100 Jahre DeForest Kelley: „Ich bin Mensch, nicht nur Schauspieler!“
Ich mag den Begriff „Idol“ nicht, wie ich schon bei so einigen vorherigen Gelegenheiten erklärt habe und noch immer stets erkläre. Für mich ist dieser Begriff umgeben von der Aura blinden fanatischen Eifers, und auch wenn er sich nicht auf ominöse Götzen bezieht, sondern auf herausragende Personen des alltäglichen Lebens, so finde ich diesen Begriff für mich selbst schlicht unschön. Doch wenn dem nicht so wäre und ich wollte ihn tatsächlich doch auf jemanden anwenden, der mich in meinem Leben geprägt hat, dann gäbe es wohl niemand anderen als DeForest Kelley, der ihn für mich tragen würde. Am heutigen Tag wollen wir hier bei warp-core.de in diesem Spotlight seiner gedenken.
Son Of A Preacher Man
DeForest Kelley, der in der ikonisch gewordenen Rolle als Dr. Leonard „Bones“/“Pille“ McCoy in 78 von 79 Folgen der klassischen Star Trek-Originalserie, der Pilot-Episode der Nachfolgeserie The Next Generation sowie natürlich den ersten 6 Teilen der Kinofilmreihe eine zweite Karriere in seinem Schauspielerleben startete, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Er wurde am 20. Januar 1920 in der Stadt Toccoa im US-Bundesstaat George geboren, etwa 140 Kilometer von dessen Hauptstadt Atlanta entfernt.
Sein vollständiger Name lautete Jackson DeForest Kelley, doch sein lebenslanger Spitzname wurde die Kurzfassung seines zweiten Vornamens, „De“. Seine Eltern, der Baptisten-Prediger Ernest David Kelley und seine Frau Clora benannten ihn nach dem Elektronik-Pionier Lee de Forest (1873-1961), der als einer der Väter des modernen Radios galt.
In seiner Kindheit und frühen Jugend zeigte De ein großes Talent als Sänger im Kirchenchor der Gemeinde seines Vaters in der Stadt Conyers, dies führte in seiner Jugend zu einem ersten Engagement bei dem Radiosender WSB in Atlanta und einem kurzen Engagement im Ensemble des damals bekannten Kapellmeisters Lew Forbes. Dementsprechend wollte der junge De zunächst Sänger werden. 1936 beendete er 16-jährig die High School und ging nach Long Beach in Kalifornien, um Karriere zu machen.
Über Wasser halten musste er sich wie viele seiner Kollegen mit verschiedenen Aushilfsjobs, unter anderem arbeitete er als Kellner in einem Restaurant. Hier sprach ihn schließlich der Leiter des örtlichen Theaters an, und er wurde Mitglied der Long Beach Theater Group, bei der er von da an in verschiedenen klassischen wie zeitgenössischen Stücken auftrat.
Zwar wurde dadurch ein Talentsucher vom Film auf ihn aufmerksam und er wurde zu einigen Castings eingeladen, erhielt jedoch daraufhin erst einmal keine Rollen und blieb weiterhin am Theater. Dabei lernte er 1942 die vier Jahre ältere, zu dieser Zeit noch (unglücklich) verheiratete Caroyn Dowling kennen. Carolyn wurde die große Liebe von DeForest Kelley, und die beiden heirateten am 7. September 1945 mit zwei indianischen Ringen für 25 Cent das Stück. Zu dieser Zeit stand die Schauspielkarriere von DeForest Kelley jedoch bereits in den Startlöchern.
Erste Rollen
Während des Krieges nämlich war De von den United States Army Air Forces (USAAF) zum Dienst eingezogen worden. Diesen verrichtete er witzigerweise auf dem Luftwaffenstützpunkt nahe der Kleinstadt Roswell im Bundesstaat New Mexico: Ganz in dessen Nähe, so will es eine seitdem nicht totzukriegende, immer wieder einmal thematisierte „Urban Legend“, soll es im Juli 1947 zum Absturz eines UFOs auf dem Gelände des Ranchers Mac Brazel gekommen sein, nach dem die US-Regierung mehrere lebende Außerirdische in Gewahrsam genommen haben soll. Darüber gibt es bereits mehrere Regalreihen voller Bücher, daher auch schnell zurück zu De Kelley. Dieser nämlich wirkte während seiner Dienstzeit in einem Lehrfilm der US-Marine mit, der im kalifornischen Culver City gedreht wurde.
Im Anschluss wurde er Teil eines „Young Talent“-Programms und erhielt schließlich einen Vertrag bei der großen Filmgesellschaft Paramount. Und damit begann seine Laufbahn als Schauspieler. Eine von Des ersten Hauptrollen war 1947 die des verängstigten jungen Vince Grayson in dem Film Noir – Angst in der Nacht neben seinem Beinahe-Namensvetter Paul Kelly und Ann Doran.
Leider ging der Film in der damaligen Welle ähnlicher Filme (in denen Stars wie Humphrey Bogart und James Cagney die Hauptrollen spielten) unter, gilt jedoch bis heute als Klassiker. Es folgten das Filmmusical Variety Girl neben damaligen Weltstars wie Bob Hope, Bing Crosby und Dorothy Lamour sowie das kirchlich produzierte Melodram „Beyond Our Own“, wo De erstmals einen idealistischen jungen Arzt spielte, im gleichen Jahr.
Western-Bösewicht vom Dienst
Volle 8 Jahre vergingen, in denen De Kelley in teils nur kleinen Nebenrollen in verschiedenen Filmen zu sehen war, ehe er seine erste Bestimmung fand: In dem Western Blut an meinen Händen mit Richard Egan und Dorothy Malone in den Hauptrollen spielte De, der schon immer ein guter Reiter gewesen war, den bösen Jim Breck. Schon 1949 und 1950 war er in zwei Folgen der seinerzeit beliebten Wildwest-Fernsehserie The Lone Ranger zu sehen gewesen. Von da an wurde er einer der führenden Westernbösewichter in der Endzeit des klassischen Westerns, der einst das erfolgreichste Genre überhaupt im Filmgeschäft gewesen war.
Neben in Kinofilmen wie Zwei rechnen ab (1957) neben Burt Lancaster und Kirk Douglas oder Der Schatz des Gehenkten mit Robert Taylor war De auch zunehmend im immer populärer werdenden amerikanischen Fernsehen, auch hier vorwiegend in Episoden von Western-Serien wie 26 Men, Rauchende Colts oder Bonanza zu sehen (wo er in vier Folgen unterschiedliche Rollen spielte). Hinzu kamen etliche andere Rollen in allen möglichen Krimi- und Drama-Serien der damaligen Zeit.
Die Rolle seines Lebens
…, die des Dr. McCoy, erhielt De Kelley erst, als er schon 46 Lenze zählte und bereits mit dem Gedanken an einen frühen Ruhestand gespielt hatte. In den 60er-Jahren nämlich hatte De in der Serie The Lieutenant mitgewirkt, die so etwas wie der Vorläufer von Navy CIS war, und dabei die Bekanntschaft des Showrunners gemacht, eines gewissen Gene Roddenberry, und sich mit ihm angefreundet. Roddenberry sprach De Kelley 1966 an, ob dieser sich eine Mitwirkung in seiner neuen Serie vorstellen konnte, einer Science-Fiction-Reihe mit dem Titel Star Trek. Hier schwebte Roddenberry die Rolle des spitzohrigen Aliens Mr. Spock für De Kelley vor.
Grundsätzlich war Kelley an einer Mitwirkung in der Serie nicht uninteressiert, bloß diesen spitzohrigen Kerl wollte er nicht unbedingt spielen. Also gab Roddenberry ihm den Part des Schiffsarztes Dr. McCoy, in der Originalfassung mit dem Spitznamen „Bones“ (dies leitet sich vom Wort „Sawbones“ [„Sägeknochen“] ab, was in sinngemäßer Übersetzung etwa „Knochenklempner“ bedeuten würde) versehen, woraus in der deutschen Fassung einige Jahre später „Pille“ wurde.
McCoy war trotz seines Auftauchens ab der 2. produzierten Folge von Star Trek bereits der 3. Bordarzt: Vor ihm taten Dr. Phillip „Bones“ Boyce (John Hoyt) in der erst später veröffentlichten Pilotfolge Der Käfig sowie Dr. Mark Piper (Paul Fix) im 2. Pilotfilm Die Spitze des Eisbergs ihren Dienst in der Krankenstation des Raumschiffes Enterprise. Nachdem Dr. McCoy in den ersten Episoden der neuen Serie eigentlich nur eine größere Nebenrolle spielte, wurde er nach und nach schließlich zu einer der drei Hauptfiguren der Serie und bildete zusammen mit dem impulsiven Captain Kirk und dem kühlen Mister Spock das wohl berühmteste Triumvirat der Science-Fiction-Geschichte.
Späteres Leben
Nach dem Ende der Serie Star Trek 1969 und vor dem Neustart der Serie in Form eines Kinofilms 10 Jahre später war DeForest Kelley nur noch eher selten in Film und Fernsehen zu sehen – eine der wenigen Ausnahmen war der Tier-Horror-Streifen Rabbits von 1972. Nach der Rückkehr als Dr. McCoy ab Star Trek – Der Film im Jahr 1979 begann die Gesundheit des Schauspielers mehr und mehr zu stagnieren.
Obwohl er in 5 weiteren Star Trek-Kinofilmen sowie dem Pilotfilm zu Star Trek – The Next Generation in die Rolle zurückkehrte, wurden die Dreharbeiten für den sympathischen und stets den Fans zugewandten Schauspieler aus diesem Grund immer problematischer. Im Jahr 1998 schließlich wurde Magenkrebs bei ihm diagnostiziert, der leider in Leber und andere lebenswichtige Organe metastasierte.
Am 11. Juni 1999 verstarb DeForest Kelley im Alter von 79 Jahren im Beisein seiner Frau Carolyn und seiner persönlichen Assistentin Kristine (Kris) M. Smith, die später über ihre jahrzehntelange Freundschaft mit dem Mimen mehrere leider nicht in deutscher Übersetzung erhältliche Bücher wie A Harvest Of Memories: My Life And Times With a Remarkable Gentleman Actor sowie The Enduring Legacy Of DeForest Kelley schrieb. Zu letzterem Buch gibt es eine tiefe persönliche Verbindung meinerseits, auf die ich gleich gern noch zu sprechen komme.
De And Me
Wer mich kennt, der weiß um meine fast lebenslange Verehrung für DeForest Kelley, der ab den allerersten Star Trek-Folgen in meiner Kindheit mein großer persönlicher Held wurde und für immer blieb. Leider habe ich niemals die Ehre und das Vergnügen gehabt, ihn persönlich kennenzulernen, aber er nahm dennoch Kenntnis von mir, und darauf bin ich unermesslich stolz bis zum heutigen Tage.
Alles begann im Sommer 1992, als ich ein Buch des Journalisten Winfried Bornemann mit Prominenten-Adressen in die Hände bekam, darunter auch die von De Kelley. Ich schrieb ihm einfach einen Brief in meinem damals wie heute durchaus akzeptablen Englisch ohne die gesonderte Bitte um ein Autogramm – ich wollte ihm lediglich meine Verehrung mitteilen. Es dauerte nur wenige Tage, bis etwas Erstaunliches geschah: DeForest Kelley schrieb zurück. Er schickte mir eine wunderschöne Karte mit persönlicher Widmung und Unterschrift, die ich bis heute wie einen Schatz hüte.
Es vergingen ein paar weitere Jahre. 1995 stand die Goldene Hochzeit von DeForest Kelley und seiner Frau Carolyn an. Im gleichen Jahr hatten meine Frau Sabine und ich im Sommer geheiratet. Ich trug dabei eine Star Trek-Uniform, während unsere Freunde vom damaligen TrekDinner Gießen ihrerseits in Uniformen Spalier auf dem historischen Domplatz meiner Heimatstadt Wetzlar standen – mehrere Regionalzeitungen berichteten damals hierüber.
Ich schrieb DeForest Kelley und seiner Carolyn eine Glückwunschkarte und legte ein Foto von unserer Hochzeit bei. Erneut erwartete ich keine Antwort und erlebte wieder eine Überraschung: Etwa 1 ½ Wochen später erreichte mich ein handschriftlicher (!) Brief von DeForest Kelley, dem er eine von ihm signierte, schon ohne seine kostbare Unterschrift ziemlich gesuchte Trading Card beigelegt hatte. Sowohl das Autogramm als auch Brief und Trading Card sind auf den Bildern in diesem Spotlight zu sehen.
Wenn es Tage meines Lebens gibt, die als „unvergesslich“ in mein ganz persönliches Logbuch eingegangen sind, dann gehören diese ganz sicher dazu. Leider hörte ich danach nicht mehr von ihm. Aber ich lernte seine einstige Assistentin Kris Smith kennen, mit der ich seitdem in regem E-Mail- und Messenger-Kontakt stehe. Kris lud mich damals ein, meine persönliche Geschichte rund um De für das im vorherigen Absatz genannte Buch The Enduring Legacy Of DeForest Kelley niederzuschreiben, was ich selbstverständlich tat. Die Geschichte füllt eins der Kapitel des Buches, und die Veröffentlichung davon bedeutet mir bis heute viel.
Er war es immer – und er wird es immer sein: Mein ganz persönlicher großer Held. Happy Birthday, DeForest Kelley!
DeForest Kelley im Web
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