In Es gibt Gezeiten… werden Pläne geschmiedet und in die Tat umgesetzt. Wenn auch mit unterschiedlichem Ergebnis.

Smaragdkette Ante Portas

Osyraa (Janet Kidder) hat die Kontrolle über die Discovery erlangt und lässt die Brückencrew gefangen nehmen und einsperren. Danach befiehlt sie Kurs auf das Föderationshauptquartier, gemeinsam mit ihrem eigenen Schiff. Angekommen beginnt sie eine Scharade. Sie lässt auf die Discovery feuern, allerdings so, dass kein ernsthafter Schaden entsteht. Schließlich ist sie persönlich an Bord des aus der Vergangenheit gekommenen Föderationsraumschiffes.

Admiral Charles Vance (Oded Fehr) beobachtet das Ganze. Er weiß nicht so recht, wie er das, was außerhalb des Schutzschirms passiert, einsortieren soll. Doch am Ende lässt er die Discovery in die Schutzblase hinein. Wo ihm dann erst zu spät klar wird, dass etwas nicht stimmt.

Kurz zuvor gelangten auch Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) und Cleveland Booker (David Ajala) an Bord der Discovery, indem sie in der letzten Minute mit Books Schiff eine Bruchlandung im Shuttlehangar bauen. Dort trennen sich ihre Wege, da Michael meint, so erfolgreicher zu sein.

Yippie-Kay….

Charles Vance lässt die Discovery umzingeln, als sich Osyraa meldet. Sie möchte mit der Föderation in Frieden verhandeln. Der Admiral stimmt zu, sich mit ihr unter Garantie von freiem Geleit zu treffen.

Ehe sie sich aufmacht, ins Hauptquartier der Föderation überzuwechseln, gibt sie ihrem Chefwissenschaftler Aurellio (Kenneth Mitchell) noch einen Auftrag. Er soll herausfinden, wie der Sporenantrieb genau funktioniert. Und dazu muss er mit Paul Stamets (Anthony Rapp) reden.

Derweil Michael Burnham allein durch die Gänge der Discovery schleicht, plant die gefangen genommene Crew, wie sie vorgehen will. Nachdem sie sich mit durch Fingerklopfen übermitteltem Morsecode untereinander ausgetauscht haben, treten sie in Aktion. Schnell sind die Wachen überwältigt und unter dem Kommando von Tilly (Mary Wiseman) als amtierender Kapitän soll es weitergehen. Die Mannschaft macht sich schließlich weiter auf den Weg, während die hinzugestoßenen Booker und Ryn (Noah Averbach-Katz) zurückbleiben, um die nachkommenden Wachen abzulenken.

Verantwortung muss sein!

Die Gespräche zwischen Osyraa und Charles Vance laufen zunächst sehr zum Vorteil der Orionerin. Sie möchte, dass die Föderation und die Smaragdkette miteinander fusionieren und hat dafür auch viele gute Argumente. So arbeiten zum Beispiel in ihrer Organisation viele Wissenschaftler, die der anderen Seite fehlen. Doch als die Taten von Michael Burnham und der Discovery-Crew bekannt werden, beginnt sie, die Kontrolle über das Gespräch zu verlieren. Und es scheitert endgültig, als der Admiral mehrere Bedingungen für eine Vereinigung stellt. Zum einen, dass der Repräsentant der Kette nicht sie ist oder von ihr kontrolliert wird. Und unter anderem auch, dass sie sich für ihre wohl dokumentierten Taten vor ein Gericht stellt, womit sie nicht einverstanden ist.

Stamets und Aurellio haben derweil eine Gemeinsamkeit entdeckt. Beide sind auf ihre Art und Weise Familienmenschen. Und Familie geht dem Antriebsspezialisten der Discovery über alles. Weshalb er, nachdem Michael Burnham ihn befreit hat und ihm erklärt, wo sich sein Ehemann Hugh Culber (Wilson Cruz) und sein Kind Adira Tal (Blu del Barrio) befinden, sofort dort hin möchte, um sie aus der lebensbedrohlichen Strahlenhölle rauszuholen. Doch Michael hat andere Pläne. Sie zwingt ihn in eine Kraftfeldblase, die sie aus der Discovery ausstößt, wo er anschließend vom Hauptsitz der Föderation per Traktorstrahl an Bord geholt wird. Dadurch ist der Smaragdkette nicht mehr möglich, den Sporenantrieb zu kopieren. Sie selbst wird danach von Zareh gefangen genommen.

Osyraa ist wieder zurück an Bord. Sie will schleunigst weg. Doch eine Hiobsbotschaft jagt die andere. Und als schließlich Ryn und Booker, die in der Zwischenzeit gefangen genommen wurden, ihr vorgeführt werden, desintegriert sie kurzerhand den widerspenstigen Andorianer.

Eine kontroverse Folge

Gleichzeitig trifft die Crew der Discovery auf die Sphärendaten, die sich in einige der Reparaturdroiden ausgelagert haben. Gemeinsam plant man, das Schiff von der Smaragdkette zu befreien.

Es gibt Gezeiten… ist eine Discovery-Episode, an der sich anscheinend die Gemüter spalten. Die einen finden sie gut bis großartig. Die anderen hingegen sind der Meinung, dass die Folge mehr so mittelmäßig bis schlecht ist. Ihre Begründung dafür ist unter anderem, dass hier zu viel Action vorhanden ist.

Zugegeben: Star Trek war noch nie ein Franchise, das durch großartige Action aufgefallen ist. Der Vorwurf des „Labertreks“ kommt schließlich nicht von ungefähr. Weshalb eine Folge wie Es gibt Gezeiten… schon deutlich hervorsticht, da hier der Anteil an Actionszenen überdurchschnittlich hoch ist.

Auch in der Zukunft stirbt man langsam

Allerdings sind diese erstklassig inszeniert und es wird auch darauf geachtet, dass sich dabei die Figuren weiterentwickeln. Wenn man beispielsweise sieht, wie die Crew der Discovery via Morsecode untereinander kommuniziert, um anschließend die Wachen auszuschalten, dann wird man sich ein Lächeln nicht verkneifen können. Es zeigt, wie sehr die einzelnen Mannschaftsmitglieder durch die Zeitreise und gemeinsam erlebten Abenteuer ein Team geworden sind.

Dass so etwas geschehen würde, war allerdings auch vorhersehbar. Die Inszenierung war zwar klasse, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ein solcher Ablauf schon oft in diversen Filmen und Serien verwendet wurde. Das macht sich vor allem bei Michael Burnhams Alleingang bemerkbar, bei dem Parallelen zu einem gewissen Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, sicherlich beabsichtigt sind. Enge Gänge, eine barfuß laufende Michael Burnham, die noch dazu blutet und natürlich die Kommunikation mit dem Gegner… Hier verbeugt sich Es gibt Gezeiten… sehr deutlich vor der Stirb Langsam-Reihe.

Doch dominiert wird die Folge von den Szenen, in denen Admiral Vance und Osyraa auftreten. Man muss den Machern von Discovery zu Gute halten, dass es vermieden wird, den Sternenflottenadmiral wie einen Tölpel darzustellen. Im Gegenteil: Das Misstrauen über das Geschehen steht ihm ins Gesicht geschrieben, weshalb er sehr vorsichtig agiert. Und als ihm klar wird, was da geschieht, reagiert er prompt.

Ein gefährlicher Genuss

Osyraa kann hingegen ein Mal mehr beweisen, dass sie eine intelligente und gefährliche Gegenspielerin ist. Die kaltblütige Art, wie sie Zugang ins Föderationshauptquartier erlangt, muss man bewundern. Genauso wie die Chuzpe, dass sie Kontakt aufnimmt, um Fusionsverhandlungen zu führen.

Dabei wird sich in Es gibt Gezeiten… auch bemüht, der Smaragdkette andere Seiten abzugewinnen. Dafür sorgt schon allein der Auftritt von Aurellio (Dargestellt von dem an der Nervenkrankheit ALS leidenden Kenneth Mitchell), der ja aussagt, dass er mit seinen Behinderungen nur bei der Kette ein normales Leben führen konnte. Interessant ist die Aussage, dass viele Forscher bei der Organisation arbeiten würden. Und wenn man so darüber nachdenkt und sich die vergangenen Folgen nochmal in Erinnerung ruft, dann fällt auf, dass man bei der Föderation der Zukunft bislang nur befehlshabende Offiziere und Ärzte gesehen hat. Aber keine Wissenschaftsoffiziere, wie es eben Michael Burnham im Grunde ist.

In jedem Fall ist das Verhandlungsgespräch zwischen ihr und Charles Vance der pure Genuss. Und auch hier muss die Darstellung des Admirals gelobt werden. Der trotz der Verlockung, einen Pakt mit der Smaragdkette einzugehen, am Ende immer noch die Werte der Föderation vertritt und nicht bereit ist, darauf zu verzichten. Womit Osyraa, die die meiste Zeit auf die Argumente ihres Gegenübers gute Antworten parat hatte, nicht gerechnet hat. Was auch der Moment in Es gibt Gezeiten… ist, wo sich all ihre Überlegungen und ihre gesamte Zukunftsplanung in nichts auflösen.

Ein Tod mit Konsequenzen

Kein Wunder, dass sie, als sie wieder an Bord der Discovery ist, aufgebracht ist und nur weg will. Doch als sie dann die anderen Hiobsbotschaften erreichen, offenbart sich ihre wahre Natur, wie man sie bereits in Das Schutzgebiet gesehen hat. Wer sie enttäuscht oder hintergeht, der muss sterben. Immerhin ist der Tod von Ryn, den ihr Zorn in Es gibt Gezeiten… trifft, kein qualvoller, was allerdings nur ein schwacher Trost ist. Doch diese Aktion wird Konsequenzen haben. Vor allem Aurellio ist darüber entsetzt gewesen. Und auch als Zuschauer ist man ebenfalls sprachlos. Der Andorianer hatte zwar nicht viele Auftritte, die meisten davon sind jedoch in guter Erinnerung geblieben und gaben der Figur genügend Tiefe, sodass man um ihn trauern wird.

Doch ebenfalls erinnerungswürdig bleiben die beiden Szenen, in denen Michael Burnham und die restliche Discovery-Crew Schritte unternehmen, das Schiff zurückzugewinnen und die Pläne der Smaragdkette zu sabotieren. Dabei ist die Aktion von Michael Burnham, Paul Stamets runter vom Raumschiff zu schaffen, logisch nachvollziehbar. Denn ohne ihn ist der Sporenantrieb nutzlos. Ebenso wie auch die Reaktion von Stamets darauf, dass sein Ehemann und Kind sich noch im Nebel befinden. Diese Szene ist emotional sehr gelungen. Man hat das Gefühl, dass sich am Ende jede Menge Frust und Wut, die lange unterdrückt waren, den Weg bahnen. Und hoffentlich wird dies noch Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Begegnung der Discovery-Crew mit den Sphärendaten in ihren neuen Hüllen ist auch interessant. Einerseits ist hier natürlich der Entschluss, das Schiff um jeden Fall zu befreien. Aber andererseits möchte man wissen, was die Daten im Finale für eine Rolle spielen werden.

Nachvollziehbare Kritik

Die Kritik an Es gibt Gezeiten… lässt sich nachvollziehen. Aber wenn man sich die Episode näher anguckt, dann merkt man, dass die Macher versucht haben, potentiellen Kritikpunkten entgegenzuwirken. Wenn man zum Beispiel berücksichtigt, dass der Smaragdkette das Dilithium ausgeht, kann man verstehen, wieso Osyraa so erpicht darauf ist, ihre Organisation mit der Föderation zu fusionieren. Und dass Charles Vance die Orionerin hat ziehen lassen, liegt daran, dass er ihr dies zugesichert hat.

Es gibt Gezeiten… ist eine grandiose Folge, die Hoffnung auf ein ebenso gelungenes Finale macht. Der deutsche Titel ist übrigens eine Übersetzung des Englischen Episodennamens There is a Tide…. Es handelt sich hierbei um ein Zitat aus Shakespeares Drama Julius Cäsar. Ursprünglich sollte die Folge The Good of the People heißen, was meiner Meinung nach besser zum Inhalt gepasst hätte. Denn das Gute in den Leuten wird hier auf unterschiedliche Weise in den Vordergrund gestellt.

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Götz Piesbergen
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