Mit Frankenstein Alive, Alive! hat der Splitter-Verlag jetzt das letzte Meisterwerk eines legendären Comickünstlers auf Deutsch herausgebracht.

Frankenstein Alive, Alive!
Cover © Splitter

Die Fortsetzung eines Meisterwerks

Als Bernie Wrightson 2017 an einem Gehirntumor verstarb, verließ ein absoluter Ausnahmekünstler diese Welt. Er war den meisten Comicfans vor allem für seine Illustrationen von Alan Moores Neuerfindung der DC Comicfigur Swamp Thing aus den 1970er Jahren bekannt. Doch hatte er auch sonst großartige Stories illustriert, wie beispielsweise eine von Marvel Comics neu herausgebrachte Neuauflage von Mary Shelleys Frankenstein.

Dieses Werk ist vor allem deshalb so legendär, weil er dafür 50 sehr detaillierte Illustrationen erschuf, für die er insgesamt sieben Jahre brauchte. Jahre später, genauer gesagt 2012, begann er an einem Sequel zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Comicautoren Steve Niles (30 Days of Night) werkelte er an der Comicserie Frankenstein Alive, Alive!, die am Ende vier Kapitel umfassen sollte.

Doch haftet dem Werk Tragisches an, denn irgendwann wurde bei Bernie Wrightson ein Gehirntumor festgestellt, der es ihm am Ende nicht mehr ermöglichte, den Comic persönlich abzuschließen. Stattdessen wählte er den Künstler Kelly Jones (Batman) als seinen Ersatzmann aus, der anhand der detaillierten Thumbnails Wrightsons den Comic vollendete. Wrightson selbst hat das finale Ergebnis nicht mehr mitbekommen, da er im März 2017 verstarb.

Wenn die Zeichnungen der eigentliche Star sind

Am Anfang des Albums lebt Frankenstein als Mitglied einer Freakshow. Er reist durch die Lande und verdient sich so seinen Lebensunterhalt. Er hat hier Freunde gefunden und es werden auch keine Fragen über seine Vergangenheit gestellt, wobei er sich trotzdem noch an diese erinnert.

Daran, wie er im ewigen Eis überlebte und sogar ein Vulkan ihn nicht umbringen konnte. Wie ein Wissenschaftler mit dem Namen Dr. Simon Ingles ihn fand und schließlich auch aufnahm. Es entstand eine Art Freundschaft, da der Doktor ihm half, seinen Wissensdurst zu stillen. Bis Frankenstein eines Tages auf das düstere Geheimnis seines väterlichen Freundes stieß und sich bald vor eine Wahl gestellt sah, bei der er im Prinzip, egal wofür er sich entschied, etwas Wichtiges verlieren würde.

Machen wir uns nichts vor: Der eigentliche Star von Frankenstein Alive, Alive! sind die Illustrationen von Bernie Wrightson. Es ist unglaublich, was er kreierte. Seine Panels sind mit Details schon fast überfrachtet. Stellenweise will man in der Story auch nicht weiterlesen, sondern hält inne, um sich in den Details zu verlieren. Es ist atemberaubend, was er erschuf.

Was für eine Arbeit

Wie viel Arbeit er dabei reinsteckte, erkennt man gut im Anhang dieses Albums, wo die Thumbnails, die Rohentwürfe für die jeweiligen Panels zu sehen sind. Wobei sie so roh nicht wirken. Sie sehen schon fast fertig aus, bereit, jederzeit ins Album integriert zu werden.

Angesichts dieser Detailliertheit ist es auch kein Wunder, dass Kelly Jones sich bei seinen Zeichnungen im vierten Kapitel schon fast sklavisch an diese hielt. Das Ergebnis wirkt auf den ersten Blick irritierend, wie eine krude Mischung aus den markanten Stilen Jones’ und Wrightsons. Und doch hat der Künstler sich hier bereits so weit zurückgenommen, um dem großen Künstler den Platz zu geben, den er verdient hat.

Jetzt wurde lang und breit über die Zeichnungen von Frankenstein Alive, Alive! geredet, aber nicht über die Story, die zum Glück nicht nebensächlich ist, sondern ebenfalls spannend zu lesen. Denn Steve Niles schafft es perfekt, den Tonfall von Mary Shelleys berühmten Roman zu treffen.

Wenn auch mit einem gewaltigen Unterschied. In ihrem Roman fokussierte sich die Autorin auf die Perspektive Victor von Frankensteins, das Monster selbst blieb fremd und dadurch unheimlich. Was natürlich in diesem Album nicht geht. Hier erzählt die Kreatur selbst, was geschehen ist. Und der Wechsel der Erzählperspektive funktioniert erstaunlich gut.

Wenn der Tod fernbleibt

Vor allem, weil von Anfang an klar gemacht wird, dass das Monster seine Entscheidungen nicht bereut. Und doch zeichnet es eine Art Einsamkeit aus, weshalb es den Tod sucht. Nur um dann festzustellen, dass es nicht so einfach sterben kann. Es überlebt sogar ein Bad in der Lava, wird eben nur in eine Hülle aus festgewordenen Magma eingeschlossen und schläft danach so lange, bis es aus Versehen befreit wird.

Die Beziehung zu Dr. Ingles ist dabei in diesem Album ebenfalls großartig beschrieben. Der Doktor ist das genaue Gegenteil von Victor von Frankenstein. Anstatt mit Abscheu reagiert er neugierig und freundlich auf das Wesen. Er gibt ihm freien Zugang zu seiner umfangreichen Bibliothek und kümmert sich auch sonst gut um ihn.

Doch dann zeigen sich in Frankenstein Alive, Alive! Risse in der Fassade. Das Monster stößt auf ein fürchterliches Geheimnis und sieht sich schon bald vor eine Wahl gestellt, die eigentlich keine ist. Auch das wird exzellent in Szene gesetzt und man verspürt Mitleid mit dem Monster, dass endlich eine Art Freund gefunden hat, und jetzt Gefahr läuft, alles zu verlieren.

Ein vorschnelles Ende?

Und ausgerechnet im letzten Kapitel fängt die Geschichte an zu schwächeln. Das Handlungstempo, das davor eher gemächlich war, überschlägt sich jetzt förmlich. Dinge passieren, ohne dass erklärt wird, wieso. Und dann endet die Story einfach so, auf einem ehrlich gesagt platten Ende. Man weiß zwar dank des Anfangs der Geschichte, dass das Monster Frankenstein danach noch lange leben wird, dennoch fühlt sich das Finale wie abgehakt an.

Ob es daran liegt, dass ursprünglich ein weiteres Kapitel geplant war, dass aber wegen Bernie Wrightsons Erkrankung gestrichen worden ist? Man weiß es nicht. Und am Ende ist es auch egal.

Denn trotz des unbefriedigenden Abschlusses ist Frankenstein Alive, Alive! Ein faszinierendes und großartiges Album. Nicht zuletzt dank der Illustrationen von Bernie Wrightson.

Info

Story: Steve Niles
Artwork: Bernie Wrightson, Kelley Jones
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite


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Götz Piesbergen

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