Was gibt es heute noch über etwas zu sagen wie Star Trek: Das nächste Jahrhundert?
Was kann man über ein Thema schreiben, das in Sachen Science-Fiction solchen Einfluss hatte. Je nachdem wie man es nimmt, beginnt hier für Science-Fiction und Fernsehen ein neues Jahrhundert.
Star Trek wird 1987 neu erfunden
Es werden neue Wege ausprobiert und das Nächste Jahrhundert soll Star Trek an neue Grenzen bringen. “Mission Farpoint” ist dabei der Auftakt einer Ära. Die Produktion als Pilotfilm in zwei Teilen gibt der Geschichte einen noch schroffen und improvisierten Look. Charaktere und Kulissen wirken wie ungeschliffene aber ambitionierte Skizzen ihres späteren Selbst.
Im Jahr 2020 wirken die Anfänge dieser Serie (in den USA im Jahr 1987 erschienen) wie aus der Zeit gefallen, gefüllt von vorne bis hinten mit Exposition, auf Biegen und Brechen mit der Einführung der Crewmitglieder. Diese fallen hier besonders ins Auge. Überstrahlt werden alle anderen von zwei Personen, auf der einen Seite der Captain der neuen Enterprise der Galaxy-Klasse, Jean Luc Picard. In der Auseinandersetzung mit dem denkbar mächtigsten aller Gegenspieler, dem unmöglichen Q. Patrick Stewart und John de Lancie wirken in Sachen des Schauspiels und der Darstellung wie Leuchttürme zwischen dem eher blassen restlichen Cast.
Doch dabei bleibt es keinesfalls. Neben dem Wettkampf der beiden um den Thron des besten Schauspielers in diesem Pilotfilm entspinnt sich zwischen den Kontrahenten ein Kampf zwischen zwei Prinzipien. Captain Jean Luc Picard verteidigt die Prinzipien der Sternenflotte in dem Ansinnen der Menschheit und der gesamten Föderation, auch noch die letzten Grenzen der Unendlichkeit zu überwinden. Die Doktrin des humanistisch aufgeklärten Menschen, der sich frei nach Storm nicht mal im Tod von einem Allmächtigen zum Knecht degradieren lassen würde, schwingt in jeder Reaktion des Captains mit.
In diesem Kampf um die eigenen Prinzipien bringt Q die Besatzung der Enterprise und deren Captain nicht nur einmal an ihre Grenzen. Er führt sie vor und verurteilt die Menschheit vor dem Hintergrund ihrer bestialischen Geschichte. Q tritt als Gott auf und entscheidet in seiner Arroganz, dass die Föderation an ihre Grenze getroffen sei. Einem Punkt, an dem es der Föderation nicht gestattet werden darf, weiter vorzudringen. In unendlicher Arroganz konfrontiert Q den Zuschauer mit einer Kernangst der Menschheit.
In bester Science-Fiction-Manier zeigt Mission Farpoint eine Angst der Gegenwart in der Projektion auf eine ferne Zukunft. Was passiert, wenn wir in der Entwicklung unserer Spezies nicht weiterkommen? Ebenso panisch, wie man diese Frage in der Philosophie diskutiert, reagiert auch die Besatzung der Enterprise, sie kämpft gegen einen allmächtigen Feind im Wohl und Weh seiner Barmherzigkeit ausgesetzt.
Die Autoren, in Person Gene Roddenberry, geizen aber keinesfalls mit einer Antwort oder einem Urteil. Die Zwickmühle der Enterprise, dem Urteil Qs ausgesetzt, lässt sich zuletzt nur durch etwas lösen, das einfacher nicht sein kann. Im Praktizieren der hehren Ziele der Föderation neues Leben im Universum zu entdecken und zu erforschen, liegt hier die Antwort. Recht deutlich liegt uns die Antwort vor den Füßen, der einzige Ausweg aus der verfahrenen Situation ist am Ende Entwicklung. Etwas Unbekanntem zu begegnen, ihm unvoreingenommen gegenüberzutreten und sich am Ende nicht in Gewalt und Krieg zu verlieren, sondern Neues zu erkennen und anzunehmen.
Das hinterlässt bei Fans und Neulingen eine Wirkung, gerade im mitteleuropäischen Raum wirkt die Erzählung wie ein immer gültiger Ratschlag für die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte. Gene Roddenberry klagt an, lässt Picard vor eine Wand laufen und versöhnt mit einem wunderschönen Ende.
In diesen 90 Minuten schafft es der Cast den TOS Fan in mir anzusprechen, aber auch mir so viele neue Dinge zu versprechen, dass ich nach dem Abspann direkt Lust bekomme, die nächsten Folgen laufen zu lassen. Das ist ungewöhnlich, denn nur wenige Folgen der TNG habe ich so oft gesehen wie diese beiden.
Was man dem Piloten vorwerfen muss, ist das Charakterdesign und die oft laienhafte Darstellung der restlichen Crew. Sie wirken allzu bemüht, sich aus der Masse abzuheben. Hier muss sich nicht nur jede Schauspielerin und jeder Schauspieler Kritik gefallen lassen, hier hätte seitens Regie und Produktionsteam auch gegengesteuert werden können.
Seitens der eigentlichen Produktion kämpft “Mission Farpoint” auch mit weiteren Problemen. Die im deutschen Sprachraum zuerst veröffentlichte VHS-Version scheint noch einmal geschnitten worden zu sein. In der mittlerweile am besten verfügbaren Version moderner Streamingplattformen tauchen Szenen aus der späteren TV-Version des Piloten auf, welche unangenehmerweise noch einmal komplett anders lokalisiert wurden. Zumal hier auch recht zusammenhanglos Szenen eingefügt sind, diese wirken wie aus der Luft gegriffen und fehl am Platz.
Audiovisuell kann man hier nur staunen, was in der HD-Remaster (2012 beginnend) erreicht wurde, Effekte und Belichtung wirken wesentlich lebhafter und realer. Besonders augenscheinlich wird dies bei Einsatz von Stuntmen und Matte-Paintings, diese erkennt man nun offensichtlicher und sie reißen den Zuschauer aus der Illusion anstatt ihn hinein zu ziehen.
An der musikalischen Untermalung des ersten Abenteuers der neuen Enterprise D gibt es qualitativ nichts auszusetzen, ebenso Sounds und Geräusche vermitteln ein Gefühl der Realität. Hier sind es wieder die 30 Jahre Fernsehgeschichte und Sehgewohnheiten, die es zu langatmig und tragend machen. Die orchestralen Untermalungen und der langsame Schnitt, die ewig laufenden Vorbeiflüge und Szenenwechsel können mit modernen Effektgewittern nicht mithalten. Das mag Neulinge abschrecken, für mich als Fan ist es, als würde ich einen alten Freund besuchen.
Es fühlt sich wie „nach Hause kommen“ an. Die Lust am Entschleunigten ist etwas, das Star Trek in den 2000er- und 2010er-Jahren abhandengekommen ist. In meinen Augen muss es so sein. Für Neulinge kann es ermüdend wirken und sie am weiterschauen hindern.
Mein Fazit zu “Mission Farpoint”
“Mission Farpoint” lädt seine Zuschauer ein, verspricht ihnen viel und versucht, Fans der TOS zu begeistern. Der Inhalt ist damals wie heute brandaktuell. Schauwerte und Produktion wirken für den einen angenehm und klassisch, für den anderen eher abschreckend und zu altbacken. Gene Roddenberry deutet mit “Mission Farpoint” an, was TNG in seinen stärksten Momenten sein kann, zeigt aber auch, was mehr als 30 Jahre zwischen Veröffentlichung und der zeitgenössischen Sehgewohnheit bedeuten. Es ist der Beginn etwas Großem, was Fernsehen im Allgemeinen, Science-Fiction und Star Trek im Speziellen verändern wird. Es ist bei der Rezeption von Star Trek: The Next Generation ein absolutes und unausweichliches Muss.
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