Seit einigen Jahren sind manche Fans der Überzeugung, dass die Bajoraner mit den Cardassianern verwandt sein müssen.
Das geht übrigens über die TNG-Folge Das fehlende Fragment (The Chase) hinaus, denn danach sind alle humanoiden Spezies miteinander zumindest grundverwandt. Es geht dabei um mehr, nämlich eine Art von Verwandtheit, wie die von Vulkaniern und Romulanern. Wir wissen kanonisch, dass die Romulaner vor langer Zeit Vulkan verließen und ein eigenes Reich erschufen. Das erklärt natürlich auch die große Ähnlichkeit zwischen den Spezies, wobei diese sicherlich nur dem damaligen „Schockeffekt“ bei TOS zuzuschreiben ist.
Die Bajoraner und Cardassianer wurden beide während The Next Generation eingeführt, bekamen aber ordentlich Hintergrund verpasst, als sie zu zentralen Völkern in Deep Space Nine gemacht wurden.
Können alle Spezies der Galaxis miteinander Kinder bekommen?
Dies ist genau der Punkt, um den es in der Theorie geht. Wir wissen, dass es einige berühmte Beispiele gibt, bei denen Kinder entstanden sind, deren Eltern unterschiedlichen Spezies angehören. Spock dient da sicherlich als Paradebeispiel, aber auch viele andere Kinder wurden im Laufe der Serien gezeigt, von Naomi Wildman haben wir sogar richtig viel gesehen. In der TNG-Folge Klingonenbegegnung (The Emissary) wird sogar genauer darauf eingegangen. So sagt die Menschklingonin K’Ehleyr zu Deanna Troi, dass die DNS von Klingonen und Menschen kompatibel ist, mit ein wenig Hilfe. In Star Trek: Enterprise wird dies sogar noch einmal durch Dr. Phlox bestätigt. Vulkanier und Menschen können Kinder haben, wenn man ein wenig trickst. Schauen wir uns also die gemeinsamen Kinder von verschiedenen Spezies einmal genauer an. So ziemlich alle bekannten Kinder zweier Völker waren Liebesbeziehungen – diese haben sich bestimmt auch Kinder gewünscht. Es ist also nur logisch anzunehmen, dass diese dann auch dementsprechend Hilfe holen.
Es gibt nur wenige Kinder, die anders entstanden sind. Ba’el im TNG-Zweiteiler Der Moment der Erkenntnis (Birthright) ist halb Kingonin, halb Romulanerin. Die Romulaner hatten vor etlichen Jahren auf einem Planeten im Carraya-Sektor ein Gefangenenlager errichtet und Klingonen, die beim Überfall auf den Khitomer-Außenposten gefangen genommen wurden, dort inhaftiert. Im Laufe der Jahre wurden aus Aufseher und Häftlingen aber eher Freunde. Und so entstand eben auch Ba’el. Es ist hier ebenso logisch, dass man hier ein wenig Hilfe in Anspruch genommen hat. Auch bei Sela, der Tochter von Tasha Yar und einem romulanischen General, kann man davon ausgehen. Der General rettete Tashas Leben und sie wurde seine Frau. Sie hätte sicherlich auch einer medizinischen Behandlung zugestimmt, denn immerhin verärgert man seinen „Retter“ nicht. Aus Angst um das eigene Leben machen Menschen (und manch andere Spezies) teilweise eigenartige Dinge.
Und dann haben wir da noch Tora Ziyal, die Tochter von Gul Dukat und Tora Naprem. Cardassianer und Bajoranierin. Auch wenn die Verbindung der beiden romantischer Natur war, ist ein Kind für den Kommandanten von Terok Nor während der Besetzung Bajors, sicherlich nicht die beste Idee. Obendrein war er auch noch verheiratet und es wird sogar in Deep Space Nine erklärt, dass Dukat Tochter und Geliebte weggeschickt hat, da ein Hybrid der beiden Völker weder auf Bajor noch auf Cardassia Prime akzeptiert werden würde. Die Chance, dass das Paar sich hier medizinische Hilfe geholt hat, ist also verschwindend gering. Wenn man denn überhaupt einen Arzt gefunden hätte, der sich einer solchen Behandlung annimmt. Und Dukat hatte noch ein zweites Kind mit einer Bajoranerin, während er einen Pah-Geist-Kult auf Empok Nor anführte. Auch dies war sicherlich keine Absicht, wollte Mika doch eigentlich mit ihrem Ehemann ein Kind haben, weswegen sie Dukat zum Beten aufsuchten.
In unserer echten Welt sind alle Säugetiere miteinander verwandt, können aber nicht mit jedem anderen Säugetier Nachwuchs zeugen. Ein Schakal kann mit meinem Hund Nachkommen zeugen, ebenso wie Pferd und Esel Nachwuchs zusammen bekommen können.
Gibt es noch andere Punkte?
Selbstverständlich reicht die Möglichkeit, miteinander Kinder zu bekommen, noch nicht als definitiver Beweis. Wir wissen aber auch, dass Cardassia sehr dicht an Bajor gelegen ist. Immerhin haben diese mit einem Leuchtschiff, also ohne echten Warp-Antrieb Cardassia besucht, in unserem 16. Jahrhundert. Relikte wurden davon auf Cardassia entdeckt, zufällig nachdem Sisko den Flug nachgestellt hatte. Das Star Trek Deep Space Nine Technical Manual gibt die Entfernung mit 5,25 Lichtjahren an. Wir wissen leider nicht, wann die Bajoraner die Leuchtschiffe erfunden haben, und wir wissen auch nicht, wann sich die cardassianische Kultur entwickelt hat. Wir wissen aber, dass der Warpantrieb seit 1925 zur Verfügung steht, also grob 350 bis 400 Jahre nach dem Besuch der Bajoraner. Wir wissen auch, dass vor den Cardassianern, die Erste Hebitianische Kultur auf dem Planeten beheimatet war, die große Kultur und Kunst hervorbrachte. Leider wissen wir im Kanon nur sehr wenig darüber, im Roman Ein Stich zur rechten Zeit wird aber gesagt, dass die Überreste dieser Kultur und feindliche Invasoren am Ende die Cardassianer wurden. Wenn wir dies einfach mal so hinnehmen, denn hier gibt es On-Screen ja keinen Gegenbeweis, dann könnten diese Invasoren Bajoraner gewesen sein, eventuell Pah-Geist-Anhänger, die einen anderen Weg einschlagen wollten.
Beim einzig anderen Volk, welches durch Abspaltung von einem anderen Volk entstand und von dem wir wissen, haben wir ebenso ähnliche Daten. Die Romulaner spalteten sich schon vor langer Zeit ab, die Lehren von Surak gewannen in unserem 4ten Jahrhundert an Bedeutung, welche die Vorfahren der Romulaner ablehnten und die Heimatwelt verließen. Wir wissen nicht in welcher Form von Schiffen, aber wir wissen, dass die Vulkanier im 9ten Jahrhundert andere Planeten besiedelt haben und erst später einen Warp-Antrieb entwickelt haben. Romulus liegt wesentlich weiter weg von Vulcan als Bajor von Cardassia, deswegen ist anzunehmen, dass die Antriebe der Abtrünnigen maximal Impuls hatten und als Generationenschiff oder mit Schlafkapseln ausgestattet waren. Es gibt leider keine 100%ige Karte des Universums von Star Trek, aber ich habe euch auf einem Ausschnitt der Karte aus dem offiziellen Star Trek Atlas (Star Trek Star Charts: The Complete Atlas of Star Trek) markiert, wie diese Entfernungen grob aussehen.
Man sieht deutlich, dass der Weg wesentlich länger war für die Romulaner und dabei nehmen wir an, dass sie direkt zu diesem Planeten geflogen sind. Wenn der untere Strich 5,25 Lichtjahre sind, dann ist der obige 57,75 Lichtjahre. Da wir den Warpantrieb ja ausschließen können, würde maximal der Impulsantrieb in Frage kommen. Hier gibt es nur wenige Angaben und auch diese sind genauso widersprüchlich, wie die Angaben über den Warpfaktor. Es ist auch durchaus anzunehmen, dass technologischer Fortschritt die Leistungsfähigkeit eines solchen Antriebes erhöht. Aber irgendeine Angabe sollten wir schon nehmen, da wir das ja in Relation setzen wollen. Das Star Trek Voyager Technical Manual gibt Vollen Impuls mit dem Viertel der Lichtgeschwindigkeit an, was 74.770 km/s entspricht. Ein Lichtjahr sind rund 9,5 Billionen km. Aufgerundet kämen wir auf 35.148 Stunden für ein Lichtjahr mit Impuls, also circa 4 Erdenjahre. Die Reise von Vulcan zum Romulus würde also grob 232 Jahre brauchen, wenn wir keine nennenswerten Umwege nehmen müssen. Also knapp 1800 Jahre Zeit, ein Imperium aufzubauen, was durchaus ein Zeitrahmen ist, der machbar ist.
Für den Weg der Bajoraner würden wir nur 21 Jahre brauchen, aber das Leuchtschiff wurde in den Legenden und bei Sisko kurz auf Warp katapultiert. Wir wissen auch nicht, ob der Flug im 16ten Jahrhundert der erste dieser Art war, oder nur der erste, der Warp erreichte. Das Entfernungsthema ist ein schwieriges Feld, da es keine harten Angaben gibt, was die Lage, Entfernungen, Jahre und Geschwindigkeiten gibt.
Wie sieht es mit der Kultur aus?
Die Cardassianer werden immer als militärisch beschrieben, der Staat macht keine Fehler, wird vom Militär getragen und jegliche Forschung dient nur dem Militär. Die Bajoraner hingegen werden als spirituell und religiös gezeichnet, die nur wegen der Besatzung zu den Waffen gegriffen haben. Ein krasser Gegensatz, der auf dem ersten Blick eine Verwandtschaft ausschließen würde. Aber, die Cardassianer waren auch mal religiös, sie waren nur gezwungen, aufgrund der Ressourcenknappheit einen anderen Ansatz zu wählen. Außerdem entwickelt sich Kultur unterschiedlich, je nach Ort, an dem man sich befindet. In Deutschland haben wir eine ganz andere Kultur als in Japan oder Mexiko, zum Beispiel. Dies kann man also kaum als Grund gegen eine Verwandtschaft annehmen.
…und die Optik?
Die ist natürlich deutlich anders als bei Romulanern und Vulkaniern. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die Romulaner noch während Raumschiff Enterprise eingeführt wurden, also mit billigsten Masken daher kamen. In TOS waren die Romulaner einfach Vulkanier mit anderer Kleidung. Bei The Next Generation und später Deep Space Nine sowie auch Voyager hatte man wesentlich mehr Budget und auch die Masken wurden handwerklich besser. Also ging man natürlich in die Vollen, auch wenn bei vielen Völkern oft nur Stirn, Nase oder die Schläfen „angepasst“ werden, bekamen die Cardassianer das ganze Programm. Manche der Anpassungen gehen allerdings auf Marc Alaimo zurück, dessen Nacken schon recht breit ist und durch das Make-Up nochmal hervorgehoben wurde. Optisch können sich Vertreter der gleichen Spezies jedenfalls deutlich unterscheiden, weil das Aussehen oft auf den Lebensraum zurückzuführen ist. Es ist also nicht unmöglich, dass sich das Aussehen der Bajoraner geändert hat – ein paar hundert Jahre reichen aber in der Regel nicht für so massive Veränderungen, allerdings haben wir als Referenz auch nur uns Menschen und wir wissen nach wie vor nicht, wann die ersten Bajoraner ihren Planeten verlassen haben.
Antwort: Es gibt keinen definitiven Beleg dafür, dass beide Völker über die Ur-Humanoiden hinaus miteinander verwandt sind, aber die aufgezählten Punkte deuten deutlich auf eine ebensolche hin. Letzten Endes ist Star Trek nur ein fiktionales Werk von vielen verschiedenen Autoren, die manche Dinge passieren lassen, weil es die Dramatik steigert. Wahrscheinlich sind diese Indizien nur zufällig entstanden, aber umso schöner ist es dann ja, wenn die Daten aus dem Kanon am Ende dieses Bild ergeben.
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