Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis ist der Auftakt eines langlebigen Kaiju-Franchises.

Eine zweite prominente Riesenechse

Wenn es um das Kaiju-Genre geht, dann ist Godzilla das Maß aller Dinge. Die Riesenechse, die bereits seit den 1950er Jahren in vielen verschiedenen Filmen Abenteuer erlebt hat, ist jedem bekannt. Doch ist sie nicht die einzige Riesenkreatur, die seit Jahrzehnten in dem Genre aktiv ist.

Auch Gamera gehört dazu. Wobei der Name im Vergleich vermutlich deutlich weniger Leuten etwas sagen dürfte, was etwas unfair ist, da die Riesenschildkröte bereits seit den 1960er Jahren in diversen Filmen auftritt und sogar erst letztes Jahr einen Animefilm auf Netflix erhielt.

Bei Gamera handelt es sich um eine Riesenschildkröte, die auf zwei Beinen läuft, Feuer spucken und fliegen kann. Ihre Geschicke wurden zunächst von dem Daiei Film-Studio gelenkt, das allerdings irgendwann pleite ging und anschließend von Kadokawa übernommen wurde, wo es jetzt unter dem Namen Kadokawa Daiei Studio firmiert.

Eine wilde Vorgeschichte

Dabei ist die Vorgeschichte zu dem Erstauftritt von Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis ziemlich wild. Denn ehe dieser Film überhaupt gedreht wurde, wollte das Studio etwas anderes produzieren. Inspiriert von Alfred Hitchcocks Filmklassiker Die Vögel und den Godzilla-Filmen wollte Daiei einen Kinofilm mit dem Namen Giant Horde Beast Nezura drehen, in dem Riesenratten Tokyo angreifen sollten. Für den Film wurde Yonesaburo Tsukiji für die Special Effects angeheuert, derweil Noriaki Yuasa die Regie übernehmen sollte – auch wenn er vom Studio als Nullnummer angesehen wurde. Das Problem war, dass es niemanden sonst gab, der bereit war, diesen Film zu drehen.

Doch es sollte zu Problemen kommen. Ursprünglich wollte man die Ratten durch Spezialeffekte darstellen, das funktionierte jedoch nicht, weshalb man auf Lebendige zurückgriff. Allerdings ließen sich diese nicht wirklich kontrollieren. Sie waren wild und hatten Flöhe und zeigten sich auch sonst nicht sonderlich kooperativ. Mit der Folge, dass das Gesundheitsamt die Produktion einstellte und das Filmstudio deshalb kurz vor der Pleite stand. Doch Präsident Masaichi Nagata forderte jetzt erst recht einen Monsterfilm, um die Produktionskosten, die bereits in Nezura reingeflossen waren, nutzen zu können.

Die Idee zu Gamera kam von Nagata persönlich, als er 1965 aus den USA zurück nach Hause flog. Er orderte ein Skript und nach mehreren Anläufen erhielt Niisan Takahashi den Zuschlag. Jedoch war, als die Dreharbeiten begannen, das Drehbuch noch nicht fertig.

Es lief nicht alles rund

Das sollten nicht die einzigen Probleme sein, die die Filmarbeiten hatten. Regisseur Noriaki Yuasa stand unter enormem Druck und wurde dabei ständig von anderen Mitgliedern des Studios runtergemacht, weil diese nicht an einen Erfolg glaubten. Doch der Filmemacher biss sich durch und nahm sogar extra Kurse, um die Spezialeffekte selbst zu drehen, was er am Ende gemeinsam mit Tsukiji tat. Er wollte den Erfolg, auch wenn nicht immer alles klappte. Für die Arktisszenen zu Beginn des Films wurde beispielsweise extra Eis geliefert, was jedoch schneller schmolz als vorgesehen. Weshalb am Ende die Dreharbeiten drei Tage lang ruhen mussten, damit der Drehort wieder trocknen konnte.

Laut Yuasa stand dem Film ein Budget von 40 Millionen Yen zur Verfügung, und am Ende überstieg er die vorgegebene Summe ein „klein wenig“. Um zusätzlich Geld zu sparen, wurde Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis (Der deutsche Titel war, wie es damals üblich war, absolut unsinnig) in Schwarz/Weiß gedreht. Es gab außerdem auch noch Überlegungen, den Regisseur gegen Tsuburaya Productions auszutauschen, doch dazu kam es am Ende nicht.

In der Arktis wird ein unbekanntes Flugzeug von Amerikanern abgeschossen. Der Flieger hat eine Atombombe transportiert, die auf Grund des Absturzes explodiert. Und durch diese Explosion wird Gamera aufgeweckt, ein riesiges schildkrötenartiges Wesen, das nach seinem unsanften Erwecken beginnt, Amok zu laufen. Es zerstört dabei alles, was ihm im Weg ist, darunter auch ein Schiff mitsamt Besatzung.

Es passt nicht alles recht zusammen

Es macht sich auf den Weg nach Japan, wo der kleine Junge Toshio es ins Herz schließt, nachdem es ihn vor einem tödlichen Sturz gerettet hat. Seitdem versucht der schildkrötenvernarrte Junge alles, um es zu retten. Auch wenn die Welt an sich eher an dessen Vernichtung interessiert ist.

Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis war ein Experiment, ein Rettungsanker, ein Versuch, den Untergang eines Studios zu verhindern. Es sprach vieles gegen einen Erfolg. Und doch, trotz aller Unkenrufe und studiointernen Mobbings gegenüber dem Regisseur, wurde der Kinofilm ein Riesenerfolg. Es war vermutlich die Kaiju-Action, die am Ende den Film retten konnte.

Allerdings merkt man dem Film an, dass er aus verschiedenen Elementen besteht, die nicht zueinander passen. Er hat ein atemberaubendes Handlungstempo, dem jedoch alle nennenswerten Charakterisierungen zum Opfer fallen. Wobei der Plot an sich auch jede Menge Probleme hat.

An die Kinder denken!

Das Hauptproblem von Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis ist sicherlich die Tatsache, dass der Kinofilm sich unschlüssig ist, wie es seine Titelfigur darstellen soll. Soll es ein Monster sein, wie es im allerersten „Godzilla“-Film der Fall war? Oder soll es, wie die späteren Showa-Ära-Godzilla-Abenteuer, kinderfreundlich sein?

Denn wann immer Toshio in Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis auftaucht, merkt man, dass versucht wird, auch ein junges Zielpublikum anzusprechen. Man hat es mit einem Jungen zu tun, der mit seiner Schwester bei ihrem Vater lebt, kaum Kontakt mit Gleichaltrigen hat und schildkrötenvernarrt ist. Und diese Vernarrtheit nimmt gegenüber Gamera schon fast extreme Ausmaße an. Wann immer er kann, verteidigt er die Aktionen der Kreatur und das durchaus mit Erfolg. Es ist erstaunlich, was er alles macht und mit was er durchkommt. Inklusive sich auf ein Schiff schleichen, um beim finalen Akt aufzutauchen.

Allerdings wird er auch immer noch ausführlicher charakterisiert als viele andere vermeintliche Hauptfiguren. So gäbe es theoretisch außer ihm noch ein Handlungstrio, bestehend aus Professor Dr. Hidaka, seiner Assistentin Kyoko und dem Fotografen Aoyagi. Praktisch wird nur einiges angedeutet, aber nichts, was einen fasziniert. So scheint Aoyagi von Kyoko fasziniert zu sein und möchte ihr den Hof machen. Da würde man erwarten, dass er dann etwas prominenter in Szene gesetzt werden würde, oder?

Ein Schrecken ohne Schrecken

Doch das geschieht nicht. Sieht man von dem finalen Akt von Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis ab, ist das Einzige, was er macht, aufzutauchen und mit den anderen beiden zu reden. Die dann auch deutlich mehr zur Handlung beitragen, weil es sich ja um die Wissenschaftler handelt, die Ahnung haben. Aber es fehlt das Persönliche, die Hintergrunddetails, die im Vergleich Toshio „lebendiger“ wirken lassen, weshalb alle erwachsenen Figuren oberflächlich und teilweise ebenso austauschbar wirken.

Auch die Handlung selbst wirkt eher nach Malen nach Zahlen. Man hat sich sehr stark am ersten Godzilla-Film orientiert, ohne allerdings dessen Anti-Atom-Message mit zu übernehmen. Gamera erscheint nicht wie ein Sinnbild der Zerstörungskraft dieser schrecklichen Waffe, die mit einer anderen schrecklichen Waffe aufgehalten werden muss. Stattdessen ist es einfach nur ein Wesen, dass zerstörerisch agiert.

Doch immer wieder gibt es auch Momente, wo probiert wird, das Verhalten der Kreatur in Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis zu erklären. So heißt es, dass es nach Jahren des Schlafes einen riesigen Bedarf an Energie hat, den es dann unter anderem durch den Angriff auf ein Geothermalkraftwerk versucht zu stillen. Es sind Versuche, die Bedrohung, die das Monster ausstrahlt, zu verringern, was einen dann doch sehr irritiert.

Keine gute Erklärung

Man merkt dem Film an, dass das Budget stark zusammengestrichen worden war. Jetzt nicht nur wegen der Schwarz-Weiß-Gestaltung, sondern auch wegen den Spezialeffekten, die an nicht eben wenigen Stellen billig wirken. Stellenweise sieht man, dass Miniaturmodelle verwendet wurden. Oder dass Gameras Kostüm vor allem in Nahaufnahmen nicht sonderlich überzeugend wirkt.

Was soll man von Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis halten? Mitunter ist der Film durchaus spannend. Vor allem das Finale ist gut gelungen, wenn man von der lächerlichen Auflösung absieht, mit der das Wesen „besiegt“ wird. Hier wurde die Tür für eine Fortsetzung offen gelassen. Und es sind eben solche Sachen, die dafür sorgen, dass der Film nicht so gut geworden ist, wie er es unter normalen Produktionsbedingungen hätte werden können.

Der erste Versuch, Gamera auftreten zu lassen, hat es nicht geschafft, aus dem Schatten Godzillas zu treten. Zu wenig eigenständige Elemente, zu sehr wirkt der Film unausgegoren und nicht wie aus einem Guss. Mal ganz abgesehen von den mangelhaften Charakterisierungen …

Info

Drehbuch: Niisan Takahashi
Hauptdarsteller: Eiji Funakoshi, Michiko Sugata, Harumi Kiritachi, Junichiro Yamashita
Produzent: Masaichi Nagata, Hidemasa Nagata
Regie: Noriaki Yuasa

Warpskala

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3/10
Total Score
Götz Piesbergen

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