Der Abgesandte ist der Auftakt zu Deep Space Nine, der, laut vielen Fans, besten Star Trek-Serie überhaupt.

Kein warmes Willkommen

Der Planet Bajor hat es erst vor kurzem geschafft, seine Knechtschaft durch die Cardassianer abzuwerfen. Während diese den Rückzug antraten und alles mitnahmen, was nicht niet- und nagelfest war, wandten sich die Bajoraner an die Föderation, mit der Bitte um Unterstützung. Das Sternenbündnis sagt zu und schickt eine Gruppe von Offizieren los, um die cardassianische Raumstation Deep Space Nine zu übernehmen.

Kommandiert werden soll die Station von Commander Benjamin Sisko (Avery Brooks), der gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn (Cirroc Lofton) dort wohnen wird. Doch der Kommandant ist mit seinem neuen Posten nicht glücklich, da er lieber mehr Zeit mit seinem Spross verbringen möchte. Schließlich ist es erst drei Jahre her, seit er seine Ehefrau bei der Schlacht von Wolf 359 verlor. Etwas, was immer noch an ihm nagt.

Das Willkommen auf der Station fällt dabei alles andere als warm aus. Seine Stellvertreterin und der Kontakt zu den Bajoranern, Major Kira Nerys (Nana Visitor) begegnet ihm mit Misstrauen. Die Händler der Station wollen sie verlassen, aus Angst vor der geldlosen Wirtschaft der Föderation. Die Cardassianer warten nur auf eine Gelegenheit, die Sternenflotte zu vertreiben und die Kontrolle erneut an sich zu nehmen.

Eine Prophezeiung

Doch dann wird Benjamin Sisko von Kai Opaka (Camille Saviola), dem religiösen Oberhaupt der Bajoraner, kontaktiert. Sie präsentiert ihm eine der sogenannten Tränen der Propheten und erzählt ihm von seinem Schicksal, den himmlischen Tempel zu finden, der Heimat der Propheten und dem vermutlichen Ursprungsort der Tränen.

In der Tat gelingt es dem Commander gemeinsam mit seinem Wissenschaftsoffizier Jadzia Dax (Terry Farrell) mehr über den Ursprung dieser Objekte herauszufinden. Nachdem die Cardassianer, die immer noch zugegen sind, durch ein Ablenkungsmanöver organisiert durch den gestaltwandelnden Sicherheitsoffizier Odo (René Auberjonois) anderweitig beschäftigt sind, macht er sich zusammen mit Dax zu dem himmlischen Tempel auf. Dort stoßen sie auf ein stabiles Wurmloch, das einen sicheren Zugang in den Gamma-Quadranten bietet. Doch auf dem Rückweg bleibt das Shuttle der beiden mitten im Loch stecken und auf ein Mal finden sie sich in einer lebensfähigen Umgebung wieder.

Es stellt sich heraus, dass in dem Wurmloch körperlose Wesen wohnen, die ein vollkommen anderes Konzept von Raum und Zeit haben. Sie schicken Jadzia zurück nach Deep Space Nine und unterhalten sich mit Benjamin Sisko. Es ist für den Commander eine Reise durch seine Vergangenheit, weil die Propheten wiederholt Orte aus seiner Erinnerung auswählen und die Gestalt von Personen annehmen, die damals zugegen waren.

Lug und Trug und mittendrin der Abgesandte

Derweil reist ein cardassianischer Kreuzer ebenfalls ins Wurmloch und kommt nicht wieder zurück. Major Kira stellt fest, dass die Position des Eintritts für Bajor wichtig sein könnte, und wagt das Unglaubliche. Sie fliegt die Raumstation an das Wurmloch heran und versucht einen gigantischen Bluff, um die Cardassianer abzuwimmeln. Was sich jedoch alles andere als einfach erweist, als diese die Lüge durchschauen.

Gerade als die Lage hoffnungslos erscheint, öffnet sich das Wurmloch und heraus kommt Benjamin Sisko, mit dem verschollenen cardassianischen Kreuzer im Schlepptau. Er schloss mit den Wurmlochwesen eine Vereinbarung, so dass in Zukunft Reisen durch das Gebilde möglich sind. Gleichzeitig beschließt er, mit seinem Sohn, endgültig auf der Station zu bleiben.

Als Der Abgesandte am 28. Januar 1994 über die deutschen Fernsehbildschirme flimmerte, erwartete Star Trek-Fans ein eher ungewöhnliches Setting. Zentraler Handlungsort war nicht mehr ein Raumschiff, sondern eine Raumstation. Auch war der führende Offizier kein Captain, sondern »nur« ein Commander und gleichzeitig Vater. Genauso wie die Atmosphäre der Serie »geladener« war. Es gab Reibereien zwischen den Offizieren, etwas, was man aus The Next Generation und der originalen Star Trek-Serie so nicht kannte. Kurz: Von Beginn an wurde klar gemacht, dass das nicht das Star Trek war, was man bislang kannte.

Reibepunkte sorgen für Interesse

Doch gerade diese Unterschiede sorgten dafür, dass Der Abgesandte für Spannung sorgte. Vor allem die Reibereien zwischen Föderation und dem bajoranischen Militär verursachten Interesse. Es wurde auch nachvollziehbar geschildert, wieso Major Kira Nerys gegenüber Benjamin Sisko schon fast kratzbürstig auftrat. Sie war jemand, der sein Leben lang gegen die Fremdherrschaft ankämpfte und jetzt mit ansehen musste, wie anscheinend der eine Herrscher gegen den anderen ausgetauscht wurde. Hier war mit Benjamin Sisko ein Vertreter der Föderation, der diese Argumente nicht nachvollziehen konnte und eben an Ideale des Sternenbündnisses glaubte.

Dabei waren die Bajoraner und Cardassianer für die Zuschauer, die The Next Generation schauten, keine Unbekannten. Die Bajoranerin Ro Laren (Michelle Forbes) war zum Beispiel ein regelmäßig auftauchender Gastcharakter, der ursprünglich auch fester Teil des Casts von Deep Space Nine hätte werden sollen. Und die Cardassianer kannte man zum Beispiel aus dem Zweiteiler Geheime Mission auf Celtis Drei, wo sie keinen schmeichelhaften Eindruck hinterließen.

Der Abgesandte konzentriert sich darauf, den Cast der Reihe einzuführen und das grundlegende Szenario aufzubauen. Letzteres funktionierte problemlos. Ersteres nicht ganz so gut.

Der AbgesandteEin Naivling, wie er im Buche steht

Es muss den Machern des Pilotfilms zu Gute gehalten werden, dass sie sich wirklich bemühten, jedem wichtigen Charakter mindestens eine Szene zu geben, wo er oder sie glänzen konnte. Doch das funktionierte nur bedingt, da Julian Bashir (Alexander Siddig), der Stationsarzt, in seiner Handvoll Auftritte blass und zweidimensional daherkam. Ein Naivling, der nachvollziehbar von Kira Nerys zu Recht gewiesen wurde.

Besser lief die Einführung für den Ferengi Quark (Armin Shimerman) und den formwandelnden Constable Odo, gespielt von René Auberjonois. Schon jetzt ist die Hassliebe bemerkbar, die sich zwischen den beiden entwickelte und die ein Merkmal der künftigen Staffeln werden sollte. Wobei die Figur von Odo vor allem durch die damals unglaublichen Special Effects für Interesse sorgte, mit denen der Charakter die Gestalt wechselte. Dabei glänzt er, genial von René Auberjonois dargestellt, mit einem spröden Charme und einer knallharten Durchsetzung von Recht und Ordnung auf der Station. Nur eine Szene irritierte, in der Odo davor zögerte, eine blutende Person anzufassen. Das passte nicht so recht zur vorherigen Darstellung.

Auch der Rest des Casts konnte glänzen. Terry Farrell merkte man sichtlich das Vergnügen an, eine Figur zu spielen, die jung und hübsch aussieht, dabei aber gleichzeitig in Wahrheit alt und früher männlich war. Besonders fällt auf, dass dabei ihr Verstand betont wird und nicht ihr Äußeres.

Glänzende Figuren

Einen besonderen Push erhielt Miles O‘Brien. Die Figur, dargestellt durch Colm Meaney, erhält viele exzellente Szenen, in denen er sich entweder mit der cardassianischen Technik herumschlagen durfte oder er Abschied von der Enterprise nahm. Doch selbst für Star Trek-Verhältnisse strapazierten seine Wundertaten beim Finale der Episode die technische Glaubwürdigkeit der Serie.

Von den Gastcharakteren glänzt vor allem Gul Dukat, der ehemalige Kommandeur von Deep Space Nine. Marc Alaimo spielt den Charakter gekonnt durchtrieben. Auch hier wird die Intelligenz der Figur betont, da er, als das Shuttle mit Sisko und Dax verschwindet, die richtigen Schlüsse zieht und sie verfolgt.

Der Abgesandte wurde in einigen Ländern zweigeteilt ausgestrahlt. Die erste Hälfte beschäftigt sich mit der Einführung des Status Quos auf Bajor sowie der Vorstellung der handlungstragenden Charaktere. Die zweite Hälfte dreht sich anschließend um das Wurmloch, beziehungsweise der Vorstellung der Wurmlochwesen. Und wo zuvor das Handlungstempo hoch war, wird es jetzt stark verlangsamt. Der Kontrast zwischen den beiden Hälften ist enorm und das Gefälle beim Tempo kann nicht überzeugen.

Wenn zu viel Tempo rausgenommen wird

Das Hauptproblem sind die Gespräche mit den Propheten. Es ist nachvollziehbar, dass hier versucht wurde, die Fremdartigkeit dieser Wesen, deren wahre Gestalt ja nicht zu sehen ist, deutlich rüberzubringen. Doch dabei ist man wesentlich übers Ziel hinausgeschossen, da den Erklärungen von Konzepten wie Tod oder Zeit zu viel Raum eingeräumt wird.

Sehr schön ist übrigens der Gastauftritt von Jean-Luc Picard (Patrick Stewart). Er bildet eine Art Kontrast, eine Art Anfangs- und Endpunkt, um zu zeigen, wie sich Benjamin Sisko entwickelt. Zu Beginn ist die Beziehung zwischen den beiden eher kühl, weil der Commander dem Captain der Enterprise die Ereignisse von Wolf 359 noch nicht vergeben hat. Gegen Ende ist dies jedoch geschehen, was man auch daran erkennt, dass er Picard in seinem Büro empfängt und sich nicht an Bord der Enterprise befindet.

Der deutsche Episodentitel ist eine 1 zu 1 Übersetzung des Englischen. Der Abgesandte, das ist Benjamin Sisko. Von daher passt die Namensgebung also.

Insgesamt ist der Pilotfilm trotz einiger kleineren Mankos ein ordentliches Debüt.

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Götz Piesbergen

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