Stellt der neue Captain America-Film wirklich eine Brave New World, also eine mutige neue Welt, fürs MCU dar?

Wird die Hoffnung bestätigt?

Bei meiner Rezension zu Deadpool & Wolverine war ich noch guter Dinge. Ich war der Auffassung, dass der Film ein gutes Signal war, dass das MCU wieder in seine Spur zurückgefunden hatte. Umso gespannter war ich daher auch auf die Filme, die dieses Jahr, also 2025 in die Kinos kommen sollten. Vor allem auf Captain America: Brave New World wartete ich.

Die Wartezeit auf den Film sollte allerdings durch allerlei nicht so gute Nachrichten getrübt werden. Die Rede war davon, dass der Kinofilm bei den Testaufführungen durchfiel. Dass es erhebliche aufwendige Nachdrehs geben sollte. Dass das Drehbuch ebenfalls enorm überarbeitet wurde. Sollte Marvel nervös geworden sein?

Doch der Reihe nach. Denn lange Zeit stand nicht fest, ob es einen weiteren Captain America-Film geben sollte. Stattdessen fokussierte sich Marvel zunächst auf die The Falcon and the Winter Soldier-Miniserie, die ja mit zu den ersten Serien gehörte, mit denen damals die Marvel-Rubrik auf Disney+ eingeweiht wurde. Erst nachdem die Streamingserie beendet war, war klar, dass es einen vierten Captain America-Film geben würde. Und zwar mit Howard Mackie in der Hauptrolle.

Ein problematisches Casting

Dabei sollte das Drehbuch von dem Serienschöpfer Malcolm Spellman und dem Drehbuchautoren Dalan Musson stammen. Für die Regie wurde 2022 Julius Onah (The Cloverfield Paradoxon) angeheuert. Der Film sollte hierbei bewusst keine Fortsetzung der Streamingreihe sein, sondern stattdessen eine eigene Geschichte mit neuen Charakteren erzählen.

Wobei es dennoch einige Figuren gab, die wiederkehrten. So nahmen Danny Ramirez seine Rolle als Joaquin Torres, der neue Falcon, und Carl Lumbly seine als Isaiah Bradley wieder auf. Überraschend war die Wiederkehr von Tim Blake Nelson als Samuel Sterns. Dieser hatte die Rolle zuletzt in dem The Incredible Hulk-Film aus dem Jahr 2008 gespielt.

Für Turbulenzen sollte allerdings das Casting der israelischen Schauspielerin Shira Haas als Sabra sorgen. Die Figur war in den Comics eine israelische Superheldin, deren Feinde oft als stereotype arabische Charaktere waren. Weshalb einerseits vor allem die Palästinenser mit dem Casting unglücklich waren. Andererseits befürchteten die israelischstämmigen Amerikaner, dass der israelische Hintergrund der Figur aus „falscher Rücksichtnahme“ (Meine Worte, nicht deren) auf die Palästinenser entfernt werden würde. Doch Marvel versicherte, dass man, wie es beim Studio üblich sei, die Figur für das moderne MCU-Publikum neu erfinden würde. Und so war der Charakter in dem Film keine Agentin des Mossads, sondern eine ehemalige Black Widow mit dem Namen Ruth Bat-Seraph. Am Ende war dies eine Entscheidung mit der zumindest die Anti-Defamation League und das American Jewish Comitee leben konnten.

Ein sehr prominentes Casting

Wobei das Casting von Harrison Ford sicherlich mit dafür sorgte, dass diese Kontroverse nur in bestimmten Kreise publik wurde. Denn der legendäre Schauspieler übernahm die Rolle des Thaddeus „Thunderbolt“ Ross. Ursprünglich wurde diese Figur ja von William Hurt dargestellt, der allerdings im Mai 2022 verstarb.

Harrison Ford kam zu der Figur, weil er einfach Interesse hatte, im MCU mitzuwirken und Kontakt zu Kevin Feige aufnahm. Er sagte auch zu, ohne überhaupt das Drehbuch gelesen zu haben. Übrigens wurde das Fehlen des prominenten Schnurrbarts der Figur dadurch erklärt, dass die politischen Berater des Charakters dazu rieten. Denn entweder müsste diese Behaarung weg oder das Präsidentenamt wäre fort.

Gleichzeitig war ebenfalls klar, dass die Serpent Society, eine Gruppe von Antagonisten mit Schlangenthema, die Gegenspieler im Film sein sollte. Hierfür wurden dann auch einige Leute gecastet. Der WWE-Wrestler Seth Rollins sollte hier als Mitglied der Organisation auftreten, ebenso wie Rosa Salazar (Battle Angel Alita) als Diamondback in Erscheinung treten sollte.

Da läuft etwas gewaltig schief

Die Dreharbeiten gingen über die Bühne, es kam zu den ersten Testvorführungen und… hier müssen Dinge schiefgelaufen sein. Glaubt man den Quellen, dann müssen diese Vorführungen so katastrophal gelaufen sein, dass Marvel Studios nochmal massiv in den bereits gedrehten Film eingriff. Mehrere Szenen wurden gestrichen, es gab umfangreiche Nachdrehs und viele Details veränderten sich.

Sicherlich die wichtigste Veränderung war, dass Giancarlo Esposito (Breaking Bad) dem Cast beitrat. Er übernahm die Rolle von Sidewinder, dem Anführer der Serpent Society. Und auch, wenn sein Kostüm nicht dem aus den Comics entsprach, wurden einige Anspielungen darauf eingebaut. Doch das Casting hatte zur Folge, dass die bereits gedrehten Szenen mit Seth Rollins und Rosa Salazar gestrichen wurden.

Auch das Aussehen von Samuel Sterns wurde in den Nachdrehs geändert. Ursprünglich muss wohl der Charakter den verlängerten Schädel der Comicvorlage gehabt haben. In den Nachdrehs wurde dies so verändert, dass es jetzt so wirkte, als ob sein Gehirn durch den Schädel hindurch wuchs. Was sich ebenfalls an einem Comicdesign orientierte, was allerdings nicht ganz so bekannt war.

Ein neuer Präsident und ein neuer Captain America

In jedem Fall sollte Captain America: Brave New World am 11. Februar seine Weltpremiere feiern.

Vor fünf Monaten wurde Thaddeus Ross zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Eins seiner Hauptanliegen ist eine weltweite Allianz, um die Überreste des Celestials Tiamut abzubauen. Denn von dort stammt das neue Element Adamantium. Doch eine Probe dieses Materials wird von der Serpent Society gestohlen, weshalb der Präsident Captain America beauftragt, es wieder zu erlangen.

Die Mission ist erfolgreich, auch wenn der Anführer der Serpent Society fliehen konnte. Dennoch werden Sam Wilson, Joaquin Torres und Isiah Bradley ins Weiße Haus eingeladen. Wo es allerdings zu einem Vorfall kommt, als Bradley auf ein Mal auf den US-Präsidenten feuert. Sam kann den ehemaligen Supersoldaten stoppen, doch der kann sich an seine Tat nicht mehr erinnern.

Es ist wieder so ein Film

Also macht sich Captain America daran, selber herauszufinden, was geschehen ist. Und stößt schon bald auf eine Verschwörung, in die der US-Präsident mit involviert ist. Der gleichzeitig auch darum kämpft, dass seine Allianz nicht auseinanderfällt. Wobei er ebenfalls ein düsteres Geheimnis hat, dass er versucht mit allen Mitteln zu verheimlichen.

Vorab: Um die Handlung des Films zu verstehen, empfiehlt es sich vor allem The Incredible Hulk und The Falcon & The Winter Soldier anzuschauen. Die Herkunft von Ruth Bat-Seraph erfährt man im Black Widow-Film und die des Celestials wird in Eternals erklärt. Letzteres ist übrigens das erste Mal, dass die Ereignisse jenes Kinofilms im MCU aufgegriffen werde.

Als Captain America: Brave New World in die Kinos kam, war das mal wieder so ein Film. Ein Film, denn viele Onlinekritiker entweder mochten oder hassten. Vor allem für die eh schon lautstarken Kritiker des aktuellen MCUs war dies ein weiteres Zeichen dafür, dass das Studio und sein Cinematic Universe in großen Schwierigkeiten waren.

Kein Überflieger, kein Reinfall

Wobei selbst Hard Core MCU-Fans eingestehen, dass der Film kein Überflieger ist. Er ist aber auch kein Reinfall, wie es Quantumania war. Es ist ein solider Kinofilm, den man qualitätstechnisch am ehesten mit Thor: The Dark Kingdom aus der zweiten MCU-Phase vergleichen kann. Wobei die Fehler, die „Brave New World“ macht, völlig andere sind, als der Streifen aus dem Jahr 2013.

Was in diesem Captain America-Film funktioniert, ist, dass er ein für alle Mal Sam Wilson als Captain America etabliert. Gleichzeitig wird nicht der Fehler gemacht, dass seine Aktionen ständig mit denen von Steve Rogers verglichen werden. Der Name des ersten Captains fehlt nur sporadisch, wobei gleichzeitig klar verdeutlicht wird, dass seine Zeit ein für alle Mal vorbei ist. Das jetzt die Ära von Sam Wilson angebrochen ist.

Und der macht über weite Teile des Films durchaus einen guten Job in seiner Rolle. Auch hier wird über weite Strecken vermieden, ihn als jemanden zu präsentieren, der in seine neue Funktion erst noch reinwachsen muss. (Das geschah bereits in The Falcon & The Winter Soldier). Hier ist er überwiegend selbstbewusst.

Ein Fremdkörper

Ich habe die letzten Absätze deshalb so einschränkend geschrieben, weil es eine sehr künstlich anmutende Szene gibt, in der Sam Zweifel an sich selbst kommen. Hier kommt es zu einem Gastauftritt von Bucky Barnes, der gerade für den US-Kongress kandidiert. Und dieser redet mit Sam und muntert ihn auf, sagt ihm, dass Steve die richtige Entscheidung getroffen hat, als er den damaligen Falcon als Nachfolger ausgewählt hat.

Alleinstehend wirkt die Szene nett. Doch im Kontext des Films wirkt sie wie ein Fremdkörper. So als ob sie nur eingebaut wurde, um eine weitere MCU-Querverbindung aufzubauen und zu zeigen, dass Sam trotz allem immer noch ein Mensch ist. Doch wirken diese Gewissensbisse, die er hier zeigt, sehr aufgesetzt und nicht sonderlich überzeugend.

Zum Glück ist dies die einzige Szene, die in Brave New World so nicht funktioniert. Ansonsten ist der Film über weite Teile unterhaltsam. Die Probleme, die er hat, lassen sich mehr unter „Nicht genutzte Elemente“ zusammenfassen.

Nette Organisation, tritt sie auch mal auf?

Giancarlo Esposito als Sidewinder ist die Offenbarung des Films. Er tritt nur in wenigen Szenen auf, kann allerdings in allen überzeugen. So beispielsweise, als er Sam eine Falle auf offener Straße stellt und dann im folgenden Gefecht mit Captain America mithalten kann. Er ist ein intelligenter Antagonist, bei dem am Ende klar wird, dass er wiederkehren wird. Hoffentlich blüht seiner Figur nicht dasselbe Schicksal wie dem von Andy Serkeis dargestellten Ulysses Klaw, bei dem man das Gefühl hatte, dass sein Potential nie wirklich genutzt wurde. Denn man merkt dem Schauspieler an, dass er den Spaß seines Lebens hatte, Captain America das Leben schwer zu machen.

Allerdings ist die Figur Anführer der Serpent Society, einer Organisation. Doch bis auf den Erstauftritt zu Beginn des Films tritt die Gruppe nicht in Erscheinung. Stattdessen agiert Esposito vollkommen alleine und von seinen Kameraden ist nicht mehr die Rede. Da stellt sich die Frage, wieso sie überhaupt eingeführt wurde, wenn sie kaum genutzt wird.

Auch hätte Danny Ramirez Falcon mehr Profil vertragen können. Über weite Teile des Films ist er der klassische Sidekick. Er unterstützt Captain America und kämpft mit ihm zusammen. Doch hat man nie das Gefühl, dass man etwas Persönliches von ihm mitkriegt, abgesehen von seiner Freude darüber, wenn er als der neue Falcon mitkämpfen darf. Die Figur ist im Prinzip präsent, trägt auch vieles zur Handlung bei, schrammt aber haarscharf daran vorbei, austauschbar und generisch zu wirken.

Hat sie auch eine Vergangenheit?

Wobei er nicht die einzige Figur ist, auf die das zutrifft. Auch Shira Haas als Ruth Bat-Seraph bleibt über weite Teile des Films merkwürdig profillos. Sie ist auf der Seite der Helden und agiert intelligent. Dass sie gefährlich ist, zeigt sich, als sie einen Flur voller Soldaten nahezu im Alleingang ausschaltet. Doch auch bei ihr hat man das Gefühl, dass sie über den Status indirekter Sidekick nicht hinauskommt. Ihre Motivationen, wieso sie jetzt so handelt, wie sie es tut, hätten besser ausgearbeitet werden können.

Und dann leidet der Film auch hauptsächlich darunter, dass der große Plottwist im Finale schon in den Trailer vorab genommen wurde. So fragt man sich die ganze Zeit, wann endlich der rote Hulk auftaucht und wieso „Thunderbolt“ Ross zu diesem wird. Was der Spannung nicht unbedingt förderlich ist.

Wobei sich Brave New World wirklich bemüht, zu erklären, wieso der neue US-Präsident zum Hulk wird. Genauso, wie es auch versucht wird, seine Charakterisierung anders zu gestalten. Man erlebt hier jemanden, der wirklich versucht, eine neue Seite seines Lebens aufzuschlagen, in dem er beispielsweise wiederholt versucht, mit seiner Tochter Betsy – Liv Tyler hat übrigens am Ende einen überraschenden Gastauftritt – Kontakt aufzunehmen, nachdem sie sich von ihm entfremdet hat.

Menschen ändern sich

Dies ist auch eine gute Erklärung dafür, wieso Harrison Ford seinen Ross anders darstellt als William Hurt. Hurts Ross war durch und durch ein Mann des Militärs, der in Schwarz/Weiß dachte und versuchte, alles in seinem Leben zu kontrollieren. Fords Ross hat eingesehen, dass das Leben Grau ist und manche Sachen sich nicht kontrollieren lassen. Wobei man allerdings ebenfalls merkt, dass der alte Ross, der bärbeißige, den William Hurt darstellte, immer noch da ist. Was anschließend auch dazu genutzt wird, um zu erklären, wieso er dann zum Hulk wird.

Dass Tim Blake Nelson zurückkehrt, ist dabei die schönste Überraschung des Films. Auch, dass sich in den Nachdrehs entschlossen wurde, dass Aussehen von seiner Figur Samuel Stern zu verändern, war eine gute Entscheidung. So wirkt der Charakter noch mehr wie ein Monster. Was ihm an Stärke fehlt, macht er durch seinen gesteigerten Intellekt wett. Mit dem er eben ebenfalls dafür sorgte, dass „Thunderbolt“ Ross immer mehr und mehr die Kontrolle über sich verliert und so im Finale zum Hulk wird. Und auch hier bleibt die Tür für eine Rückkehr offen. Die dann hoffentlich nicht allzulange auf sich warten lässt.

Der finale Kampf ist selbstverständlich wieder ein CGI-Spektakel. Der rote Hulk wird dabei nicht bloß wie der bekannte Hulk nur in einer anderen Farbe dargestellt. Sondern ebenso haben seine Gesichtszüge gewisse Ähnlichkeiten mit denen von Harrison Ford. Was natürlich auch irgendwo sein musste.

Aus Fehlern gelernt

Wenn es etwas an dieser Auseinandersetzung zu kritisieren gibt, dann ist es die Tatsache, dass ein Element von Anfang des Films nicht wieder aufgenommen wurde. Zu Beginn heißt es, dass Sams neuer Anzug ein Geschenk der Wakanderianer war. Er absorbiert kinetische Energie und kann diese auch von sich schleudern. Doch davon wird nur in der ersten Auseinandersetzung Gebrauch gemacht. Danach sieht man wiederholt nur, wie die Flügel Energie aufnehmen, aber sie nicht wieder von sich geben. Das ist dann etwas, worüber man ständig stolpert.

Was eben auch dazu führt, dass der finale Kampf nicht ganz so spektakulär ausfällt, wie man es sich wünschen würde. Es fehlt das gewisse Etwas. Er ist zwar kein kompletter Reinfall, eben weil Marvel von den CGI-Fehlern der Vergangenheit scheinbar endlich gelernt hat. Aber er bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Wobei auch für die Zukunft etwas aufgebaut wird. Neben der obligatorischen Post-Credit-Szene, wo erneut das Multiversum aufgebaut wird, ist sicherlich ebenso die Rolle des Adamantiums wichtig. Dieses in den Comics unzerbrechliche Material ist vor allem durch Wolverine bekannt, dessen Skelett damit verbunden worden ist. Es wird also weiter auf gewisse bekannte Mutanten hingearbeitet, wann auch immer die das erste Mal im MCU auftreten werden.

Captain America: Brave New World ist der schwächste aller Captain America-Filme. Aber man wird dennoch gut unterhalten. Und die Einspielergebnisse deuten darauf hin, dass auch das Publikum dies honoriert. Zum Glück.

Info

Regie: Julius Onah
Drehbuch: Rob Edwards, Malcolm Spellman, Dalan Musson, Julius Onah, Peter Glanz, Story by Rob Edwards, Malcolm Spellman, Dalan Musson
Produzent: Kevin Feige, Nate Moore
Hauptdarsteller: Anthony Mackie, Danny Ramirez, Shira Haas, Carl Lumbly, Xosha Roquemore, Giancarlo Esposito, Liv Tyler, Tim Blake Nelson, Harrison Ford
Kamera: Kramer Morgenthau
Schnitt: Matthew Schmidt, Madeleine Gavin

 


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Götz Piesbergen

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