Eine Androidin entwickelt ein eigenständiges Bewusstsein und Gefühle.
Das Szenario
In der Zukunft hat die Menschheit über 3.000 Welten kolonisiert. Zu viele, um sie alle verteidigen zu können. Über 70 Angriffe einer reptiloiden Spezies hat es bereits gegeben. Die Fremden, die von den Menschen Insankatiler genannt werden, machen keine Gefangenen. In einem bestimmten Radius löschen sie alles Leben gnadenlos aus, dann ziehen sie sich wieder zurück.
Während die verbliebenen Menschen, die außerhalb der Angriffszonen überlebt haben, fliehen, werden vom irdischen Militär weiblich aussehende Androiden abgesetzt, welche die Erinnerungen der Toten einscannen. Alle Menschen tragen nämlich implantierte Gedächtnisspeicher, deren Daten Aufschluss über die Angreifer geben könnten. Die Androiden, die „letzte Engel“ genannt werden, gehen dabei streng nach Protokoll vor. Sie haben zwar eine KI, aber kein Bewusstsein. Alle, bis auf eine.
Die Abweichlerin hadert lange mit sich, ob sie ihre eigenständige Persönlichkeit preisgeben soll. Ein neues Gefühl der Angst hält sie jedoch davon ab. Gut für sie, denn nach dem 77. Angriff stößt sie auf dem Planeten Ilog auf einen Überlebenden in der Todeszone. Noch kurioser ist, dass sie seinen Gedächtnischip nicht scannen kann, weil dieser deaktiviert ist. Sie rennt dem flüchtenden Jungen hinterher, der sie in eine Falle lockt. Sie wird von einem Mann gefangen genommen und an Bord eines Raumgleiters gebracht.
Zunächst müssen der Fremde und seine insgesamt drei Jungs vor dem Militär fliehen und sich verstecken. Endlich in Sicherheit, offenbart sich der Mann selbst als Android. Er berichtet der weiblichen Androidin, dass er einst ein Engel-Vernichter war. Das bedeutet, er hat in einem Konzentrationslager gearbeitet, in welches alle Engel-Androiden mit einem Persönlichkeits-Bug gebracht werden. Seine Aufgabe war es, ihre Daten zu sichern und sie anschließend zu zerstören, um aus den Rohstoffen neue Androiden zu produzieren. Dies sei billiger, als fehlerhafte Modelle umzuprogrammieren.
Irgendwann erkannte er bei sich selbst eine Persönlichkeit und entwickelte sowohl Reue als auch Abneigung gegenüber seiner Aufgabe. Er floh und fand in den Straßen eines Arbeiterghettos die drei Jungs, die ihn fortan begleiten sollten. Bezüglich der Aufgabe der Engel vermutet er, dass die Streitkräfte der Erde bereits vorab von den Angriffen der Insankatiler wissen und die Kolonien absichtlich opfern. Deren Aufbau kostet die Zentralregierung auf der Erde inzwischen nämlich mehr als die ungebremste Ausbreitung der Menschen einbringt. Obendrein wird der Ruf nach Unabhängigkeit immer lauter. Die Angriffe scheinen also wie gelegen zu kommen.
Die eigenständig denkende Engel-Androidin soll sich an Bord eines der Erdraumschiffe schleichen und dort den Platz eines baugleichen Modells einnehmen. Sie willigt ein und aktiviert sich vor dem Einsatz aller anderen Engel. Im Hangar des Trägerschiffes schleicht sie sich auf ein Kampfschiff und wird Zeugin des Angriffs. Dabei deckt sie einen gewaltigen Schwindel auf, der die wahre Grausamkeit hinter den Angriffen offenbart. Sie soll Beweise sammeln, damit sie im gesamten Koloniversum verbreitet werden können.
Entgegen ihres Auftrages schreitet sie jedoch ins Kampfgeschehen ein, als eine Schule voller Kinder eingeebnet werden soll. Der ehemalige Engel-Vernichter eilt ihr zu Hilfe, wodurch er selbst zur Zielscheibe wird. Er und die drei Jungs sterben, während der letzte Engel gefangen genommen und in ein Vernichtungslager gebracht wird. Ihre letzte Hoffnung, die Wahrheit publik zu machen, wäre ein Aufstand der Androiden, die über ein Bewusstsein verfügen. Doch ihre Leidensgenossinnen glauben ihr nicht und gehen brav zur Schlachtbank.
Rezension von Der letzte Engel
Dieser Comic hat es wirklich in sich. Schon der erste Angriff auf eine Koloniewelt zeigt brutale Gewalt gegen Zivilisten durch eine reptiloide Spezies, die ganze Familien samt Frauen und Kindern massakriert. Irgendwie scheinen Echsenmenschen für diese Aufgabe prädestiniert zu sein, da sie Urängste der Menschen bedienen. Doch hier ist nichts wie es anfangs scheint.
Als Erstes muss die ihrer selbst bewusst gewordene Androidin von einem anderen Modell erfahren, dass alle Androiden mit einem Bewusstsein vernichtet werden. Eigenständiges Denken ist unerwünscht und das gilt auch für die Menschen, die alle von Geburt an einen Chip im Hirn tragen. Ihre Gedanken und Erinnerungen sind damit ein offenes Buch für die Regierung. Wer sein Ghetto verlässt und sich unerlaubt in den Bezirk der reichen Oberschicht begibt, kann dies nicht verbergen und wird hart bestraft. In den Kolonien hat man davon allmählich die Schnauze voll und strebt nach Unabhängigkeit.
Um einen für beide Seiten verlustreichen Unabhängigkeitskrieg zu vermeiden, hat sich die Zentralregierung auf der Erde eine Alternative ausgedacht, die nur für die Gegenseite verlustreich ist. Die Symbolsprache, dass einer Reptilienspezies die Schuld für alles Elend in die Schuhe geschoben wird, während die Menschen selbst ihr größter Feind sind, könnte kaum aktueller sein. Überdies ergibt sich hier eine überraschende Wendung und das Ende ist an Bitterkeit kaum zu übertreffen. Eine Chance, die Wahrheit offenzulegen, wird verspielt, weil die Androiden menschlicher handeln als die Menschen. Der Comic ist wirklich äußerst deprimierend und trostlos, aber genau das macht ihn so herausragend!
Fokus auf den Charakteren
Der Zeichenstil lässt ebenfalls kaum Wünsche offen. Vor allem die Charaktere sind hervorragend herausgearbeitet. Ihrer Mimik kann man ihre Gefühle jederzeit ablesen, Gesichter und Hände erscheinen sehr natürlich. Der Faltenwurf der Kleidung ist auch okay, Posen und Perspektiven stimmen. Die Umgebungen sind recht gut detailliert, nur die Raumschiffe hätten etwas mehr Oberflächenstruktur vertragen können.
Mit der Kolorierung ist gleichermaßen alles in Ordnung, die Farben wirken natürlich und die weichen Verläufe passen sich den Oberflächen an. Vor allem der Lichteinfall ist gelungen, die Leuchteffekte sind ebenfalls okay. Nur mit Glanzeffekten wurde gespart und im Hintergrund sind manche Flächen etwas monoton eingefärbt. Das Cover ist diesbezüglich geringfügig besser, der Unterschied ist jedoch im Vergleich zu anderen Bänden der Reihe eher marginal.
Fazit: Die Wahrheit ist bitter
Band 7 der Androiden-Reihe ein absolutes Highlight. Zumindest für alle, die Dystopien ohne Happy End mögen. Eine spannende Handlung voll überraschender Wendungen trifft auf exzellente Bilder. Bitte mehr davon!
Info
Autor: Jean-David Morvan
Zeichner: Elia Bonetti
Farben: Elmer Santos
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite
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Story10/10
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Zeichenstil9/10
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Kolorierung9/10
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