Norman und Julian haben mit Fandom Germany ein ehrgeiziges Projekt am Start.
Am Star-Wars-Tag hatten wir Gelegenheit, mit den beiden Filmemachern über ihre Dokumentation zur Fanszene in Deutschland zu reden. Julian ist dabei kein Neuling in der Szene und für Norman wird es die Abschlussarbeit. Aber lassen wir doch die beiden selbst über ihr Projekt reden.
Marco: Hallo ihr zwei und danke, dass wir uns heute hier so entspannt treffen können.
Norman: Vielen Dank, dass Ihr uns empfangt.
Julian: Hallo! Ja, vielen lieben Dank für die Einladung und das Interesse!
Marco: Ihr arbeitet gerade an einer Doku rund um die Fanszene in Deutschland. Aber bei den Namen klingelt bei den meisten Lesern sicherlich erstmal nichts. Wollt ihr euch mal kurz vorstellen? Wer seid ihr, wo kommt ihr her?
Julian: Mein Name ist Julian Weinert. Norman und ich haben zusammen Mediendesign bzw. „zeitbasierte Medien“ mit Schwerpunkt Film an der Hochschule Mainz studiert. Wir arbeiten schwerpunktmäßig im Bereich Doku. Das Projekt über Fandoms stammt tatsächlich noch aus unserer gemeinsamen Studienzeit.
Norman: Ich bin Norman Eschenfelder, geboren 1987. Ich bin Familienvater, Informatiker und studiere jetzt in der Filmklasse der Kunsthochschule Mainz, wo wir unser gemeinsames Studi-Projekt (Julian hat seinen Master schon) weiter- und zu Ende führen.
Marco: Die Idee dazu ist also schon ein paar Jahre alt?
Norman: 2016 hatte ich einen Kurs zu Dokumentarfilmproduktion gewählt, während Julian und ich schon an meinem Bachelor-Film zusammen arbeiteten. Zunächst hatte ich ein eher intimes Projekt über meine Großmütter machen wollen, die beide ein bewegtes Nachkriegsleben in Ost- und Westdeutschland hatten. Aber das gestaltete sich schwierig, die Damen hatten die Haare nicht schön, hatten sich nicht filmen lassen wollen und logistisch gestaltete es sich dann wegen meinem damaligen Neugeborenen schwierig. Mein Bekannter Flo und ich, beide große Indiana-Jones-Fans, hatten vor, in Speyer eine Maya-Ausstellung zu besuchen und das taten wir dann in vollem Kostüm, mit Hut und allem. Wir machten dort ein Interview und ich entwickelte das Konzept zu einem Indiana-Jones-Fan-Dokumentarfilm. Ich erzählte Julian davon und er meinte, das sei ja ganz nett, aber da gäbe es doch mehr zu erzählen.
Julian: Richtig. Ich fand das eine tolle Idee, dachte aber: Warum nur Indiana Jones? Warum nicht Porträts anderer Fans und Fan-Organisationen? Und so kamen verschiedene Franchises, die uns interessiert haben, hinzu. Uns war dann auch schnell klar, dass wir einen langen Film machen möchten.
Norman: Natürlich sind wir als Filmemacher von Hollywoods Serien um Star Trek, Star Wars und vielem Anderen beeinflusst. Ich liebe zum Beispiel Zurück in die Zukunft und sammele auch Props anderer Filme.
Julian: Ja, ich war schon immer Cineast und auch begeisterte Leseratte. Andererseits hat uns die Thematik auch aus kulturwissenschaftlicher Perspektive interessiert.
Norman: James Bond in all seinen Iterationen hat mich seit der Kindheit begleitet und Jurassic Park hat mich als Elfjähriger dazu gebracht, meinen ersten Roman zu beginnen. Ich hab also auch Fanfiction geschrieben, was in unserem Film eine wichtige Rolle einnimmt.
Julian: Letztlich haben wir nun das Konzept eines Dokumentarfilms, der sich episodisch mit Fans und Fan-Organisationen verschiedener Film- und Buch-Reihen beschäftigt. Außerdem interviewen wir Medienwissenschaftler:innen, die sich mit Fan-Forschung in dem Bereich beschäftigen. Konkret geht es nun um Star Wars, Star Trek, Sherlock Holmes, Harry Potter, Indiana Jones und Perry Rhodan.
Marco: Okay, das ist ja enorm. Da habt ihr jetzt gleich drei weitere Fragen beantwortet.
Julian: Das Konzept eines Chat-Interviews ist auch irgendwie effektiv.
Marco: Warum hat es dann aber doch so lange gedauert, wenn die Idee schon von 2016 ist?
Julian: Wir haben im Jahr 2017 erste Drehs als Studierende durchgeführt, dann aber gemerkt, dass wir das nicht just for fun und komplett ohne Förderung weitermachen können. 2018/2019 kam dann Geld durch die Nachwuchsmedienförderung und wir konnten weitere Drehs realisieren.
Norman: Filmproduktion ist und bleibt ein teures Hobby. Man muss Ausrüstung, Logistik, Personal, Catering und vieles bedenken. Rechtefragen.
Julian: Und dann kam 2020 und die Pandemie … Die hat uns natürlich sehr gebremst. Andererseits konnten wir uns für eine Förderung durch die Kulturstiftung RLP bewerben, was dann tatsächlich auch geklappt hat. Dadurch können wir das Projekt noch etwas größer aufziehen. Allerdings muss man bedenken, dass die Produktion immer noch sehr Low Budget und just for fun in dem Sinn ist, dass ich davon nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Andererseits haben wir große künstlerische Freiheit, da wir nicht für eine große Firma oder einen Fernsehsender arbeiten.
Norman: Ja, es geht uns um mehr, wir machen das Projekt aus tiefer Überzeugung und haben einen humanistischen und progressiven Ansatz. Als meine Tochter 2019 zur Welt kam, da machte ich mir ganz neue Gedanken zur Welt und zur Verantwortung und das zieht sich durch alles. Wir machen den Film nicht nur zum Spaß, sondern um die Welt auch ein Stück zu bereichern.
Julian: Richtig. Uns geht es nicht nur darum, Fans und Conventions zu zeigen. Wir beschäftigen uns sehr mit den Themen Kultur und Community. Was fasziniert Menschen an fantastischen Welten und wie bildet sich um diese Faszination eine eigene Kultur?
Norman: Die Geschichten, die wir erzählen, haben eine ungemeine Kraft. Sie tragen unser kollektives Wissen und unsere Ansichten und Gedanken. Wir Menschen sind von den Geschichten geprägt, die man uns erzählt und die wir weitertragen. In der Welt von Star Trek gibt es seit Beginn in den frühen 1960ern diese große Diversität. Verhärtete Fronten, die im damaligen Kalten Krieg den Alltag bestimmten, waren von dieser Serie niedergerissen. Der erste Kuss zwischen einem Weißen und einer afroamerikanischen Frau im Fernsehen …
Marco: Ihr habt schon 2017 mit den ersten Drehs angefangen, aber Pandemie, Privatleben und die Finanzen haben für Verzögerungen gesorgt. Wie ist denn augenblicklich der Stand? Ist noch viel zu drehen oder geht es fast nur noch um die Nachbearbeitung?
Julian: Wir haben noch einige Interviews geplant, ansonsten stehen noch Spielszenen als Hommage an die originalen Franchises an. Und tolle Animationen werden wir auch noch produzieren und einbauen. Wir möchten den Sommer und Herbst über alles abdrehen, um dann in die Postproduktion einzusteigen.
Norman: Unser Team von Animator:innen hat uns gerade ein paar Frames der Zeichentrick-Szenen geschickt, an denen sie arbeiten. Das ist eine echte Augenweide.
Julian: Ich möchte auch gerne noch anmerken, dass eine längere Produktionszeit für einen Dokumentarfilm, der nebenberuflich(!) und mit geringem Budget entsteht, nicht ungewöhnlich ist. Das ist sozusagen unser Herzensprojekt. Wobei es ja auch Normans Diplomfilm wird.
Marco: Ist eure Riege so weit voll und ihr müsst nur noch drehen, oder sucht ihr in bestimmten Bereichen noch Gäste?
Julian: Nee, da haben wir jetzt soweit alles geplant und vorbereitet. Oder übersehe ich was?
Norman: Ein paar Interviewpartner warten teils seit Jahren darauf, endlich dran zu sein. *lacht*
Julian: Wir hoffen allerdings, dass die Perry Rhodan-Convention überhaupt wird stattfinden kann.
Norman: Wir wurden auf die GarchingCon eingeladen und nachdem nun auch das Oktoberfest abgesagt wurde, bin ich vorsichtig pessimistisch.
Julian: Mit einer Fan-Organisation stehen wir allerdings in Kontakt, mit denen werden wir so oder so drehen.
Norman: Ja, stimmt, ob dort oder woanders. Wir sind als so kleines Team auch sehr agil und können schnell reagieren und uns den Gegebenheiten anpassen. Wir freuen uns schon auf die nächsten Drehs. Gerade habe ich mit Julian und meinem alten Filmprofessor gesprochen, der im Unruhestand ist und sich freut, mit uns in den kommenden Wochen zu drehen. Prof. Bunne ist ein Tonmeister alter Schule.
Marco: Ihr habt Förderung angesprochen. So ein Projekt stemmt sich ja nicht so ohne Weiteres, ihr habt euch für Crowdfunding entschieden. Was war da ausschlaggebend?
Norman: Wir hatten immer viel Wert darauf gelegt, unabhängig zu sein, und das ist man am ehesten, wenn man sich von niemandem mit Geld vereinnahmen lässt und dann eine Agenda bekommt, die vielleicht nicht die eigene ist.
Julian: Wir dachten, dass die Community aus Fans ja vielleicht Lust hat, das Projekt zu unterstützen. Dann kann jeder dazu beitragen, am Schluss neue Einblicke in sein Franchise und die jeweilige Fanszene zu bekommen.
Norman: Es ist zum einen auch Bewerbung des Projekts und auch schon ein erster Vertriebskanal, da man schon für 15 Euro einen Sichtungs-Link nach Fertigstellung erhalten wird.
Zum anderen haben wir vor, noch etwas in einen professionellen Off-Sprecher, ein tolles Poster und Design sowie die angesprochenen Spielszenen zu investieren, für die wir auch viele Objekte und Kostüme selbst entwerfen und bauen. Jeder Euro landet auf der Leinwand. Oder kommt durch die Boxen!
Julian: Genau, die weitere Förderung soll uns helfen, da sehr hochwertig arbeiten und das Projekt fertigstellen zu können.
Norman: Ich weiß, dass ich das Projekt ohne Julian nie so weit gebracht hätte, aber fertig werden wir, schließlich ist das Ding unser „Baby“ und ich muss auch irgendwann einmal mit dem Abschluss fertig werden.
Marco: Klingt einleuchtend. Wir finanzieren uns ja auch über so etwas Ähnliches und sind somit unabhängig von Klickzahlen oder eben Sponsoren. Steht und fällt das Projekt damit oder dient es quasi nur dazu, um die Qualität zu steigern?
Julian: Die Förderung durch StartNext wird uns helfen, die Qualität zu steigern und alles so umzusetzen, wie wir uns das vorstellen. Sollte es nicht klappen, wäre das sehr tragisch.
Norman: Ohne Soundtrack, ohne tollen Sprecher und Spielszenen. Das wäre allerdings tragisch. Das mag ich mir gar nicht ausmalen.
Marco: Um es mit einem Beispiel zu machen: Ohne StartNext bekommen die Fans den Whedon-Cut, mit StartNext aber den Snyder-Cut?
Norman: Joss Whedon ist total überschätzt. Ich war aber schon seit Dawn of the Dead ein Zack-Snyder-Fan. Ich finde es schade, wenn er auf seine Visualität reduziert wird. Snyders kongeniale 300-Adaption ist ein einziger testosterongeladener Fiebertraum!
Julian: Das unterschreibe ich so nicht. Aber dein Vergleich war schön, Marco.
Marco: Ich bin sehr für den Snyder-Cut. Prinzipiell sollte man Filmemachern freie Hand lassen und sich nicht einmischen. Wir haben oft gesehen, wohin Einmischung von Sponsoren oder Studios führen kann. Ich wünsche euch da alles erdenklich Gute, damit ihr das Ziel erreicht.
Norman: Vielen lieben Dank!
Julian: Vielen lieben Dank!
Marco: Habt ihr sonst noch etwas, das ihr den Lesern mitteilen wollt? Heute ist immerhin auch ein besonderer Tag.
Norman: May the Force be with you.
Julian: Natürlich! Möge die Macht mit euch sein! Lebt lange und in Frieden!
Norman: Und schaut mal auf StartNext vorbei, wenn wir euch begeistern konnten.
Julian: Genau, dort findet ihr auch noch weitere Infos zum Projekt.
Marco: Dann vielen Dank für dieses Interview. Möge die Macht auch mit euch sein.
Zur Website der Doku.
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