Mit Gamera: Guardian of the Universe bricht ein neues Zeitalter für die Riesenschildkröte an.
Ein neuer Beginn
Erinnern wir uns: Gameras Kampf gegen Frankensteins Monster war 1980 der bis dato letzte Auftritt von Daiei Studios eigenem Kaiju-Monster. An dessen Ende opferte sich Gamera, womit in dieser Hinsicht ein vorläufiger Schlussstrich unter weiteren Filmabenteuern der Riesenschildkröte gezogen wurde. Doch so ganz gab man bei dem Studio den Gedanken mit weiteren Filmauftritten der Kreatur nicht auf.
Denn man spielte Jahre später mit der Idee, ein intellektuelles Eigentum aus der Historie des Filmstudios wiederzubeleben. Zunächst sollte Daimajin wiederbelebt werden, dessen ersten und letzten Filmauftritte alle 1966 herauskamen. Doch dann entschied man sich um und beschloss stattdessen, 1995 Gamera wiederzubeleben. Der Grund dafür war ganz einfach: Es wurde festgestellt, dass es mehr Interesse an dem Riesenreptil gab. Was eigentlich auch kein Wunder war, da dieses Wesen deutlich mehr Filme über einen längeren Zeitraum hatte, als Daimajin.
Und dieses Mal war man durchaus bereit, alte Zöpfe abzuschneiden und mit vielen alten Angewohnheiten früherer Teile aufzuhören. So wurde das Skript von Niisan Takahashi, der alle Drehbücher zu den früheren Gamera-Filmen verfasst hatte, abgelehnt, weil es pure Kinderunterhaltung war. Was ja der Großteil der vorherigen Kinofilme ja auch waren. Ebenso stand eine Zeitlang im Raum, Noriaki Yuasa, der viele der Showa-Ära-Filme drehte, zurückzuholen. Doch stattdessen entschied man sich für Shusuke Kaneko, der schon immer bei einem Kaiju-Film Regie führen wollte. Der außerdem bereits früher mit dem Drehbuchautor Kazunori Itō in einem Segment der Horror-Anthologie Necronomicon zusammengearbeitet hatte.
Eine Gefahr für die Menschheit
Das Budget von Gamera: Guardian of the Universe, so der Name des neusten Films, sollte übrigens 4,5 Millionen US Dollar betragen.
Ein Schiff, das Plutonium transportiert, kollidiert plötzlich mit einem frei schwimmenden Atoll. Es ist nicht das erste mysteriöse Ereigniss, weshalb sich schon bald eine Gruppe von Wissenschaftlern daran macht, das Eiland zu erforschen. Sie finden die Überreste einer uralten Zivilisation und eine uralte Steintafel. Doch dann zerstört ein Erdbeben jene Tafel und eine Riesenschildkröte erwacht aus seinem langjährigen Schlummer.
Parallel dazu untersucht die Ornithologin Mayumi Nagamine merkwürdige Ereignisse auf den Goto-Atollen. Ein großer Vogel soll die dortigen Bewohner gefressen haben. Zunächst ist sie bezüglich dieser Aussage skeptisch, stößt dann allerdings sehr zu ihrem Horror auf einen Haufen Fäkalien mit unverdauten menschlichen Überresten. Was sie nicht weiß, ist, dass dieser große Vogel der Grund dafür ist, wieso die Schildkröte erwacht ist. Denn Gao, so der Name der Kreatur, ist eine Gefahr für die Menschheit. Und nur Gamera kann es aufhalten.
Wie schön: Gamera ist Erwachsen geworden
Wenn man Gamera: Guardian of the Universe mit den früheren Filmen der Riesenschildkröte vergleicht, dann bleibt einem am Ende nur ein Fazit: Gamera ist Erwachsen geworden. Der Kinofilm bricht mit vielen Gewohnheiten der vorherigen Teile. Er ist keine Clipshow und im Mittelpunkt des Geschehens stehen dieses Mal keine Kinder, denen alles nachgesehen wird. Es ist also eine wohltuende Abwechslung.
Auch der Tonfall des Films ist völlig anders, als die früheren Abenteuer. Er ist düsterer und ernster geworden. Hier kommen ständig Leute ums Leben, weil sie unter anderem als Futter für Gao dienen. Das war etwas, das hatte es früher, wie beispielsweise in Gaos Erstauftritt Gamera gegen Gaos – Frankensteins Kampf der Ungeheuer“ nicht gegeben.
Es ist ein krasser Unterschied, wenn auch nicht so krass, dass es den Zuschauer abstößt. Im Gegenteil: Viele der menschlichen Tode werden nur angedeutet. Man sieht in einer Szene, wie ein Zug voller Menschen von Gaos angegriffen wird. Darunter auch ein Mann mit einem Kassettenspieler. Ein Schnitt später und es wird gezeigt, wie der Kaiju eben diesen wieder ausspuckt. Was dazwischen geschehen ist, das liegt in der Imagination des Zuschauers.
Jede Menge Überraschungen
Dabei bietet der Film auch jede Menge Überraschungen. So zeigt es sich, dass Gaos nicht der Einzige seiner Spezies ist. Sondern es viele seiner Art gibt, die zwar gegenüber sehr hellem Licht empfindlich sind. Aber ansonsten nicht zu unterschätzen sind. Denn sie haben neue Attacken erhalten, wie beispielsweise eine Art Schallangriff, der dann bei zunehmender Intensität zu einem Strahlenangriff wird. (Die Logik dahinter am besten nicht hinterfragen.)
Und so ist der Konflikt zwischen dem Wesen und Gamera eins auf Augenhöhe. Bei jeder ihrer Begegnungen muss sich die Riesenschildkröte enorm anstellen, um gegen die List und Heimtücke des fliegenden Ungeheuers anzukommen. Denn natürlich ist Gamera am Ende immer noch der Beschützer der Menschheit.
Wobei diese das nicht unbedingt dankbar aufnimmt. Es gibt einen Subplot, der Kritik an Politikern und führend Militärs äußert. Denn diese wollen Gaos einfallen und als Waffe nutzen, mit dem Argument, dass andere Länder das ebenfalls tun würden, wenn sie die Chance hätten. Dass das am Ende natürlich nach hinten losgeht, ist verständlich. Weshalb der Film sich auch nicht sonderlich viel Mühe gibt, diese Figuren irgendwie tiefergehend zu charakterisieren. Stattdessen beschränkt sich die Darstellung darauf, dass sie über weite Teile arrogant auftreten und über andere hinwegsehen. Bis man sie, in ihrer letzten Szene, völlig niedergeschlagen zusammengesackt auf einem Stuhl sitzen sieht, weil ihre Pläne sich so katastrophal entwickelt haben.
Kompetente Helden braucht der Film
Und so liegt der Fokus auf den mehr oder weniger zivilen Helden. Auf die Ornithologin Mayumi Nagamine, auf den Offizier Yoshinari Yonemori, der aber die meiste Zeit ohne Uniform auftritt, auf Asagi Kusanagi und ihrem Vater Naoya Kusanagi. Vor allem Asagi kommt im letzten Drittel des Films eine wichtige Rolle zu. Sie ist das, was früher die Kinder waren, also für die Handlung essentiell. Allerdings dies, ohne dass es forciert oder nervig wirkt.
Interessanter wird vor allem Mayumi Nagamine als äußerst kompetent dargestellt. Nur ein einziges Mal wird sie als eine Damsel in Distress charakterisiert, als sie ein Kind vor Gaos rettet, nur um anschließend selber in eine Notlage zu kommen. Aus der sie wiederum selber gerettet werden muss. Doch ist dies das einzige Mal, wo sie in keinem so guten Licht dargestellt wird. Ansonsten wirkt sie intelligent und besorgt. Besorgt um Gamera, um die Welt und um die Menschen.
Dabei schlägt Gamera: Guardian of the Universe vor allem zu Beginn ein hohes Handlungstempo an. In der einen Szene wird beispielsweise Nagamine noch von dem Polizisten Inspector Osako um Hilfe gebeten. Sie ziert sich etwas, doch bereits in der nächsten Einstellung ist sie auf der Insel. Das Tempo der Handlung verringert sich anschließend etwas, je länger der Film an sich dauert. Aber vor allem der Beginn macht sich dann doch bemerkbar.
Oberflächliche Charakterisierungen na und?
Interessanterweise bleiben die Charakterisierungen auch der Haupthandlungsträger sehr oberflächlich. Nur Asagi und Naoya Kusanagi werden etwas tiefer charakterisiert. Doch was in anderen Filmen stören würde, kann man hier einfach hinnehmen. Denn die Darstellungen gefallen auch so, weil es genügend Elemente gibt, die den Zuschauer fesseln. So entpuppt sich später Asagi als eine Art Medium, dass mit Gamera auf Grund eines von Yoshinari gefundenen Amulett mit Gamera in Verbindung steht. Sie gibt ihm Stärke und auch etwas Leitung, muss dafür allerdings ebenso seine Verletzungen mittragen. Was ebenfalls dafür sorgt, dass man sich um sie sorgt, da man nicht möchte, dass ihr etwas Schlechtes zustößt.
Die Handlung selbst entwickelt sich angenehm unvorhersehbar. Der Plottwist, dass Gaos nicht einer, sondern mehrere Flugkreaturen sind, wurde ja bereits erwähnt. Interessanterweise wird dieses Wesen, genau wie Gamera, nicht als tumbe Kreatur charakterisiert, die einfach nur auf Zerstörung aus ist. Man erfährt im Laufe des Films viele weitere Details über das Wesen, die klar machen, dass es immens gefährlich ist.
Kaiju-Filme haben und hatten noch nie Plots, die preisverdächtig sind. Weshalb dann auch so Anfälle, wie beispielsweise kurz die Umweltverschmutzung einzubauen, irritierend wirken. Weil eben solche Elemente nie so richtig ausgebaut werden. Jedenfalls nicht so, dass sie einen zufriedenstellen. Sie werden nur angesprochen, aber gefühlt nur, weil es gerade opportun erscheint.
Der beste Film
In Sachen Special Effects gibt es Licht und Schatten. Vor allem das Aussehen der Monster, wie beispielsweise die unterschiedlichen Wachstumsstufen Gaos, sind großartig geworden. Aber andererseits sieht man in einigen Szenen auch eindeutig, dass hier Miniaturen verwendet wurden. Etwa als Gamera zum finalen Kampf eilt und dabei eine leerstehende Stadt zerstört. Besonders hier merkt man jedoch, dass diese nur Miniaturen sind, was dann doch enttäuscht.
Am Ende ist Gamera – Guardian of the Universe vielleicht kein Megaklassiker. Aber es ist der beste Film mit der Kreatur seit langem. Es gibt einiges zu kritisieren, doch das ändert nichts daran, dass man hier gut unterhalten wird. Im Prinzip hat damit das Wesen endlich einen Film, mit dem es auf Augenhöhe mit Godzilla interagieren kann.
Was man ebenfalls an den Einspielergebnissen bemerkte: Allein in Japan kamen 6 Millionen US Dollar zusammen. Was genügend war, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen, die dann im darauffolgenden Jahr, also 1996, herauskommen sollte.
Info
Regie: Shusuke Kaneko
Drehbuch: Kazunori Itō
Produzent: Tsutomu Tsuchikawa
Hauptdarsteller: Shinobu Nakayama, Ayako Fujitani, Yukijiro Hotaru
Kamera: Junichi Tozawa
Schnitt: Shizuo Arakawa
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