Gewalt gab es schon immer in Star Trek. Ist Star Trek trotzdem Familienunterhaltung oder war es das nie?

Seit der Star Trek Picard Folge „Keine Gnade“ wird schwer über den Gewaltgrad in Star Trek geredet. Die einen meinen, Star Trek war immer Familienunterhaltung, andere halten dagegen, dass auch in TNG schon Köpfe explodiert sind.

Es wird teilweise auch damit argumentiert, dass eine gesamte Staffel TOS auf DVD eine FSK von 16 bekommen hat. Stimmt. Aber kann man den Gewaltgrad der neuen Serien mit dem der alten Serien vergleichen?

Ich denke nicht. Und das möchte ich in dieser Kolumne jetzt einfach mal festhalten.

Gehen wir mal zu TOS. Dort haben fast alle Episoden maximal eine Freigabe von 12 – bis auf eine einzige Folge. Diese ist „Schablonen der Gewalt„. Diese hat eine höhere FSK-Freigabe, weil die Thematik als schwerer zu verarbeiten gilt. Es geht dort immerhin um die Nazis. Und natürlich bekommt die gesamte Staffel dann die höchste Freigabe einer Einzelfolge und nicht die niedrigste. Ansonsten war Gewalt in TOS immer nur ein dramaturgisches Element und wurde sehr „unblutig“ dargestellt. Häufig waren die Kämpfe gezwungen, wie z.B. in „Ganz neue Dimensionen“ der Kampf zwischen dem Gorn und Kirk (William Shatner). Daran hat sich auch in den Folgeserien nicht viel geändert.

Sehr beliebt ist die TNG – Folge „Die Verschwörung“ als Beispiel. Hier wurde eine Szene im deutschen TV geschnitten, bei der Picard (Patrick Stewart) und Riker (Jonathan Frakes) auf Lt. Commander Remmick feuern und bei diesem der Kopf explodiert. Die Szene ist auf VHS und DVD enthalten und wurde bei späteren Ausstrahlungen auch gesendet.

Dazu muss man natürlich erst mal wissen: Star Trek ist für das ZDF immer Kinderunterhaltung gewesen. Deswegen wurden solche Szenen natürlich entfernt und teilweise auch ganze Folgen umgeschrieben, wie bei der TOS Folge „Weltraumfieber“ zum Beispiel. Das ändert natürlich die Ursprungsszene und die explizite Gewaltdarstellung nicht. Hier muss man sich anschauen, was in dieser Szene passiert: Remmick ist von einem Parasiten befallen, der seinen Körper steuert. Von ihm geht eine Gefahr aus, denn diese Parasiten können sich relativ unentdeckt vermehren und so die gesamte Sternenflotte unterwandern. Der explodierende Kopf ist nicht die Absicht von Riker und Picard, diese feuern auf den Torso. Die Szene an sich ist nur Sekundenbruchteile lang.

Gewalt in Star Trek
Ein fieser Handflächenschlag

Selbstverständlich gibt es andere Szenen in Star Trek, die eine gewisse Grausamkeit haben. Die Assimilierung von Picard könnte man als Beispiel nehmen oder die Bombardierung des Maquis von Captain Sisko (Avery Brooks). Solche Szenen werden aber in der Regel nur angedeutet. Wir sehen bei der Assimilierung, wie die Borg ihn langsam verwandeln und bei der Bombardierung sehen wir die Einschläge in der Atmosphäre und keine Opfer. Und: Sie sind immer ein Stilmittel, um die Situation bedrohlich wirken zu lassen. Im Kino sah die Gleichung noch einmal ein wenig anders aus, hier hat man in dem einen oder anderen Film auch den Gewaltgrad angehoben – allen voran die geistige Vergewaltigung in Star Trek: Nemesis. Der Film hat trotzdem eine FSK von 12, wie alle anderen Filme auch. Bis auf wenige Ausnahmen sind auch die Serien alle mit einer FSK von 12 verzeichnet. (TOS Staffel 2 und DSN Staffel 7 haben eine FSK von 16)

Das hat sich allerdings geändert. Seit Discovery hat sich Star Trek auch im Bereich der Gewaltdarstellung deutlich gewandelt. In Staffel 2 „Lichtpunkt“ explodieren nicht nur Köpfe, sondern Körper. Kämpfe werden brutaler dargestellt. Das verleiht der Serie natürlich einen höheren Realismus, denn die berühmten „Handflächenschläge“ aus den alten Serien waren einfach nicht überzeugend und sahen mehr nach schlechtem Wrestling aus.

Gewalt in Star Trek
Kurz bevor die Klingonen explodieren

Durch den gesteigerten Realismus steigt auch die Altersfreigabe. Die Klingonen sind nicht zimperlich in ihren Kämpfen und auch die Sektion 31 hat einige fiese Waffen im Arsenal. Generell geht es blutiger und grausamer zu. In meinen Augen ein Zugeständnis an den heutigen Stil in Serien, der von Serien wie Game of Thrones und The Walking Dead beeinflusst wird. Ob dies nötig ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die Hoffnung lag auf Picard, der eine ruhigere Gangart versprach. Fast zu ruhig, wie manche Fans verlauten ließen. Doch weit gefehlt, da werden Romulaner enthauptet und Augäpfel entfernt – ohne Betäubung in Nahaufnahme. Eine Lösung auf die Frage „Warum?“ gibt es nicht. Macht man heute halt so. Und genau da sitzt der Hase im Pfeffer. Während man bei Discovery noch Argumente anbringen konnte wie „Es sind Klingonen“ oder „Es ist Krieg“ hat man dies nicht in Picard. Die überzogene Gewaltdarstellung ist nur dort, um überzogene Gewalt zu zeigen. Das kann man so hinnehmen oder eben nicht.

Aber kommen wir mal zurück zur Familienunterhaltung. Der gesteigerte Gewaltgrad macht aus Star Trek eben keine Familienunterhaltung mehr, aber das war es auch früher nicht. Man konnte sich früher etliche Folgen mit seinen Kindern anschauen, keine Frage. Aber welches Kind versteht die Tragweite der Frage „Wem gehört Data?“ – ich würde sagen, in den 80ern waren das die wenigsten. Und auch heute würde ich nicht behaupten, dass dies eine leichte Frage für Kinder ist.

Ergo: Star Trek war nie „reine“ Familienunterhaltung, war früher für Familien aber besser gemeinsam schaubar.

 

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Marco Golüke

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