Heute möchte ich euch den Weltraum-Klassiker Elite aus dem Jahr 1984 vorstellen, der zu den prägendsten Computerspielen meiner Kindheit und Jugend zählt. Was ist 35 Jahre später von Elite zu halten?
Are you ready, Commander Jameson? Mit der Cobra MK III in einem Open-World-Universum
Ihr denkt, der Millennium Falcon ist ein tolles Raumschiff? Sicher. Auch die Enterprise, die Galactica oder die Rocinante mag ich gerne. Doch mit keinem Schiff habe ich so viel Zeit verbracht wie mit der Cobra MK III. Denn mit der Cobra MK III habe ich als Commander Jameson in einem der frühesten Open-World-Spiele in acht Galaxien mit insgesamt etwa 2.000 Sternensystemen höchst seriösen Handel betrieben. Diese ganzen Polizeischiffe, die mich wegen Piraterie und Handel mit verbotenen Waren verfolgten, waren definitiv falsch informiert! Gut, vielleicht habe ich gelegentlich mit Waffen, Drogen und Sklaven gehandelt, doch waren das immer Umstände, die ich ganz leicht erklären könnte. Womöglich habe ich auch manchmal irrtümlich auf friedliche Händler geschossen und danach aus Versehen deren Waren gestohlen. Wenn ich gefährliche Piraten oder außerirdische Kriegsschiffe ausgeschaltet habe, war ich immer der Held. Aber sobald mir da so ein Irrtum passierte, gab es immer gleich Ärger …
Eine Mischung aus Wirtschaftssimulation und Weltraum-Shooter
Dass all das, was ich oben beschrieben habe, tatsächlich möglich war, lag in der genialen Grundstruktur des Spiels begründet. Denn dessen Schöpfer Ian Bell und David Braben haben mit „Elite“ 1984 ein Spiel auf den Markt gebracht, das gleichzeitig eine Wirtschaftssimulation und ein Weltraumshooter war. Das Spielprinzip basierte einerseits darauf, dass man zwischen den bereits angesprochenen ca. 2.000 Sternensystemen hin- und herflog und dabei Handel trieb, wobei insgesamt 18 Waren zur Auswahl standen. Zu diesen Waren zählten harmlose Dinge wie Nahrungsmittel, Edelmetalle, Computer und Medizin, oder aber eben die bereits angesprochenen illegalen Handelsgüter.
Andererseits bestand das Spiel nicht allein aus dem Einkauf und Verkauf der Waren. Schließlich musste die Ladung ja auch zu einem gewinnversprechenden Markt geflogen werden. Hierfür übernahm man das Cockpit seiner Cobra MK III, die man gekonnt durch den Weltraum steuerte. War der Weg frei, konnte sich das Schiff mit großer Geschwindigkeit bewegen. Näherten sich jedoch feindliche Schiffe, bremste die Cobra MK III, um sich entweder zum Kampf zu stellen oder die Gegner irgendwie abzuschütteln. Da Reisen ohne Zwischenfälle eigentlich relativ selten vorkamen, ist die Bezeichnung Weltraum-Shooter wohl angemessener als von einer Flugsimulation zu sprechen. Weniger seriösen Geschäftsleuten stand es natürlich frei, auch selbst Piraterie zu betreiben und friedliche Schiffe zu plündern.
Die Galaxien, die Sternensysteme und ihre Planeten
Die auf einem Zufallsgenerator basierenden Planeten verfügten jeweils über menschliche oder außerirdische Bewohner unterschiedlichster Art. Das technologische Level eines Planeten konnte von einem völlig rückständigen Agrarplaneten bis zu einer ultramodernen Hightech-Gesellschaft reichen. Hinzu kamen noch verschiedene politische Systeme, zu denen etwa Anarchie, Demokratie, Monarchie usw. zählten. Außerdem hatte jeder Planet eine eigene Färbung, die besonders in der Amiga-Version sehr beeindruckend war (siehe unten). Schließlich gab es noch zu jedem einzelnen Planeten eine Kurzbeschreibung über die lokalen Besonderheiten.
Die durch dieses System entstehende planetare Vielfalt war für die damaligen Verhältnisse nicht einfach nur beeindruckend, sondern wirkte sich auch in direkter Form auf den Spielablauf aus. So konnte man auf rückständigen Agrarplaneten hervorragende Preise für Hightech-Produkte erzielen und dann den Frachtraum mit günstig eingekauften Lebensmitteln beladen. Diese ließen sich dann wiederum für gutes Geld an technologisch weit fortgeschrittene Zivilisationen verkaufen. Hatte man – selbstverständlich völlig zu Unrecht! – ein wenig Ärger mit der Polizei, konnte man Planeten mit seriöseren Staatssystemen wie Demokratie oder Republik nicht anfliegen, ohne vorher deren Sicherheitskräfte ausschalten zu müssen. Auf anarchistischen oder von Kriminellen „regierten“ Planeten ging es viel entspannter zu. Hier durfte jeder landen, wenn er oder sie denn an den ganzen „ehrbaren“ Charakteren vorbeikam, die sich im Orbit solcher Planeten zu tummeln beliebten.
Ist der Ruf erst ruiniert – Das Rangsystem
Abhängig von der Anzahl der abgeschossenen Schiffe wurde Commander Jameson ein Rang zugeordnet. Auf dem Heimatsystem Lave begannen die Spielerinnen und Spieler mit der Stufe „harmless“. Durch Abschüsse stieg die Gefährlichkeit, bis man irgendwann als „dangerous“ oder sogar „deadly“ eingestuft wurde. Natürlich hatte diese Einstufung auch wieder Auswirkungen auf das Spiel, da das eigene Kopfgeld stieg und auch die Weltraumpolizei aufmerksamer wurde. Den höchsten Grad verdienten sich schließlich nur die kompetentesten Händler und Pilotinnen des Universums: Elite.
War der Ruf in einer Region völlig ruiniert, war es sinnvoll, in andere Gebiete des riesigen Universums vorzudringen, wo man noch nicht so viel (Schlechtes) über Commander Jameson gehört hatte. Grundsätzlich konnte man sich immer nur von einem Planeten zu einem anderen in dessen direktem Umfeld bewegen. So waren in der Regel sehr viele Flüge nötig, um sich einmal quer durch die Galaxie zu bewegen. War es ganz brenzlig, konnte es auch Sinn machen, zu radikaleren Lösungen zu greifen und den Sprung in eine andere der acht Galaxien zu wagen.
Die Raumschiffe
Wie meine heiß geliebte Cobra MK III trugen auch die meisten anderen Schiffsklassen Namen, die von Schlangenarten übernommen waren. So stieß man im Weltraum z.B. auf Schiffe der Anaconda-, Boa- oder Mamba-Klasse. Diese wiesen unterschiedliche Stärken und Schwächen auf und dienten Händlern oder Piraten als Vehikel für ihre jeweiligen Abenteuer. Brenzlig konnte es werden, wenn ein sogenannter Thargoid auftauchte. Diese Schiffe gehörten zu einer außerirdischen Rasse, mit der sich der Rest des bekannten Universums im Krieg befand.
Ein Thargoid war ziemlich schnell, gut gepanzert und verfügte über eine höchst gefährliche Feuerkraft. Zu allem Überfluss konnte ein Thargoid kleinere Kampfschiffe beherbergen, die sich natürlich an den Kämpfen des Mutterschiffes beteiligten. Übrigens konnte man nach der Zerstörung eines Hauptschiffs die kleineren Varianten einfangen und die Aliens dann auf dem Schwarzmarkt verkaufen. (Habe ich natürlich nie gemacht!) Begegneten einem zwei oder drei Thargoiden, womöglich noch in Begleitung von Piraten, musste man wirklich alle Register ziehen, um aus einer solchen Situation zu entkommen.
Das Equipment
Zu Beginn des Spiels verfügten die Spielerinnen und Spieler über ein minimales Budget. Auch war die Cobra MK III nur sehr rudimentär mit einem recht primitiven Laser ausgestattet. So blieb zunächst nichts anderes möglich, als Handel zu treiben, um die Gewinne in das Schiff investieren zu können. Denn neben Treibstoff gab es auf jedem Planeten je nach Technologiegrad bessere Waffensysteme, Hilfscomputer, erweiterten Frachtraum und manches mehr zu erwerben.
Der vielleicht wichtigste Ausrüstungsgegenstand war dabei das automatische Landesystem. Besaß man dieses nicht, musste man die rotierende Raumstation eines Planeten langsam ansteuern und im richtigen Moment in den Hangar fliegen. Andernfalls zerschellte die Cobra MK III an der Raumstation. Mit einem automatischen Landesystem war das etwas ganz anderes. Befand sich das Schiff nahe genug an der Raumstation, übernahm der Autopilot den Landevorgang. So konnte Commander Jameson sich gemütlich zurücklehnen und der Landung zusehen, während im Hintergrund der Donauwalzer von Johann Strauss lief. „2001 – A Space Odyssey“ lässt grüßen!
Hatte das Schiff nicht genug Treibstoff an Bord, konnte es sich mit der richtigen Ausrüstung sehr nahe an die Sonne bewegen. Der Stern füllte die Triebwerke sodann mit Solarenergie. „Elite“ war diesbezüglich also schon sehr vorbildlich!
Die Missionen und das friedliche Händlerleben
Nun konnte ein Spiel ohne Rahmenhandlung natürlich gelegentlich etwas eintönig werden. Daher gab es eine kleine Anzahl an Missionen, die in regelmäßigen Abständen angenommen werden konnten, aber nicht mussten. Als Belohnung für diese Missionen gab es dann zum Beispiel eine Tarnvorrichtung für die Cobra MK III, mit der man dann noch besser Piraterie betreiben oder Piraten jagen konnte.
Es zählte zu den Vorzügen des Spiels, dass man in der offenen Welt im Prinzip tun und lassen konnte, was man wollte. So gab es keine Rahmenhandlung, die den Spielerinnen und Spielern irgendetwas aufgezwungen hätte. Natürlich konnte man sich in diesem Rahmen auch für eine überwiegend friedliche Existenz entscheiden und den Fokus auf den Handel legen. In diesem Kontext bestand auch die Möglichkeit, die Cobra MK III mit einem Minenlaser zu versehen. Damit konnte Commander Jameson Asteroiden in kleine Stücke zerschießen und dann aufsammeln, um sie auf dem nächsten Planeten zu verkaufen. Nur die Piraten und Thargoiden musste man auch als friedliebender Händler gewaltsam bekämpfen.
Die Grafik
Die unterschiedlichen Versionen des Spiels
Wie ich oben bereits mehrfach angedeutet habe, gab es „Elite“ in unterschiedlichen Versionen. Zunächst hatten Bell und Braben das Spiel für den BBC Micro-Heimcomputer entwickelt. Aufgrund der enormen Beliebtheit erschien „Elite“ in der Folge auch auf anderen Systemen. Ich selbst spielte es zum Beispiel auf dem C64 und dem Amiga. Die jeweiligen Versionen konnten sich durchaus voneinander unterscheiden. So glänzte die Amiga-Variante mit einer ungeheuren Farbenfreude, während es in der C64er-Version die an Star Trek: TOS angelehnte Geschichte mit den Tribbles gab. (Diese sich rapide vermehrenden Gäste wurde man übrigens wieder los, indem man sehr, sehr nah an die Sonne flog …) Auch die Missionen konnten je nach Computersystem voneinander abweichen.
Die Nachfolger des Spiels
Mit „Frontier: Elite 2“ und „Frontier: First Encounters“ erschienen 1993 und 1995 Nachfolger, die trotz diverser Stärken nicht an den Erfolg von „Elite“ anknüpfen konnten. Auch gab es immer wieder inoffizielle Adaptionen, von denen „Oolite“ sicherlich zu den bekanntesten zählt. Ian Bell stand Varianten und neuen Versionen in der Regel wohlwollend gegenüber. David Braben hingegen erwies sich diesbezüglich häufiger als eher reserviert, wodurch einige Projekte eingestellt werden mussten. Mittlerweile scheint sich die Situation jedoch erheblich entspannt zu haben. Abgesehen von Emulatoren dürfte heute das 2014 erschienene „Elite Dangerous“ manchen Veteraninnen und Veteranen des Originals Freude bereiten.
Schlussgedanken
Hätte das Spiel heute in seinen ursprünglichen Versionen noch eine Chance? Vermutlich nicht. Aufgrund der fehlenden Rahmenerzählung und den sich immer wiederholenden Spielabläufen wäre das Spiel heute sicherlich vielen zu langweilig. Daran ändern auch die Freiheiten der offenen Welt nicht viel, da dies heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr ist. Veteraninnen und Veteranen, die das Spiel schon in den 80ern und 90ern liebten, dürfte dies hingegen nichts ausmachen. Zumindest gelegentlich macht es noch einmal Spaß, in die Rolle von Commander Jameson zu schlüpfen. So habe ich selbst lange Zeit eine Android-Adaption der Amiga-Version von Elite gespielt. Auf dem Handy ist es aber einfach nicht dasselbe. Am liebsten hätte ich einfach wieder meine herrlich bunte Amiga 500-Version.
Falls ihr das Spiel nicht noch von früher kennt, vermitteln euch die beiden folgenden Videos einen guten Eindruck:
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- Review: Olympus Mons Bd. 9 – Vorsehung - 11. Oktober 2023
- Olympus Mons 08 – Das Sheppard-Syndrom - 2. Oktober 2023
- Review: Olympus Mons Bd. 7 – Mission Farout - 27. September 2023