Mit X-Men wurde endgültig bewiesen, dass ein neues Zeitalter für Superheldenverfilmungen anbrach.
Das Erwachen eines Mutanten
Zur Zeit der Nazis wird der junge Erik Lehnsherr von seinen Eltern in einem KZ getrennt. Beim Versuch, sie zu erreichen, erwachen in ihm seine besonderen Fähigkeiten und er verbiegt ohne Kontakt den Metallzaun, der ihn von seiner Familie trennt. Doch bevor er damit erfolgreich sein kann, wird er von einer Wache mit dem Gewehrkolben bewusstlos geschlagen.
In der Gegenwart findet eine Anhörung im Kongress statt. Der Senator Robert Kelly ist gerade dabei, den Mutant Registration Act durchzukriegen, wodurch jeder Mutant gezwungen wäre, sich zu registrieren. Jean Grey, ihrerseits eine Mutantenexpertin, versucht vergeblich, ihre Argumente vorzubringen.
Beobachtet wird dies von einem älter gewordenen Erik Lehnsherr. Als er sich abwendet, spricht ihn sein alter Freund Professor Charles Xavier an. Dieser ist auf Seiten der Menschen und verteidigt sie. Doch Magneto, wie der KZ-Überlebende sich jetzt nennt, hat kein Interesse an einer friedlichen Koexistenz.
Gute Freunde
Derweil erwachen in der jungen Marie D’Ancanto ihre Mutantenkräfte. Sie absorbiert mit bloßem Körperkontakt die Lebensenergie und Kräfte anderer Leute, darunter auch die ihres Freundes. Deshalb flieht sie nach Kanada, wo sie in der Provinz einen Mann kennenlernt, der sich Wolverine nennt.
Dieser ist ebenfalls ein Mutant mit Schnellheilungskräften und Metallklauen. Als er sie als blinden Passagier bei sich im Wagen entdeckt, kümmert er sich um sie. Doch unterwegs werden die beiden von Sabretooth, einem Helfer von Magneto, angegriffen. Rettung kommt in letzter Sekunde, als Cyclops und Storm eingreifen.
Sie bringen die beiden zu Charles Xaviers Mutantenschule. Dort wird ihnen angeboten zu bleiben, derweil die X-Men versuchen herauszufinden, was Magneto vorhat. Rogue selbst wird Schülerin an der Akademie und kommt mit den Mitschülern bestens klar. Vor allem der eismanipulierende Bobby Drake wird ihr ein guter Freund.
Ein perfider Plan
Gleichzeitig wird Senator Kelly von den Magneto-Anhängern Mystique und Toad entführt. Er dient als Versuchskaninchen für eine von Erik Lehnsherr erdachte und angetriebene Maschine, die aus ihm, dem Menschen, einen Mutanten machen soll. In der Tat erhält Robert Kelly besondere Fähigkeiten, mit denen er fliehen kann. Sein Ziel ist die Akademie von Charles Xavier, wo er Hilfe sucht.
Rogue besucht eines Nachts Wolverine, als dieser Albträume hat, und wird von ihm, als er panisch aufwacht, von seinen Krallen erstochen. Sie absorbiert seine Heilkräfte und kann sich regenerieren, wobei er selbst allerdings davon bewusstlos wird. Später wird ihr von Bobby Drake erzählt, das Charles Xavier wegen der Tat wütend auf sie sei und sie besser weglaufen solle, was sie auch tut.
Doch in Wahrheit war dies ein Trick von Mystique. Sie, die die Gestalt verändern kann, hat das Aussehen von Bobby Drake angenommen, um sie von der Schule wegzulocken. Das dadurch entstandene Chaos nutzt sie, um die mutantenaufspürende Maschine Cerebro zu sabotieren.
Geschwächt, aber nicht bereit aufzugeben
Wolverine kann Rogue aufspüren und mit ihr reden. Doch sie laufen damit in eine Falle von Magneto, der Logan ausschalten und Rogue entführen kann. Versuche von Professor Xavier, Cyclops und Storm, ihn und seine Männer aufzuhalten, scheitern.
Später versuchen die X-Men herauszufinden, was Magnetos Plan ist. Sie kommen dahinter, dass er Rogue benutzen will, damit sie seine Maschine antreibt. Denn anhand von Robert Kellys Erinnerungen sehen sie, wie sehr der Betrieb dieser Magneto geschwächt hat. Doch bevor sie aufbrechen können, wird zunächst Xavier durch den sabotierten Cerebro ausgeschaltet und der Körper des Senators stößt die ihm aufgezwungene Mutation ab und verflüssigt sich komplett.
Geschwächt, aber nicht bereits aufzugeben, finden die X-Men heraus, dass Magneto an der Freiheitsstatue aktiv werden will. Sie brechen dorthin auf und kämpfen gegen Mystique, Toad und Sabretooth, die sie nach und nach besiegen können. Doch Magneto ist zunächst zu stark für sie. Ihn können sie erst niederringen, nachdem Rogue seine Kräfte absorbieren musste und die Maschine in Gang gesetzt wurde. Zum Glück kann Wolverine diese zerstören und Anna dazu bringen, seine Heilkräfte zu absorbieren, wodurch alles gut wird.
Ein großes Wagnis mit langer Vorgeschichte
Am Ende erholen sich Wolverine und Charles Xavier. Logan bricht auf, um einem Hinweis auf seine Vergangenheit nachzugehen, derweil Charles Erik besucht, der in einer Zelle aus Plastik sitzt. Mystique konnte übrigens fliehen und hat das Aussehen und Leben von Senator Kelly angenommen.
Im Vergleich zu Blade war X-Men ein großes Wagnis. Denn anders als bei dem Vampirjäger wurde hier dieses Mal keine unbedeutende Comicfigur als Vorlage genommen, sondern eine der beliebtesten Comicserien von Marvel Comics. Die noch dazu erst vor ein paar Jahren in den 1990ern eine bekannte und berühmte Zeichentrickserie hatte, die sogar über mehrere Seasons hinweg lief. Es stand also von Beginn an deutlich mehr auf dem Spiel.
Dazu muss man wissen, dass eine Verfilmung der Comicreihe bereits seit Mitte der 1980er-Jahre im Gespräch war. Im Laufe der Zeit beschäftigten sich Firmen wie Orion Pictures oder Carolco Pictures damit, ehe 1994 20th Century Fox die Filmrechte kaufte. Und selbst dann dauerte es immer noch, bis die eigentliche Produktion überhaupt in die Gänge kam.
Wenn Pläne sich ändern
Es gab im Laufe der Zeit viele verschiedene Skriptversionen und Regisseure. So sollte Paul W. S. Anderson, der kurz zuvor das Videospiel Mortal Kombat verfilmt hatte, auf den Regiestuhl. Doch der lehnte ab und drehte stattdessen den Horrorfilm Event Horizon. Am Ende wurde Bryan Singer gewählt, der 1997 den Posten übernahm und danach erst mal die Stephen King Story Der Musterschüler fürs Kino adaptierte, derweil am Drehbuch gearbeitet wurde.
Nach einigen Änderungen am Skript wurde schließlich der Release des Films auf Weihnachten 2000 gelegt. Nur um dann später um ein paar Monate vorverlegt zu werden. Denn bei Fox war eine Lücke im Filmereleaseschedule entstanden, als Steven Spielberg nicht wie ursprünglich geplant seinen Film Minority Report für das Releasefenster Juni 2000 drehte. Stattdessen hatte er sich dazu entschieden, bei A.I. Künstliche Intelligenz Regie zu führen. Das hieß für Bryan Singer, dass er mit den Dreharbeiten sechs Monate früher als gedacht fertig werden musste, obwohl das Drehen an sich zeitlich bereits später anfing.
Immerhin konnte X-Men auf einen ansehnlichen Cast blicken. Getragen von Patrick Stewart (Jean-Luc Picard aus Star Trek: The Next Generation) als Professor Xavier und Ian McKellen (Der Musterschüler) als Magneto wurde eine Ansammlung vieler Stars zusammengecastet, die damals ihren Durchbruch feierten oder kurz vorm selbigen standen. Wolverine wurde durch den zu jener Zeit unbekannten Australier Hugh Jackman dargestellt, derweil Halle Berry die wettermanipulierende Mutantin Storm wurde. Die Niederländerin Famke Janssen, die bereits als Xenia Onatopp in James Bond: Goldeneye für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, wurde Jean Grey. James Paul Marsden wurde ihr Freund Scott Summers, derweil Schauspielveteran Bruce Davison den Antagonisten Senator Robert Kelly darstellte. Für Rebecca Romijin, die als die gestaltwandelnde Mutantin Mystique gecastet wurde, war es die erste größere Rolle, während Ray Park, der bereits als Darth Maul in Star Wars Episode I für Furore gesorgt hatte, den Charakter Toad übernahm. Anna Paquin sagte für ihre Darstellung als Rogue sogar eine andere Rolle ab, derweil der ehemalige Wrestler Tyler Mane als Sabretooth den Cast abrundete.
Eine gute Nachricht, kein Flop
Der Dreh verlief überwiegend reibungslos. Wobei Bryan Singer sich am Set problematisch aufführte und Drogen nahm. Kevin Feige, der Associate Producer, wurde ans Set geflogen, um ein Auge auf den Regisseur zu haben. Ebenso wurde Singer später auch beschuldigt, Minderjährigen im Austausch gegen Sex Rollen verschafft zu haben.
X-Men war zur damaligen Zeit erst der zweite große Film, der auf einer Lizenz von Marvel Comics basierte. Angesichts des Chaos der Vorproduktion hätte es vermutlich niemanden verwundert, wenn der Kinofilm gescheitert wäre. Doch das Gegenteil war der Fall. Der Streifen spielte mit 296,3 Millionen Dollar die Produktionskosten mehr als nur ein und war auf ganzer Linie ein Erfolg. Die Kritiken waren auch überwiegend positiv.
Aus der heutigen Perspektive und mit dem Wissen, dass auf den ersten X-Men-Film noch viele weitere folgten, kann man den Erfolg auch nachvollziehen. Man kann von Bryan Singer halten, was man will, aber er hat es geschafft, innerhalb von 100 Minuten eine spannende Geschichte zu erzählen. Wobei der Streifen für viele Beteiligten, allen voran Hugh Jackman, der große Durchbruch wurde.
Ein hohes Handlungstempo
Und um das mal zu betonen: Der Film hat eine Runtime von 100 Minuten, was im Vergleich zu heutigen Superheldenfilmen wie Avengers: Endgame nichts ist. Letzterer lief schließlich 181 Minuten und schaffte es problemlos, allen Figuren gerecht zu werden.
Die kurze Laufzeit hat zur Konsequenz, dass das Handlungstempo des Films enorm hoch ist. Innerhalb der ersten zehn bis 15 Minuten sieht man die tragische Kindheit von Magneto, die Wiederbegegnung in der Moderne zwischen ihm und seinem Freund Charles Xavier, das Erwachen der Mutantenkräfte von Rogue sowie ihre Flucht nach Kanada und den ersten Auftritt von Wolverine. Und X-Men behält das Tempo die ganze Zeit bei. Es gibt zwar Ruhemomente, aber in denen kommt man nicht wirklich zum Reflektieren, weil bereits das nächste große Ereignis vorbereitet wird.
Dabei dreht sich der Film vor allem um die Beziehungen zwischen zwei Paaren. Einmal zwischen Magneto und Charles Xavier und einmal zwischen Wolverine und Rogue. Und das merkt man dem Kinofilm auch an, da die jeweiligen beteiligten Darsteller die besten und meisten Szenen erhalten.
Eine gute Damsel in Distress
Patrick Stewart und Ian McKellen sind die gegensätzlichen Pole eines Magneten. Bei Stewarts Rolle merkt man den unbedingten Glauben an das Gute im Menschen, weshalb er auch darum kämpft. Ian McKellen ist, nicht zuletzt durch die Vergangenheit seines Charakters bedingt, das komplette Gegenteil. Sobald beide auftreten, dominieren sie die jeweilige Szene. Was bei solchen Schauspielgiganten kein Wunder ist.
Hugh Jackman ist Wolverine! Dieses Fazit musste man damals nach dem ersten Film fällen. Er schafft es problemlos, den grimmigen Einzelgänger mit einem Herzen aus Gold glaubwürdig darzustellen. Dabei spielt er die Rolle derart intensiv, dass einem noch heute beim Zuschauen eine Gänsehaut überläuft.
Anna Paquins Rogue ist für die Figur Logan der perfekte Gegenpol, weil er sich um sie kümmert und sie so aus der Reserve lockt. Sie ist nur eine Damsel in Distress, die aufgrund ihrer Fähigkeiten in Gefahr gerät. Doch schafft sie es, die Unschuld ihrer Figur so in den Vordergrund zu spielen, dass man ihr dieses Manko gerne verzeiht.
Schmückendes Beiwerk
Doch der Fokus auf diese Charaktere hat einen Nachteil. Alle anderen Figuren haben es schwer, dagegen anzukommen. In fast allen Fällen gelingt es keiner einzigen Figur, sich zu entwickeln!
Besonders heftig hat es Halle Berry getroffen, die unter einer doch lächerlich aussehenden weißen Perücke oft genug nur schmückendes Beiwerk ist. James Marsden als Cyclops kriegt zwar ein wenig mehr zu tun, schafft es allerdings nicht, sich und seine Figur weiterzuentwickeln. Am besten hat es noch Famke Janssen getroffen, die als Jean Grey in ein Liebesdreieck zwischen Wolverine, Cyclops und ihr selbst verwickelt ist. Gleichzeitig hat sie auch Momente, in denen ihr Charakter glänzen kann. Etwa, als sie sich selbst Cerebro aufsetzt.
Auf der Gegenseite sieht es im Vergleich allerdings noch deutlich trüber aus. Tyler Mane als Sabretooth hat genauso viel Schauspieltalent wie ein Baumstamm und wirkt wie die wandelnde Langeweile. Ray Park als Toad hat zwar sichtlich Spaß, erhielt jedoch nur wenige Szenen, in denen er auftrat. Und Mystique? Sieht man von der noch heute unglaublich aufwendigen Ganzkörpermaske Rebecca Romijins ab, scheint sie nicht nur über gestaltwandelnde Fähigkeiten zu verfügen, sondern ebenso über Teleportation, da sie manchmal an komplett entgegengesetzten Orten zu sehen ist. Allen dreien ist gemein, dass man nichts über ihre Persönlichkeit erfährt und sich ihre Figuren auch nicht wirklich weiterentwickeln.
Über Treue und Untreue zu den Comics
Anders sieht es bei Senator Robert Kelly aus. Bruce Davison versteht sich darauf, einen glaubwürdigen populistischen Politiker darzustellen, dessen Wandlung von Saulus zu Paulus nachvollziehbar ist. Die Szene, in der er dann stirbt, ist übrigens der reinste Horror im positiven Sinne, wobei sie einem gleichzeitig aber auch zu Herzen geht.
Was X-Men allerdings hauptsächlich auszeichnet, ist seine Treue zu den Comics, ohne sich allzu detailliert an diese zu halten. Klar ist natürlich, dass die Namen, Kräfte und Fähigkeiten der Figuren 1 zu 1 aus der Vorlage stammen. Aber ebenso stammt das Liebesdreieck aus Jean Grey, Scott Summers und Logan aus der Welt der bunten Bilder. Was auch für die Freundschaft zwischen Charles Xavier und Erik Lehnsherr gilt. Sehr schön ist dabei, dass Letzterer zwar der eindeutige Antagonist ist, aber er aufgrund seiner Vergangenheit Sympathien beim Zuschauer erweckt. Was ebenfalls aus den Comicheften her stammt.
Wo sich der Film aber deutlich unterscheidet, sind die Kostüme. Unvergessen ist noch heute der Spruch von Cyclops, ob Wolverine gelbes Latex erwartet hat, was eine Anspielung auf das Outfit Logans in den Comics ist. Doch mit den Lederkostümen wurde ein markanter Look erschaffen, der die X-Men-Filme auf lange Zeit hinweg prägte und unverwechselbar machte.
Der Einfluss auf die Vorlage
Und das hatte auch Auswirkungen auf die X-Men-Hefte selbst. Als Grant Morrison 2001 die Kernserie übernahm, wurden in allen Serien die Kostüme auf einen movieähnlichen Look umgestellt. Wobei dies nur ein paar Jahre später wieder rückgängig gemacht wurde. Ebenso wurde das Mandat ausgegeben, Wolverines Aussehen mehr an Hugh Jackman zu orientieren, was zu einigen Komplikationen führte. Ebenfalls wurde probiert, den distinktiven Look von Mystique in die Comics zu überführen. Doch der Versuch hielt nicht lange an.
Ganz große Klasse ist der Soundtrack, der aus der Feder von Michael Kamen stammt. Der Produzent schaffte es unter erheblichen zeitlichen Druck, viele Musikstücke zu erschaffen, die einem noch nach Jahren im Ohr bleiben. Allen voran das Main Theme von X-Men ist grandios!
Auch die Special Effects sind gut gealtert. Anders als noch bei Blade gibt es jetzt keine eindeutige Momente, wo man das Alter des Films merkt. Im Gegenteil: Vor allem die Morphsequenz von Mystique sieht heute ebenfalls noch unfassbar gut aus.
Mit X-Men war klar, dass die Superheldenverfilmungen sich endgültig etabliert hatten. Der Erfolg sprach für sich. Und heute? Durch den Kauf von Fox durch Disney warten Fans des MCUs darauf, dass die Mutanten irgendwann endlich neu verfilmt werden. Doch in der geplanten vierten Phase der Marvelfilme kann man etwas Derartiges noch nicht erwarten. Evtl. in der Fünften dann?
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