Schwarze Elben? Wo gibt es denn sowas? Na, in Ringe der Macht. Und die sorgen ganz schön für Gesprächsstoff.
Hat sich schon jemand über die spitzen Ohren der Filmelben aufgeregt, obwohl Tolkien das in seinen Geschichten nie erwähnt?
Friedhelm Schneidewind hat sich mit mir einmal intensiv über vermeintliche oder tatsächliche rassistische Stereotypen in Tolkiens Werk unterhalten. Und da werde ich jetzt gerne nerdig, wenn es angeblich darum geht, sich bei Hautfarben unbedingt an das Original halten zu müssen – meist von Leuten, die bei Elben an Legolas von Peter Jackson denken und das Silmarillion nie gelesen haben.
Der Herr der Ringe ist eine Geschichte im Dritten Zeitalter. Das Silmarillion umfasst die Jahrtausende zuvor. Die Charaktere und Völker sind im Herrn der Ringe wesentlich stereotyper und massentauglicher dargestellt, als in der umfassenden und nicht einfach zu lesenden Gesamtgeschichte.
Die Elben im Silmarillion sind keineswegs nur „gut“. Nicht wenige unter ihnen sind machtgierig, brutal, arrogant, eitel und, nun ja, rassistisch. Ihre Schattenseiten werden zum Beispiel deutlich, als Thingol sich dagegen stemmt, dass seine Tochter Luthien den Menschen Beren zum Mann nimmt. Deswegen schickt er Beren los und verspricht ihm die Hand Luthiens, wenn er ihm einen Silmaril aus Melkors Eisenkrone nimmt. Er selbst möchte sich die Hände nicht dreckig machen, geht aber davon aus, dass Beren dieses Himmelfahrtskommando nicht überlebt.
Bei den Hobbits ist „Ringe der Macht“ näher an Tolkien als Peter Jackson. Unter den drei Gruppen der Hobbits sind nur die Falbhäute hellhäutig. Sie leben in Steinhäusern, sind größer als die anderen, haben einen Flaumbart und werden oft mit Menschenkindern verwechselt. Sie sind die kleinste der Gruppen. Die Haarfüße, und das sind die Hobbits in „Ringe der Macht“, sind kleiner und haben eine dunklere Haut. Dazu zählen die meisten Hobbits. Die Starren sind eine Mischung aus den beiden anderen, oft untersetzt und mit lockigen Haaren. Ihre Haut ist mal heller, mal dunkler.
Bei den Elben gibt es viel Spielraum für Interpretation. Die drei Urelbenvölker sind zwar hellhäutig und hellhaarig (Vanyar), hellhäutig und dunkelhaarig (Noldor) und zumindest manchmal silberhaarig (Teleri). In der großen Wanderung und späteren Wanderungen entstanden aber diverse Gruppen der Elben, die sich kulturell unterschieden und wiederum in diverse Untergruppen aufspalteten (Meerelben, Grauelben, Küstenvolk, Grünelben, Waldelben, Verlassene, Nandor, Avari, Windan, Hwenti, Kinn-La etc, etc, etc.).
Jetzt ein Gedankenspiel. Auch eine fantastische Welt darf bisweilen logisch sein. Die Gondorianer nennen bei Tolkien die Menschen aus dem Süden in Weit-Harad Swertings (Schwärzlinge), weil diese eine wesentlich dunklere Haut haben als sie selbst.
Hauttypen sind eine Anpassung an die Aufnahme von Vitamin D. Helle Haut entwickelte sich primär dort, wo durch lange dunkle Winter ein Vitamin D Mangel besteht (Hauttyp I-III), durchgehend dunkle Haut in den Tropen, wo die Sonneneinstrahlung über das Jahr hinweg gleich bleibt (Hauttyp VI). In Regionen mit trockenen sonnenreichen Sommern und ausgeprägten Jahreszeiten mit trüben Wintern bildete sich der mediterrane Hauttyp IV (nicht nur in der Mediterranis, sondern auch in klimatisch ähnlichen Regionen wie Südafrika): Eine helle bis hellbraune / olivfarbene Haut, die im Sommer schnell gleichmäßig durchbräunt, oft verbunden mit dunklen Haaren.
In einem fantastischen Realismus wäre es geradezu albern, wenn die zersplitterten Elbengruppen, die sich über ganz Mittelerde ausbreiteten, keine (!) Unterschiede im Phänotyp entwickelt hätten. Gerade da, wo Tolkien keine diesbezüglichen Aussagen macht, gibt es einen erheblichen Raum für Diversität.
Mythen und Epen Nordwesteuropas in ihrer frühmittelalterlichen Erzählform waren zwar für Tolkien als Linguisten lesbar, für die allermeisten von uns aber auch in Übersetzung in moderne Sprache unlesbar. Sein großer Verdienst bestand gerade darin, diese Quellen in eine im 20. Jahrhundert verständliche Form zu übertragen. László Matthias Simon schreibt zu Recht: Ein Mythos, der nicht an die Zeit angepasst wird, ist kein Mythos. Das gilt auch für Tolkien selbst.
Gastautor: Dr. Utz Anhalt
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„ein Mythos, der nicht an die Zeit angepasst wird, ist kein Mythos“ Sorry aber die Aussage ist hier absolut unzutreffend und in dem Kontext, sogar beleidigend. Das darf auf keinen Fall die Rechtfertigung dafür sein, das man Tolkien sein Vermächtnis derart vergewaltigt. Das betrifft nicht nur die wokeness sondern die absolut realitätsfernen Abwandlungen. Viele Grüße