die Miniserien sind ein kurzes und vor allem überschaubares Spin-off der in seiner Größe und Mächtigkeit vielleicht erschlagenden Perry Rhodan EA (Erstauflage, d. h. das Original). Wie viele Spin-offs erfüllen auch Perry-Rhodan-Miniserien, meiner Meinung nach, zwei Aufgaben.
Erstens: Hier haben neue Leser die Möglichkeit, in einem überschau- und bewältigbaren Rahmen in die Serie Perry Rhodan hineinzuschnuppern. Die Geschichte ist abgeschlossen und mit zwölf Heften relativ kurz. Man* kann das also gefahrlos ausprobieren und bindet sich nicht für den Rest der Ewigkeit. Eine schöne und für die Serie wichtige Sache, finde ich.
Zweitens: Hier können neue und vielversprechende Autoren* zeigen, was sie können. Für eine Serie, die sich in ihrer sechsten Autorengeneration befindet, ist es absolut unerlässlich, die siebte Generation zu finden, wenn es für die Serie Perry Rhodan eine Zukunft geben soll. Da übt man lieber das Fahren mit dem Mini oder dem Neo anstatt den Junior* gleich an die königliche Staatskarosse zu lassen. Als Fan der Serie finde ich das eine sehr gute und sehr, sehr wichtige Sache. Ich mag die Serie und möchte sie weiterlesen.
In dem Sinne: Lassen wir die Kirche im Dorf und freuen uns auf den Ausflug ins ferne Atlantis. Hier ein kleiner Disclaimer: Ich bin kein Atlan-, Arkoniken- und Atlantis-Experte, sondern eher Team Perry/Terraner. Diese Rezension ist also nur die Meinung eines einzelnen Mannes* mit vielleicht zweifelhaftem Geschmack.
Worum geht es in diesem Roman?
Perry Rhodan und seine Frau Sichu Dorksteiger besuchen die Eröffnung des Atlan-Unterseekuppel-Museums. Während der Eröffnung tauchen ein Artefakt und eine Besucherin aus der Vergangenheit auf. Perry und Sichu verschlägt es in die Vergangenheit nach Atlantis.
Der Leseeindruck
Alles was ich im Vorfeld über die Serie gelesen, gehört und gesehen habe, hat mir große Lust gemacht, mich auf diese Miniserie einzulassen.
An dieser Stelle ist vielleicht Zeit und Gelegenheit für einen weiteren Disclaimer. Ich halte Ben Calvin Hary für einen guten Autoren, der mit Mein Freund Perry und auch Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos“ bewiesen hat, das er hervorragende Texte schreiben kann, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Diese Rezension bezieht sich also ausdrücklich nur auf genau dieses eine Werk und nicht auf den Autor.
Die lange und umständliche gewundene Einleitung lässt es schon erahnen, jetzt kommt ein großes und für viele (mich eingeschlossen!) wahrscheinlich sehr unangenehmes Aber. Kritik ist die Bewertung nach festgelegten Maßstäben, da kann ich leider die bittere Medizin nur auf einem Zuckerwürfel reichen. Schlucken oder nicht schlucken muss sie dann der Patient.
Die Einleitung und das erste Kapitel habe ich bis auf eine auch gut zu ignorierende Stolperstelle gerne und mit großer Vorfreude gelesen. Im zweiten Kapitel ist bei mir dann aber mit voller Wucht der Lektorats- und Überarbeitungsmodus angesprungen und am Ende des Romans stehe ich mit 48 dringend zu überarbeitenden Punkten da.
Was, zum Teufel, ist da passiert?
Den Anruf in der Redaktion, ob ich vielleicht eine frühe Fassung zugeschickt bekommen habe, habe ich mir nach erneuter Lektüre der Leseprobe verkniffen. Es ist eh viel zu spät, die Hefte sind gedruckt. Glücklicherweise muss, bzw. musste ich bis zur Veröffentlichung dieses Artikels bis zum offiziellen Erscheinen des Romans warten und haben so noch Zeit über das Wie, warum und weshalb meiner Rezeption nachzudenken.
Was stört mich bei der Lektüre dieses Romans, den ich auf der anderen Seite trotz aktivem Lektoratsmodus gerne und zügig gelesen habe? Ich denke, es gibt hier zwei Möglichkeiten:
a) Wir haben es hier mit der Perry Rhodan-Version der Krege-Übersetzung des Herrn der Ringe zu tun. Der Versuch einer „hippen“ zeitgemäßen Neuübersetzung lässt den vielleicht auch etwas puristischen Kennern der Materie die Haare, Finger- und Zehennägel zu Berge stehen. Beim Versuch der Modernisierung passen der Sprach-Duktus und die Wahl des Vokabulars nicht zum angestrebten Zeitalter. Die Handlung und mit Abstrichen der Weltenbau und die Charaktere bleiben dieselben und erhalten. Was dabei verlustig geht, ist die Stimmung, die Sprachfärbung des fremden und damit auch exotischen Zeitalters. Die Atmosphäre und damit der Leser, der auf Immersion und Atmosphäre wert legt, leiden.
b) Die Zielgruppe wurde vollkommen falsch kommuniziert. Gehen wir ganz an den Anfang dieses Artikels zurück und betrachten wir den Aspekt des Neulesers*. Wenn ich nun diesen Roman als Jugendroman (zur Not YA) betrachte, dann kann ich auf einmal mit dem Text leben. Und zwar so, wie er ist. Die Strangeness der Perry Rhodan EA ist für einen frisch und unterbelastet an das Thema Herantretenden zu groß, wenn man hier die Maßstäbe der EA anlegt. Da muss man entweder sehr, sehr viel im Vorfeld erklären oder die Welt näher an den Erfahrungsschatz des Neulesers* heranholen.
Mit diesem Ansatz kann ich persönlich leben und auch den Roman genießen. Auch wenn ich ein offenbar verknöcherter Mittelalt-Leser bin. Eine erschreckende Selbsterkenntnis. Zukunft sei mir willkommen. Lassen wir die Kirche im Dorf und seien wir offen für Neues und Neue.
Ich bin doch irgendwie am Haken und gespannt, wie es weitergeht.
Die Punktevergabe
Immersion (max. 4 Punkte für einen Roman, der einen die Zeit vergessen lässt): Bei diesem Punkt kann man die Punkte nach Leseerlebnis oder benötigter Zeit vergeben. Egal wie ich es wende, ich lande hier bei 2 Punkten.
Der Sense-of-Wonder-Anteil (max. 2 Punkte): Das Thema ist fast schon klassisch und der Einstieg folgt dabei den vorangegangenen Mini-Serien. Auch wenn es nicht ganz meine Kernkompetenz ist und der Übergang durchs Portal sehr klassisch ist, vergebe ich solide 1,5 Punkte. Neugierig bin ich dann doch.
Die Zyklushandlung (max. 2 Punkte), bzw. der übergeordnete Spannungsbogen:
Ich muss sagen, die Ankündigungen und Texte im Vorfeld haben mir Lust auf dieses Abenteuer gemacht. Auch wenn die Atmosphäre gelitten hat, vom Weltenbau, den Charakteren und auch der Handlung her habe ich nichts auszusetzen und vergebe vollverdiente 2 Punkte. Die überzeugen mich, auch wenn es etwas den Charme eines Rohdiamanten hat.
Die Leistung des Autors, d. h. Sprache und Ausdruck (max. 2 Punkte): Das hier ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Entweder war es für eine andere Zielgruppe als kommuniziert gedacht oder Ben Calvin Hary hat beim Sprachduktus und der Wortwahl gehörig daneben gegriffen. Oder es ist wirklich die Rohfassung ins Korrektorat gelangt. Wie man es auch dreht und wendet: Das war keine Glanzleistung. Mehr als 0,5 Punkte kann ich vor meinem Gewissen hier nicht verantworten.
In Summe sind das dann 6 von 10 Punkte.
Das ist nicht berauschend, wenn man auf volle 10 Punkte gehofft hat, aber knapp bestanden ist bestanden, auch wenn mit einer Schramme. Ich sehe da einen Rohdiamanten, auch wenn mir bei genau dieser Instanz der Schliff fehlt.
Ich kann an dieser Stelle Interessierten nur empfehlen, schaut in die Leseprobe(n) und gebt der Miniserie eine Chance, es sind noch alle Möglichkeiten offen und die Zutaten stimmen meiner Meinung nach.
Und für alle, die noch ein Interview mit dem Autoren hören wollen – er stand uns im Podcast Rede und Antwort.
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Wertung
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