In I Want Your Cray Cray wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen.

Kein großer Handlungsfortschritt

Jessicas (Krysten Ritter) Mutter Alisa (Janet McTeer) erinnert sich. Sie hatte den Unfall, der die Leben ihres Mannes und ihres Sohnes kostete, schwer verletzt überlebt. Sie wurde von Karl Malus (Callum Keith Rennie) und Leslie Hansen bei IGH behandelt. Diese Behandlung gab ihr außergewöhnliche Kräfte, verstärkte allerdings ihre Stimmungsschwankungen. So sehr, dass sie unberechenbar wurde.

Das Leben von Jessica selbst ist derweil alles andere als schön. Sie und ihre Pflegefamilie die Walkers haben sich auseinandergelebt. Trishs (Rachael Taylor)  Karriere als Popstar steht kurz vorm Durchstarten, doch ist sie den Drogen verfallen. Und die Mutter (Rebecca De Mornay) des angehenden Stars ersäuft ihren Frust darüber, dass sie von ihrer Tochter als Agentin gefeuert wurde, im Alkohol. Doch dann ändert sich für Jessica alles, als sie sich verliebt. Nur, dass ihr Geliebter selber Dreck am Stecken hat.

Wer in I Want Your Cray Cray den großen Handlungsfortschritt erwartet, der wird enttäuscht sein. Wenn überhaupt, dann ist dieser eher minimal. Dennoch ist dies eine Folge, die für den großen Plot dieser Season wichtig ist.

Zwei Erinnerungen in einer Folge

Dass dieser relative Gesamthandlungsstillstand durchaus in Ordnung ist, liegt aber auch daran, dass die zweite Staffel 13 Episoden umfasst. Was mehr als genug Möglichkeiten bietet, die Gesamthandlung so weiterzuentwickeln, dass das Entwicklungstempo passt. Und bislang konnte man der Jessica Jones-Serie nicht vorwerfen, dass sie diesbezüglich geschlampt hat.

I Want Your Cray Cray, benannt nach dem Song der Trishs Popstarkarriere starten soll, ist dabei im Prinzip zwei Erinnerungen in einer Folge. Zum einen kriegt man die von Jessicas Mutter mit. Und zum anderen sieht man, wie es Jessica selbst in jener Zeit ging. Beide sind gleichermaßen interessant, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Bei Jessicas Mutter wird das Interesse dadurch erzeugt, dass man sie zum ersten Mal persönlich kennenlernt. Bislang war sie nur eine Randgestalt, die Leute in Verbindung mit der IGH umbrachte. Jetzt hingegen erfährt man, was mit ihr geschehen ist, wieso sie dies tut und was ihre Verbindung mit Dr. Karl Malus ist.

Glücklich?

Man erlebt in I Want Your Cray Cray eine Frau, die durch den Unfall alles verloren hat. Nicht nur ihr früheres Leben und den Kontakt zu ihrer ebenfalls überlebenden Tochter. Sondern auch ihr Aussehen. Zwar hat sie dafür im Gegenzug ähnliche Kräfte wie Jessica erhalten. Doch ist ihre emotionale Kontrolle noch schlechter als die ihrer Tochter, mit der Konsequenz, dass sie absolut unberechenbar ist und in ihrer Wut sogar Leute umbringt. Etwas, was sie dann später entsetzt und so erneut unter die Kontrolle von Karl Malus bringt.

Die Jessica, die man in dieser Episode kennenlernt, ist völlig anders, als die, die man aus der Handlungsgegenwart her kennt. Klar, es gibt Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise, dass sie sich um ihre Schwester Trish sorgt und dass sie besondere Fähigkeiten hat. Aber diese Jessica ist bei weitem noch nicht so sarkastisch und versoffen, wie man sie von den bisherigen Folgen her kennt.

Es ist eine Jessica, die in I Want Your Cray Cray glücklich ist. Die einen netten Mann kennenlernt, mit ihm um die Häuser zieht und, um ihn zu beeindrucken und glücklich zu machen, sogar Sachen für ihn stiehlt. Diese Beziehung, so bedenkenswert sie mitunter inszeniert wird, lässt sie stabil wirken.

Eine zweifelhafte Beziehung

Und doch streut Jessica Jones auch gewisse Zweifel ein, ob die Beziehung zu Stirling Adams, wie der Mann heißt, wirklich die richtige ist. Es gibt zum einen einige Leute, denen er Geld schuldet. Und zum anderen sind da ebenfalls Szenen, wo er sie zu manipulieren scheint, damit sie ihm einen Gefallen tut. Fakt ist allerdings, dass er sie glücklich macht, etwas, was man bislang so noch nie in dieser Form gesehen hat.

Die Trish Walker, die man in I Want Your Cray Cray kennenlernt, ist ebenfalls völlig anders, als die aus der Handlungsgegenwart. Damals war sie keine Radiomoderatorin mit Ambitionen, sondern ein angehendes Popsternchen. Die allerdings an die vollkommen falschen gerät und droht, in die Drogensucht abzutauchen. Der Unterschied zwischen damals und heute ist bei ihr krass. Denn damals wirkte sie unsicher, auch wenn sie dies versucht zu übertünchen. Die Unsicherheit ist im Prinzip in der Handlungsgegenwart ebenfalls da, nur wesentlich besser versteckt. Aber die Ereignisse von damals erklären sehr gut, wieso sie in der Gegenwart wieder der Drogensucht verfällt. Und lassen für die Zukunft schlimmes erahnen.

Enden tut die Episode damit, dass Jessica in der Handlungsgegenwart ihre Mutter umhaut und dafür von Karl Malus betäubt wird. Es ist ein gutes Ende, dass einen neugierig auf die kommende Folge macht. Wobei diese hier sehr gelungen ist.

Info

Drehbuch: Hilly Hicks Jr.
Showrunner: Melissa Rosenberg
Regie: Jennifer Getzinger


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Götz Piesbergen
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