Mit Ein gemeinsamer Feind im Bösen fängt Castlevania: Nocturne an.

Ein Showrunner-Wachwechsel

Als 2021 Castlevania mit Eine seltsame Zeit zu Ende ging, endete auch ein großer Erfolg für Netflix. Dementsprechend war es kein Wunder, als 2022 schließlich ein Sequel, ein Spin-Off vorgestellt wurde. Castlevania: Nocturne sollte dieses heißen und auf den Spielen Rondo of Blood sowie Symphony of the Night basieren.

Von den Produzenten der Vorgängerserie kehrten auch fast alle wieder zurück. Larry Tanz, Ted Biaselli und – was vielleicht am überraschendsten war – Showrunner und Hauptdrehbuchautor Warren Ellis waren jedoch nicht mehr dabei. Biasellis Rückkehr war allerdings sowieso eher unwahrscheinlich gewesen, weil er in einem #MeToo-Fall verwickelt war. Sein Nachfolger als Schöpfer, Showrunner und Drehbuchautor der Serie sollte sein Landsmann Clive Bradley sein, der in seinem Heimatland für seine Arbeiten viele Preise gewann. Er war allerdings nicht der Einzige, der für Castlevania: Nocturne Skripte verfasste. Er wurde dabei von Zodwa Noyni, Temi Oh und Testament unterstützt.

Der Maincast wurde mit Edward Bluemel (Killing Eve) als Trevor Belmont, Thuso Mbedu (Is’Thunzi) als Annette, Pixie Davis (Mary Poppins Rückkehr) als Maria Renard und Richard Dormer (Game of Thrones) als der Abt besetzt. Doch auch die Nebenfiguren erhielten berühmte Sprecher. Nastjassa Kinski (Tatort: Reifeprüfung) wurde zu Tera Renard, Marias Mutter, derweil Franka Potente (Lola rennt) die Vampirin Elisabeth Báthory sprach.

Traumata der Vergangenheit

1783 muss der zehnjährige Richter Belmont mit ansehen, wie der Vampir Olrox seine Mutter umbringt. Er selbst wird verschont, weil jener es nur auf Julia Belmont und nicht auf deren Spross abgesehen hatte. Entsetzt und mit der legendären Peitsche seiner Familie in der Hand flieht er nach Frankreich.

1792 ist er ein angesehener Vampirjäger, der bei Maria und Tera Renard lebt, beides Sprecherinnen. Maria ist eine Revolutionärin, die das einfache Volk zum Kampf gegen den Adel aufstacheln will, der überwiegend aus Vampiren besteht. Doch zuletzt mussten beide mehr Blutsauger töten als normal. Und einer der Getöteten spricht von einem Vampir-Messias, der die Sonne auslöschen wird.

Mehr Peitschenhiebe sind in diesem Fall sehr schön

Ein gemeinsamer Feind im Bösen fängt stark an. Powerhouse Animation Studios, die bereits bei Castlevania mit für die Animationen verantwortlich waren, sind auch dieses Mal für die bewegten Bilder zuständig. Und es wirkt so, als ob sie die Zeit, die zwischen Castlevania und Castlevania: Nocturne lag, dazu nutzen, ihr Handwerk zu verbessern. Denn die Animationsserie sieht noch besser aus, als es beim Vorgänger gegen Ende der Fall war.

Dabei vergeudetet die Serie keine Zeit, sondern führt sofort die wichtigsten Figuren ein. Olrox wird als besonders mächtiger Vampir präsentiert, der selbst Verletzungen, die ein normaler Untoter nicht überstanden hätte, problemlos überlebt. Ebenso wird auch gezeigt, dass er einen etwas verqueren moralischen Kodex hat, weil er Richter verschont und den Mord an dessen Mutter damit erklärt, dass diese eine Freundin von ihm auf den Gewissen hat.

Als Ein gemeinsamer Feind im Bösen in die Handlungsgegenwart umblendet, geht die Charaktereinführung weiter. Man sieht, dass aus dem Kind ein junger Erwachsener geworden ist, der vortrefflich mit der Belmontschen Peitsche umgehen kann. Letzteres erfreut das Gamerherz, weil sie in der Castlevania-Reihe viel zu selten wirklich als Waffe genutzt wurde. Überwiegend nutzte Trevor Klingenwaffen, um seine Feinde zu besiegen.

In jedem Fall gibt sich Richter als sehr selbstbewusst, teilweise schon fast arrogant. Dabei zeigt sich allerdings auch, dass das nur Fassade ist, dass er immer noch unter dem Mord an seiner Mutter, den er miterlebt hat, leidet. Und ebenso erweist es sich, dass er zwar gegen Vampire vorgehen kann. Aber gegen Nachtkreaturen, die er in dieser Episode das erste Mal trifft, sieht er nicht so gut aus.

Blutsauger in jederlei Hinsicht

Marian Renard ist in vielerlei Hinsicht das komplette Gegenteil von Richter. Nicht nur, weil sie jünger als er und ein Mädchen ist. Sondern auch, weil ihr Selbstbewusstsein deutlich größer ist als das ihres Ziehbruders. Und weil sie sich vehement in Ein gemeinsamer Feind im Bösen für die Rechte der niederen Stände einsetzt und versucht, sie zur Revolution anzustacheln.

Die französische Revolution ist dabei ständig präsent. Und hier geht Castlevania: Nocturne durchaus clever vor, indem sie den Adel als Vampire präsentiert. Es sind also im wahrsten Sinne des Wortes sowohl als auch in übertragenen Sinn Blutsauger, die die niederen Stände förmlich aussaugen. Man darf gespannt sein, wie diese Darstellung sich im Laufe der Serie dann noch entwickeln wird.

Das ist dabei nicht das einzige Interessante, das einen neugierig auf die kommenden Folgenmacht. Auch der Abt, der eher zögerlich Richters Warnungen akzeptiert, sowie die beiden Neuankömmlinge an der Seite des Vampirjägers und seiner Familie sind vielversprechende Figuren, bei denen jedoch in Ein gemeinsamer Feind im Bösen nur der Ansatz der Charakterisierung gezeigt wird. Doch das reicht aus, um das Interesse des Zuschauers zu wecken.

Offene Fragen sind auch was Schönes

Und dann ist da noch dieser ominöse Vampir-Messias. Eine ungewöhnliche, schon fast religiöse Ansicht der Blutsauger, die in der Castlevania-Serie als nicht sonderlich gläubig präsentiert wurden. In jedem Fall scheint dies der Big Bad von Nocturne zu sein, auf dessen erstes Auftreten die Reihe zunächst hinarbeiten dürfte.

Klar ist, dass es noch viel gibt, was die Serie einbauen kann. Vor allem Querverbindungen zur Castlevania-Reihe direkt dürften interessant sein. Schließlich sind noch einige Fragen offen: Leben Dracula und Alucard noch? Was ist mit der Belmontschen Bibliothek und dem Schloss von Dracula geschehen? Was ist mit den letzten beiden Überlebenden von Carmillas Schwesternschaft? Ein gemeinsamer Feind im Bösen schweigt sich über diese Fragen aus und konzentriert sich stattdessen darauf, die Basis für seine eigene Geschichte zu bauen. Was definitiv eine gute Idee ist. Die offenen Fragen laufen schließlich nicht weg.

Es ist ein vielversprechender Anfang, wenn auch kein überragender. Ein wenig fehlt noch der letzte Feinschliff bei einigen Dialogen und die Gewichtung der jeweiligen Akte. Manche Gespräche klingen etwas steif und der Übergang zwischen den einzelnen Abschnitten wirkt manchmal etwas holprig. Doch das kann sich im Laufe der Serie nur bessern.

 

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Götz Piesbergen

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