Das Schicksal der Menschheit steht in Interstellar auf dem Spiel.
Carl Sagan ist Schuld!
Christopher Nolan war und ist einer von Hollywoods erfolgreichsten Regisseure. Sei es Oppenheimer, The Dark Knight oder Memento – der Filmemacher hat ein Händchen dafür, aufregende und unterhaltsame Filme zu drehen. So auch Interstellar, der 2014 in die Kinos kam.
Der Film galt und gilt auch heute noch als ein Meisterwerk der Science-Fiction. Regelmäßig landet er in diversen Bestenlisten und wird immer wieder von verschiedenen Leuten empfohlen oder auf YouTube en Detail analysiert. Ob dieses Lob gerechtfertigt ist, finden wir jetzt im Folgenden heraus.
Die „Schuld“ an der Existenz von Interstellar kann man im Prinzip dem legendären Astronomen Carl Sagan zuschreiben. Denn er war es, der versuchte, die Produzentin Lynda Obst und dem theoretischen Physiker Kip Thorne miteinander zu verkuppeln. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen wurden sie „nur“ Personen, die immer wieder zusammenarbeiten. Sei es bei der Verfilmung von Carl Sagans einzigem SciFi-Roman Contact (1997). Oder als sie basierend auf Kip Thornes Ideen ein Szenario erschufen, in dem die außergewöhnlichsten Ereignisse des Universums auf einmal dem Menschen zugänglich werden. Sie begannen im Juni 2006 mit der Entwicklung des Materials und schafften es sogar, das Interesse von Steven Spielberg zu wecken. Im Juni 2007 wurde Jonathan Nolan, Christopher Nolans Bruder, angeheuert, um das Drehbuch zu schreiben.
Die Wissenschaft siegt!
Doch wie es im Filmgeschäft üblich ist, verlief auch diese Produktion nicht geradlinig. So verlegte Steven Spielberg sein Produktionsstudio DreamWorks 2009 von Paramount zu den Walt Disney Studios, womit das Filmprojekt auf einmal ohne Regisseur dastand. Zum Glück konnte Jonathan seinen Bruder Christopher davon überzeugen, diesen Posten zu übernehmen. Und so trat er 2012 dem Projekt bei. Er erschuf auch ein eigenes Skript, welches er dann später mit dem seines Bruders verschmolz.
Die beiden Nolans arbeiteten lange an dem Drehbuch zum Film. Vor allem Jonathan brauchte vier Jahre, um aus der Idee ein fertiges Skript anzufertigen. Diese Zeit war jedoch keine vergeudete, da der Drehbuchautor in diesen Jahren ausgiebig recherchierte. Gleichzeitig ließen sich beide bei der Arbeit an Interstellar von verschiedenen Filmen inspirieren. So waren unter anderem Metropolis, 2001: A Space Odyssey, Blade Runner, Star Wars und Alien Inspirationsgrundlage. Ebenso sollte Andrei Tarkovskys Der Spiegel das Spiel mit den Elementen beeinflussen.
Als wissenschaftlicher Berater stand Kip Thorne dem Team zur Seite. Zu Beginn der Produktion stellte er zwei Richtlinien auf: dass erstens nichts gegen die etablierten Gesetze der Physik verstoßen würde und dass zweitens alle wilden Spekulationen aus der Wissenschaft entstehen würden und nicht dem Verstand des Drehbuchautors entspringen sollten. Christopher Nolan stimmte den Vorgaben zu, solange sie nicht seiner Art Filme zu machen in die Quere kommen würden. Eine Anekdote besagt, dass Kip Thorn einmal zwei Wochen lang mit dem Regisseur gestritten hat, weil der unbedingt eine Person schneller als das Licht reisen lassen wollte. Der Physiker hatte diese Meinungsverschiedenheit gewonnen.
In Sachen Besetzung von Interstellar hatte Christopher Nolan von Anfang klare Vorstellungen. Als Hauptdarsteller wählte er Matthew McConaughey aus, der Joseph „Coop“ Cooper darstellte. Hauptdarstellerin Anne Hathaway, mit der er in The Dark Knight Rises zusammenarbeiten sollte, lud er zu sich nach Hause ein, wo er ihr das Skript zum Lesen gab. Sie wurde zu Dr. Amelia Brand. Jessica Chastain, die Jospeph Coopers erwachsene Tochter „Murph“ spielen sollte, drehte gerade Miss Julie in Irland und ihr wurde das Drehbuch persönlich zugestellt. John Litgow wurde zu ihrem Filmgroßvater Donald, derweil Michael Caine, der schon oft mit Christopher Nolan zusammengearbeitet hatte, den Zuschlag für die Rolle von Professor John Brand erhielt. Coops Sohn Tom wurde von Casey Affleck dargestellt, während Timothée Chalamet zu dem 15-jährigen Tom wurde. Wes Bentley und David Gyasi wurden zu weiteren Crewmitgliedern des Raumschiffes Endurance, derweil Bill Irwin die Roboter TARS und CASE sprach und lenkte. Topher Grace wurde zu Getty, dem Kollegen der erwachsenen Murph, derweil Matt Damon die wichtige Rolle von Dr. Mann erhielt.
Es gilt, die Menschheit zu retten
Irgendwann in der Mitte des 21. Jahrhunderts: Die Erde wird für die Menschen langsam nicht mehr lebenswert. Die einzige Nahrungspflanze, die noch wächst, ist der Mais. Und der wird von einer beständigen, immer wiederkehrenden Trockenheit und Staubwolken bedroht.
In dieser Zeit lebt der ehemalige NASA-Pilot Joseph „Coop“ Cooper. Er ist Witwer, der sich gemeinsam mit seinem Vater um seine Kinder, die intelligente „Murph“ und seinen eher bodenständigen Sohn Tom kümmert. Doch dann plagen Geister seine Tochter, die einen Hinweis auf eine geheime Forschungsstation der NASA liefern. Dort angekommen wird Coop auf der Stelle zum Lazarus-Programm rekrutiert. Dies verfolgt zwei Ziele: zum einen entweder eine Lösung für die Probleme der Menschheit finden oder auf einer entfernten lebenswerten Welt eine neue gründen. Coop trennt sich nur ungern von seinen Kindern, erklärt sich jedoch unter der Bedingung bereit, dass so er wenig Zeit wie möglich im All verbringt. Ein Versprechen, das dank eines gigantischen Schwarzen Lochs nahezu unmöglich zu halten ist.
Ein audiovisuelles Spektakel
Eins muss man Interstellar und Christopher Nolan lassen: Der Film ist ein audiovisuelles Spektakel. Man wird von dem, was man sieht und hört, in den Bann gezogen. Und das trotz der Tatsache, dass der Kinofilm seine deutlichen Schwächen hat.
Die Ausgangslage wird gut dargelegt. Man erlebt ein Amerika, das stellvertretend für die Erde steht und wo die Leute mit der einfachen Existenz kämpfen. Die Erklärung, dass nur noch Mais als Grundnahrungsmittel existiert und sich auch hier eine Katastrophe ankündigt, wird glaubwürdig rübergebracht. Es ist also kein Wunder, dass nahezu jeder ums Überleben kämpft.
Gleichzeitig wird auch angedeutet, dass die Welt von Interstellar eine Post-Faktische ist. In der wird Murph dafür abgestraft, dass sie an die Apollo-Missionen glaubt, ihre Lehrer allerdings nicht. Schade ist, dass das im Film nur gestreift und nicht weiter ausgebaut wird.
Sympathieträger #1
Von Anfang an ist Matthew McConaughey der Hauptsympathieträger, ein ehemaliger NASA-Pilot, der zum Farmer wird und dann später wieder zum Piloten. Es ist dabei vor allem die Liebe zu seinen Kindern, allen voran zu seiner Tochter Murph, die ihn antreibt. Wiederholt versucht er die Zeit, die er im Laufe seiner Mission verbringt, so gering wie möglich zu halten. Was aber trotzdem nicht verhindert, dass er aus der Entfernung mit ansehen muss, wie seine Kinder älter werden, selber Kinder kriegen und Familienmitglieder sterben. Zu sehen, wie er darauf reagiert, zählt zu den emotional stärksten Momenten des Kinofilms.
Und doch geht Interstellar nie so weit, zu tief in die Dramakiste zu greifen und die Tränendrüsen des Zuschauers zu sehr zu attackieren. Der Film hält hier eine feine, aber auch gute Balance zwischen den zwischenmenschlichen Momenten, allerdings ebenfalls zu den Augenblicken, wo es um die Wissenschaft und die Lazarus-Mission geht.
Letzteres sind dabei ebenso eigentlich die Momente, in denen der Film wirklich glänzt. Weil man hier auch merkt, dass sich hier überwiegend an die harten wissenschaftlichen Fakten gehalten wird. So landet Coop mit einigen seiner Endurance-Kollegen auf einer Wasserwelt, auf der durch den Einfluss eines nahen riesigen Schwarzen Loches, welches Gargantuan genannt wird, die Zeit langsamer vergeht, als auf der im All zurückbleibenden Endurance. Und eben durch die Gravitation des Schwarzen Lochs entstehen hier Monsterwellen, die kilometerhoch sind und ein Crewmitglied töten.
Ein wahnsinnig guter Wahnsinniger
Es ist faszinierend und zugleich brutal, wenn man sieht, mit wie vielen Misserfolgen die Lazarus-Mission zu kämpfen hat. Wobei der Höhepunkt sicherlich die Eiswelt ist, auf der die Endurance-Crew einem Notsignal folgt und Dr. Mann aus dem Cryoschlaf holt, der jedoch durch all die Jahre der Einsamkeit vollkommen verrückt geworden ist.
Diese Szenen, in denen Matt Damon mitspielt, sind der definitive Höhepunkt von Interstellar. Es ist klar, dass er den Verstand verloren hat, was schon allein durch sein Gebrabbel und seine eigenen Rechtfertigungen für seine Taten deutlich wird. Und doch, auch wenn seine Taten eigentlich nicht zu rechtfertigen sind, schafft es der Film, dass man sogar so etwas mit Mitleid mit ihm empfindet. Weil man nachvollziehen kann, dass all die Jahre auf dieser lebensfeindlichen und einsamen Welt ihn so haben werden lassen.
Sehr schön ist auch, dass der Film darauf verzichtet, Anne Hathaways Dr. Amelia Brand zum Love Interest von Coop zu machen. Stattdessen haben wir es mit einer eigenständigen und intelligenten Frau zu tun, der die Mission, das Weiterleben der Menschheit zu sichern, am wichtigsten ist. Was man auch sehr am Ende des vorletzten Teil, dem Auftakt zum letzten Akt des Films, sieht, wo das Raumschiff Endurance durch Dr. Mann extrem beschädigt worden ist und sie, als sie und Coop wieder an Bord sind, als Erstes nach den tiefgefrorenen Embryonen guckt. Bei ihr ist allerdings schade, dass ihre Beziehung zu ihrem Vater nie nennenswert thematisiert wird. Stellenweise wirkt es fast so, als ob man es hier mit zwei namensgleichen Fremden zu tun hat.
„Kleinigkeiten“
Die Ereignisse auf der Erde sind dann schon mehr melodramatisch. Man sieht, wie Murph als Wissenschaftlerin Teil der Mission wird und von Michael Caines Dr. Brand die Forschung an einer wichtigen Formel erbt. Bei ihr wird dabei stets die Frage thematisiert, wie es ihrem Vater geht, nach dem sie sich sehnt. Sie hofft, dass er bald zurückkehrt, muss allerdings bald realisieren, dass das nicht geschehen wird. Was sich für sie in Interstellar wie Verrat anfühlt.
Mit den beiden Robotern TARS und CASE wurden zwei Protagonisten erschaffen, die sich durch ihr eckiges Design dem Zuschauer einprägen. Es würde mich nicht wundern, wenn die beiden so ikonenhaft werden, wie zum Beispiel R2-D2 aus Star Wars. Beide sind für den Erfolg der Lazarus-Mission essentiell, werden allerdings nicht nur als bloße Diener der Menschen präsentiert.
Interstellar ist zu 90 % ein sehr guter Film, bei man nur Kleinigkeiten monieren muss, wie beispielsweise, dass Michael Caines Figur am Ende ihres Lebens genauso aussieht, wie zu der Zeit, als er Coop rekrutiert. Oder wenn die Gespräche auf einmal meinen, dass Liebe eine universale Kraft ist, die Zeit und Raum überbrückt. Oder die Existenz des Geists im ersten Akt, der dafür sorgt, dass die Handlung überhaupt erst Fahrt aufnimmt. Oder dass David Gyasis Professor Romilly den „Quotenschwarzen“ darstellen darf, der dann gegen Ende des zweiten Aktes den Löffel abgibt.
Die Logik bleibt zurück
Doch es ist ausgerechnet der finale Akt, der einem dem Film etwas madig macht. Bis dahin hat er sich weitestgehend an die wissenschaftlichen Erkenntnisse gehalten. Nur um sie dann mit Verve über Bord zu werfen.
Man hat im letzten Akt das Gefühl, dass Christopher Nolan unbedingt hier seine eigene Version von Stanley Kubriks 2001: Odyssey im Weltall drehen wollte. Denn auch er baut den Einfluss höherer Wesen in die Handlung ein, um den Plot des Films abzuschließen und gleichzeitig ebenfalls offene Plotpoints aufzulösen. Dazu gehört sein Auslösepunkt, dass Coop, um die Mission zu retten, gemeinsam mit CASE der Endurance Schub gibt und beide sich dann mit den Shuttles vom Schiff lösen und in das Schwarze Loch Gargantuan fallen. Die wissenschaftliche Logik von Interstellar bleibt zurück und winkt beiden traurig zu, denn sie wird nicht mehr gebraucht.
Denn irgendwie überleben sowohl Coop wie auch CASE den Sturz, werden von den absurd hohen Schwerkraftsverhältnissen im Inneren des Lochs nicht umgebracht, sondern können sogar irgendwie die Geschehnisse der Vergangenheit beeinflussen. Hier herrscht das Melodram und das, was den Film vorher so gut machte, nämlich dass eben dieses zurückgenommen wurde und stattdessen auf harten wissenschaftlichen Fakten basierend gearbeitet wurde, wird komplett ignoriert. Auf einmal wird erklärt, dass Coop der Geist von damals war. Und am Ende liefert er sogar seiner Tochter Murph den entscheidenden Hinweis darauf, wie sie die Menschheit retten kann.
Nur kurz auf Wiedersehen sagen
Wobei es in Interstellar jedoch nicht so bleibt. Denn irgendwie finden er und CASE zurück in die normale Realität, Jahre in der Zukunft. Und Coop kann noch kurz seiner alt gewordenen Tochter Danke und auf Wiedersehen sagen, ehe er sich dann aufmacht, Dr. Brand in der neuen Heimat der Menschheit zu suchen. Dafür, dass vorher soviel Gewese um die Beziehung zwischen Coop und seinen Kindern gemacht wurde, wirkt dies enttäuschend und wie mal eben abgehandelt. Auf einmal ist das nicht mehr so wichtig, was, um es beim Namen zu nennen, einer Farce gleichkommt.
Dieser Einbruch ist schade. Denn wie schon bereits erwähnt, audiovisuell ist der Film umwerfend. Den Soundtrack von Hans Zimmer kann man getrost als ikonisch benennen. Und Christopher Nolan hat sowieso ein Händchen dafür, Bilder zu erschaffen, die sich einem einprägen. Leider trifft das nicht für die Story zu …
Info
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan
Produktion: Christopher Nolan, Emma Thomas, Lynda Obst
Musik: Hans Zimmer
Kamera: Hoyte van Hoytema
Schnitt: Lee Smith
Warpskala
Warpskala- Talion Opus – 02 – Adern (Sylvain Ferret) - 23. Dezember 2024
- Dune: Prophecy – 04 – Zweimal geboren - 23. Dezember 2024
- Die Prinzessinnen – 3 – Hoheitliches Gemetzel (Christian Endres) - 22. Dezember 2024