Eine Kleinstadt in Alaska wird von Grey-Aliens terrorisiert.
Das Grauen mit den Grauen
In dem nordamerikanischen Städtchen Noma häufen sich seltsame Vorkommnisse. Scheinbar werden zahlreiche Einwohner von Aliens entführt und nicht alle kehren zurück. Jene, die eine Begegnung der dritten Art überleben, sind danach nicht mehr dieselben. Untersucht werden die Vorfälle von der Psychologin Dr. Abigail Tyler (Milla Jovovich / Charlotte Milchard), deren Mann ebenfalls entführt und ermordet wurde. Ihre Patienten leiden allesamt unter Schlafstörungen und berichten unisono von Schleiereulen, hinter denen sich Aliens verbergen.
Einige Betroffene begehen Suizid und einer ermordet gar vor laufender Kamera seine gesamte Familie. Abigail versucht noch, ihren Patienten von der Tat abzubringen, doch als sie versagt, wird sie vom Sheriff unter Hausarrest gestellt. Da sie die Opfer hypnotisiert hatte, wird ihr ein Zusammenhang mit den Morden und Suiziden unterstellt. Die Story über Entführungen durch Außerirdische glaubt ihr natürlich niemand.
Als die Aliens ihre Tochter Ashley (Mia McKenna-Bruce) entführen, wird ihr auch noch dies vorgeworfen und ihre Familie droht endgültig, auseinanderzureißen. Zwar hat ein Hilfssheriff, der während der Entführung sein Auto vor Dr. Tylers Haus parkte, die Lichter des UFOs gesehen, aber sämtliche Beweise wie Videoaufnahmen erweisen sich als unbrauchbar. Die Lage eskaliert aber nicht nur im Hause Tyler, sondern im gesamten Ort.
Weil einige der Betroffenen in fremden Zungen gesprochen haben, wendet sich Abigail an den Sprachwissenschaftler Dr. Awolowa Odusami (Hakeem Kae-Kazim). Weitere Unterstützung erhält sie von ihrem Kollegen Abel Campos (Elias Koteas). Gemeinsam werden sie Zeugen, wie ein weiterer Patient unter Hypnose plötzlich Altsumerisch spricht und zu schweben beginnt. Die Aliens machen ihr klar, dass sie ihre Tochter nie wiedersehen wird.
Dies alles soll sich tatsächlich im Jahr 2000 zugetragen haben. Abigail Tyler soll danach an die Ostküste umgezogen sein, während Campos und Odusami bestreiten, an den Ereignissen beteiligt gewesen zu sein. So suggeriert es zumindest der Film.
Alles nur Schwindel!
Die vierte Art behauptet, auf wahren Begebenheiten zu beruhen und Szenen nachzustellen. Zwischendurch wird vermeintliches Originalmaterial eingespielt, darunter ein Interview mit der vermeintlich echten Dr. Abigail Tyler. Dumm nur, dass es sich bei dieser in Wirklichkeit um die britische Bühnendarstellerin Charlotte Milchard handelt, die nach dieser Lachnummer keine große Filmkarriere mehr hinlegte. Und die Szenen mit Milla Jovovich sind auch nicht nachgestellt, sondern wie alles in diesem Film komplett gestellt. So etwas nennt sich Mockumentary oder zu Deutsch: Mockumentation.
Ist deshalb die ganze Filmstory ein einziger Fake? Nicht ganz. In der Realität gab es tatsächlich 20 Fälle von vermissten Personen in Nome, die vom FBI untersucht worden sind. Die Gerüchte, dass sie Opfer von Entführungen durch Außerirdische gewesen seien, konnten nicht bestätigt werden. Lediglich 9 Leichen blieben verschollen, alle anderen Opfer wurden erfroren in der Wildnis gefunden. Die Behörden gaben offiziell Alkoholmissbrauch als Ursache für ihr Verschwinden an.
Interessanterweise spielen die Ermittlungen des FBI im Film keine Rolle. Und das ist nicht die einzige gravierende Abweichung von der Realität. So ist die Stadt Nome im Film von Nadelwäldern und Bergen umgeben, doch das reale Nome liegt in einer baumlosen flachen Tundra. Der Film wurde nicht einmal in Alaska gedreht, sondern in Vancouver (Kanada), Los Angeles (Kalifornien, USA) sowie Sofia und Witoscha (Bulgarien). Viel weiter kann man sich nicht mal geografisch von der Wahrheit entfernen.
Außerirdische aus der Hölle
Zum Schluss sei noch ein Vergleich mit realen Berichten zum Entführungsphänomen gestattet. Egal ob man den Schilderungen von Betroffenen nun glauben mag oder nicht, gibt es auch diesbezüglich gravierende Abweichungen im Film. Dessen Titel bezieht sich zwar auf die Einstufung von Nahbegegnungen nach J. Allen Hynek (1910-1986), wobei die vierte Art Entführungen beschreibt. Die Bezüge zu entsprechenden Erfahrungsberichten halten sich jedoch in Grenzen. Einzig der Maskierungseffekt wäre hier zu nennen, mit dem insbesondere die Grey-Aliens ihre Entführungsopfer täuschen sollen. Dabei handelt es sich laut den Aussagen wohl um ein telepathisches Versteckspiel. Eulen werden tatsächlich des Öfteren beschrieben, aber ebenso andere Tiere, Menschen und sogar religiöse Figuren.
Der Film ist nicht nur in Bezug auf den Mimikri-Effekt dürftig recherchiert, das Entführungsphänomen wird in Gänze völlig falsch dargestellt und zum reinsten Hollywood-Horror aufgebauscht. Es mag zwar korrekt sein, dass zahlreiche Betroffene von ihren Erfahrungen traumatisiert sind, doch haben viele ein differenziertes Bild von den Grey-Aliens, nicht wenige betrachten ihre Absichten gar als positiv. Was immer auch zutreffen mag, mit Dämonen aus der Hölle haben die Außerirdischen laut Erfahrungsberichten nichts gemein.
Der Film stellt dies jedoch verzerrt dar. Wenn dort Patienten in fremden Zungen sprechen und zu schweben beginnen, hat das schon fast etwas von einem Exorzismus-Film. Mit der Realität hat das absolut nichts zu tun! Auch nicht mit den Erfahrungsberichten von Betroffenen, wie auch immer man diese bewerten möchte. Zum einen schweben Entführungsopfer höchstens, wenn sie ins Raumschiff abgeholt werden und nicht mal eben so vor Zeugen für den maximalen Schockeffekt. Zum anderen babbeln entführte Menschen nicht plötzlich in Altsumerisch drauf los.
Warum sollten sich Aliens überhaupt dieser Sprache bedienen, wenn sie doch laut Angaben von Betroffenen jede aktuelle Sprache drauf haben? Hier vermischt der Filmemacher das Entführungsphänomen mit den unausgegorenen Hypothesen von Zecharia Sitchin (1920-2010), welche dieser sich aus dem Gilgamesch-Epos und sumerischen Artefakten zusammengereimt hatte. Dabei werden dann auch noch die Greys mit den angeblichen Annunaki gleichgesetzt, die uns laut Sitchin erschaffen haben sollen. Bisher hat sich jedoch noch kein Grey als Annunaki vorgestellt.
Weiterhin ist das Phänomen der Besessenheit ein Thema für sich. Zwar berichten einige Betroffene durchaus von telepathischen Eingebungen, was nicht überraschend wäre, wenn es sich bei den Grauen um eine telepathische Spezies handelt würde. Doch das Übernehmen von menschlichen Körpern, um vor Zeugen Drohungen an die Menschheit auszusprechen, das ist wieder typisch für das Exorzismus-Genre. Wobei dann Latein noch die bessere Sprachwahl gewesen wäre.
Bestenfalls kann man diese Filmszenen noch mit Channelings oder Séancen vergleichen, wobei das Thema eher aus der Esoterik-Ecke kommt und die Glaubwürdigkeit so ziemlich gegen Null läuft. Zumal manche Medien neben Aliens auch noch mit Erzengeln in Kontakt stehen wollen. Ein Drogenkonsum ist zumindest bei Aleister Crowley (1875-1947), der ebenfalls Aliens und ägyptische Gottheiten gechannelt haben will, definitiv nachgewiesen. Wie auch immer, dem Film bekommt diese Vermischung des Entführungsthemas mit Esoterik und Hokuspokus überhaupt nicht. Er hat mehr etwas von Horrorfilmen wie der Conjuring-Reihe als von Science Fiction.
Fazit zu Die vierte Art: Eher unterirdisch als außerirdisch
Der Film steht völlig zu Recht von allen Seiten in der Kritik. Für Skeptiker ist die gesamte Handlung an den Haaren herbeigezogen und UFO-Forschern erweist er einen Bärendienst. Nicht nur, weil Die vierte Art die Entführungsthematik falsch darstellt, sondern sie durch den Stil einer gefakten Dokumentation komplett ins Lächerliche zieht. Mit einer seriösen UFO-Dokumentation hat dieser Quatsch nicht das Geringste zu tun! Und ebenso wenig mit guter Unterhaltung, denn der ständige Wechsel zwischen Fake und nachgestelltem Fake ist maximal anstrengend. Diesen Streifen kann auch Milla Jovovich nicht retten.
Info
Originaltitel: The Fourth Kind
Regie, Drehbuch: Olatunde Osunsanmi, Story von Olatunde Osunsanmi, Terry Lee Robbins
Produktion: Paul Brooks, Joe Carnahan
Hauptdarsteller: Milla Jovovich, Will Patton, Elias Koteas
Kamera: Lorenzo Senatore
Schnitt: Paul Covington
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