Die Erde in einer postapokalyptischen Zukunft.
Zur Handlung
Im Jahr 2292 ist der größte Teil der Erde zerstört und verödet. In den Ruinen der einstigen Zivilisation regiert das Chaos. Exterminatoren, angetrieben durch ihren vermeintlichen Gott ZARDOZ, ziehen mordend über das Land und löschen die Schwachen der Gesellschaft – die sogenannten Brutalen – gnadenlos aus. Einmal im Jahr erscheint ZARDOZ in Gestalt eines riesigen fliegenden Kopfes mit geöffnetem Mund und lehrt seine Jünger: „Die Waffe ist gut!“ Doch eines Tages ändert sich der Auftrag. Statt zu töten sind die Jäger nun angehalten, ihre Beute als Bauern zu versklaven. Doch die Exterminatoren nehmen die Befehle „Gottes“ nicht mehr fraglos hin.
Als die nächste Ernte geopfert wird, schleusen die Untertanen ihren Anführer Zed ein, indem sie ihn unter dem Getreide verstecken. Das Innere des Götzen ist allerdings alles andere als göttlich, sondern entpuppt sich als eine hoch fortschrittliche Maschine, gesteuert von einem jungen Mann namens Arthur Frayne. Außer sich vor Wut tötet Zed den Betrüger. Ohne Führung setzt das seltsame Vehikel zur Landung an und so gerät der Killer in eine für ihn unvorstellbare Szenerie. Abseits der Außenwelt hat sich die überlebende Elite ein Utopia erschaffen, in dem es weder Hunger, Leid, noch Schmerz gibt. Doch das schöne Leben hat einen entscheidenden Nachteil: die Unsterblichkeit! So sehnen immer mehr geplagte Seelen den Tod herbei und sehen in Zed einen Messias, der ihnen Erlösung verheißt…
Rezension von Zardoz
Als Sean Connery 1971 seinen letzten Bond Film, Diamantenfieber abgedreht hatte, blieben die Engagements zunächst aus. Da kam ihm das Angebot zu einem ungewöhnlichen Filmexperiment namens Zardoz gerade recht, für das er immerhin zweihunderttausend Dollar Gage kassierte. Bei einem Gesamtbudget von nur rund 1,5 Millionen Dollar war das eine immense Summe. Dafür lebte der Star dann bis zum Drehende im Haus des Regisseurs John Boorman (Beim Sterben ist jeder der Letzte, Excalibur) in den irischen Wicklow Bergen, wo der Film letztlich auch zu großen Teilen entstand. Die beiden wurden gute Freunde, eine Tatsache, die vielleicht bei den eigenartigen Vorgaben des Drehbuchs auch bitter nötig waren. Denn Connery sollte den größten Teil des Films in einer knallroten, windelartigen Shorts, sowie mit Patronengurten um die Schultern gelegt herumlaufen, die aus Budgetgründen aus Damenstrümpfen hergestellt worden waren. Für den ehemaligen Bodybuilder und typisch maskulinen James Bond- Darsteller muss diese Tatsache zunächst nicht ganz einfach zu verdauen gewesen sein. Doch was im Verlauf der Dreharbeiten folgte, etwa das Tragen eines Brautkleides, oder das Ziehen eines Holzkarrens bergauf, war sogar für den hartgesottenen Profi zu viel. Laut Boorman waren stundenlange, mit Engelszunge geführte, Gespräche die Folge, die schließlich dazu führten, dass die Szenen gedreht wurden.
Doch nicht nur die witzige Produktionsgeschichte macht Zardoz zu einem der abgedrehtesten Werke der 70er Jahre. Gewisse Skurrilitäten sind wir aus der verrückten Zeit der End- 60er bis Mitt- 70er Jahre ja zuhauf gewöhnt. Egal ob Kubriks Uhrwerk Orange (1971), Fassbinders Welt am Draht (1973), Phase IV (1974) von Saul Bass, oder Roger Cormans Death Race 2000 von 1975. Sie alle zeichnen sich durch geradezu irrwitzige Ideen aller Couleur aus und wirken bisweilen, als hätten sich Regisseure und Kameraleute etwas zu viel LSD eingeworfen. Der hier besprochene Streifen toppt in Sachen Visualisierung allerdings alles. Das Set- und Kostümdesign schwankt irgendwo zwischen billig und ideenreich psychedelisch-hippiemäßig. Das wirkt auf unsere CGI-verwöhnte Generation oftmals unfreiwillig komisch, um nicht zu sagen trashig.
Wer sich aber traut, einen Blick hinter diese altbackene Fassade zu werfen und sich auf die interessanten Denkansätze Boormans einzulassen, erlebt ein narrativ-experimentelles Filmkunstwerk, dem durchaus Anleihen bei Stanley Kubriks Erzählweise anzumerken sind. Das zugrunde liegende Thema erschließt sich dem aufmerksamen Zuschauer bereits im Titel, der ein Zusammenzug der Silbe ZARD von Wi-ZARD und dem Märchenland OZ (zusammen: ZARDOZ) des US-amerikanischen Kinderbuchautors Lyman Frank Baum (The Wonderful Wizard of Oz) ist. Eine kurze, leider aber misslungene, Sequenz zu Beginn versucht sowohl in die dystopische Welt des Jahres 2292 einzuleiten, als auch auf den satirisch gemeinten Inhalt einzustimmen. Die Menschheit einer weitgehend zerstörten Erde hat sich seit Jahrhunderten in zwei Gesellschaftsformen aufgeteilt. Als Elite treten die „ewig Lebenden“ auf, die sich nach der Zerstörung der Erde ein kleines Utopia erschaffen haben. Durch die Entwicklung des „Tabernakels“ – eine wissenschaftliche Meisterleistung der Genetik – ist es ihnen gelungen, Unsterblichkeit zu erlangen. Sie leben in der Dekadenz eines vermeintlichen Paradieses, während der Rest der menschlichen Bevölkerung in den Trümmern und Wüsten dahinvegetiert und dem brutalen Kampf ums Überleben ausgesetzt ist.
Die barbarischen Strukturen der Außenwelt werden mittels eines simplen, aber wirkungsvollen Tricks, aufrecht erhalten. Ein Teil der Bevölkerung, „Exterminatoren“ genannt, wird von einer vermeintlichen Gottheit namens ZARDOZ mit Waffen versorgt, um die schwächere Gruppe der „Brutalen“ zu jagen und zu töten. Zunächst als Populationskontrolle gedacht, verändert sich der Auftrag der Auserwählten nach Jahrzehnten des Abschlachtens unvermittelt. Von nun an sollen die Gejagten als Sklaven im Getreideanbau dienen, die Ernte sei „Gott“ zu opfern. Es ist völlig klar, dass hier eine Allegorie auf die moderne Gesellschaft der 70er Jahre angedacht wurde, die sich immer stärker in Reich und Arm zu spalten drohte. Die vorausschauende Ironie dieser erschreckenden Vision erschließt sich, wenn man bedenkt, dass derzeit zweiundsechzig Menschen zusammen mehr Vermögen besitzen, als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Insofern sind einige der im Film angerissenen Thesen heute also vielleicht aktueller, als je zuvor.
Denn auch philosophische Fragen wie der Wunsch nach Unsterblichkeit infolge des wissenschaftlichen Fortschritts werden im Ansatz diskutiert. Unverhohlen warnt Boorman vor den möglichen Folgen. Was, wenn die genetische Forschung ein Allheilmittel erfände und das Leben bis ins Unendliche verlängern könnte? Wer könnte sie erlangen und was würde sie kosten? Und noch wichtiger: können wir Menschen psychisch mit ihr umgehen, oder spaltet sich die Gesellschaft, wie im Film, in ewig Lebende Dekadente, Apathische, die dem Leben nichts mehr abgewinnen können und Abtrünnige, die nicht sterben können, aber den Tod herbeisehnen?
Antworten werden uns, ähnlich wie 2001 – Odyssee im Weltraum, als dessen Nachfolger sich Zardoz sah, allerdings nicht geboten. Wie im großen Vorbild werden Gedankengänge und Thesen nebeneinander gestellt, so dass es voll und ganz dem Zuschauer überlassen bleibt, in den Diskurs zu treten. Das ist einerseits ein mutiger Regie- und Drehbuchansatz, den ich mir in der heutigen Science Fiction öfter wünschen würde (was nicht heißt, dass es ihn nicht mehr gibt, siehe Arrival). Andererseits misslingt das Gedankenexperiment aber auch partiell. Ähnlich, wie zu viele Köche einfach den Brei verderben, ist es hier die verkopfte, aber eben unausgearbeitete Aneinanderreihung verschiedenster Themengebiete, die mich hier und da resigniert die weiße Fahne schwenken lassen. So ergibt sich zuweilen das Bild eines intellektuellen Filmemachers, der dem Zuschauer in möglichst wenig Zeit möglichst viel seiner verquerten Weltsicht aufzwingen möchte. Dennoch ist dieses Stück Arthouse Kino für mich auch heute noch ein beeindruckendes Erlebnis, dass mich nach wir vor zum Nachdenken zwingt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Obwohl ich den Schinken also mag, ist er schwer für mich zu empfehlen. Das scheint nicht nur mir so zu gehen, denn bis heute scheiden sich die Kritiker-Geister an Zardoz. Für die einen inhaltlich ein Geniestreich, ist er für andere Trash pur. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Wer sich voll und ganz an die Optik moderner Blockbuster gewöhnt hat, wird wahrscheinlich schreiend an den Wandschrank, in den Keller, oder die Garage laufen, um den Vorschlaghammer (oder den Bunsenbrenner) zu suchen. Diese Reaktion wäre absolut verständlich, aber auch schade. Denn nicht viele Streifen bieten so viel Material zum Nachdenken, wie dieser. Zahlreiche in den Raum geworfene Thesen bieten eine gute Diskussionsgrundlage und haben nach wie vor ihre Berechtigung. Was an Budget fehlte, machte Kameramann Geoffrey Unsworth, der schon bei 2001 – Odyssee im Weltraum das Stativ in der Hand hielt, mit Ideenreichtum wett. Davon abgesehen sind die schauspielerischen Leistungen über jeden Zweifel erhaben. Sean Connery zeigt sich routiniert professionell und führte die meisten Stunts selbst aus. Die britische Schauspielerin Charlotte Rampling brilliert als Consuella und bringt nebenbei eine gewisse Erotik ein. Der Charakterdarsteller John Alderton stellt sich zudem für die zynische Rolle des Friend als genau die richtige Wahl heraus. Aber macht Euch vielleicht selbst ein Bild.
persönliche Bewertung: 4(+)/6
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