Der Androide Kielko entwickelt eine unheimliche Persönlichkeit.

Das Szenario

Im Los Angeles des Jahres 2037 gehören Androiden überall zum Stadtbild. Kielko dient der Familie Morgan als Haushaltshilfe sowie Babysitter für den Sohn Kylian und als Begleiter der Eltern bei Empfängen. Auf einem Empfang in der Kunstgalerie von Grady Morgan beobachtet Kielko, wie sein Meister heimlich mit einer fremden Frau auf ein Stelldichein verschwindet. Derartige Seitensprünge haben noch böse Konsequenzen, denn eine der Damen erpresst Grady kurz darauf mit Videobeweisen.

Nachdem der Androide einen Streit mit der Künstlerin Isabella Lanny miterlebt hat, befiehlt sein Besitzer, dass er seine Erinnerungen daran löschen soll. Selbiges vergisst er allerdings, als er Kielko in einer der folgenden Nächte als Bodyguard in ein Vergnügungsviertel mitnimmt, wo er sich mit einem Mittelsmann trifft. Von diesem bekommt er die Videoaufnahme gegen eine erhebliche Summe Schweigegeld. Der Übermittler rät ihm, sich das nächste Mal eine Prostituierte zu nehmen, da diese billiger seien. Grady versteht dies als Aufforderung und geht sofort wieder fremd. Als sein Androide beim Spannen erwischt wird, schickt er ihn heim.

Wie sich bald herausstellt, ist die Sache mit dem Schweigegeld noch nicht erledigt, denn Isabella hat eine Kopie des Sex-Tapes und will nun ein regelmäßiges Einkommen. Bei einem nächtlichen Treffen an einem Pier dreht Grady durch und erwürgt die Erpresserin. Als er merkt, was er angerichtet hat, flieht er vom Tatort. Am nächsten Tag wird über den Fund einer Frauenleiche berichtet, die allerdings mit einem Holzmeißel erstochen wurde.

Wenig später sucht Grady den Mittelsmann auf, der ihn auffliegen lassen könnte. Als er bei diesem eintrifft, findet er jedoch nur noch dessen Leiche vor. Er wurde ebenfalls erstochen, wie die gerade eintreffende Polizei feststellt, die Morgan sofort verhaftet. Sein Anwalt kann ihn gerade noch mal raushauen, bevor als nächstes eine Prostituierte ermordet wird.

Während der ganzen Zeit entwickelt Kielko ungewöhnliche Verhaltensweisen. Er beobachtet seine Besitzer heimlich nachts beim Schlafen, schaut für Androiden verbotene Filme an und entwickelt ein ungesundes Interesse an menschlichen Körpersäften, allen voran Blut. Die Lage eskaliert, als Dorothy Morgan die Aufnahme erhält, in der Grady mit Isabella Sachen macht, die unter die Kategorie „Kinky“ fallen. Die beiden geraten in Streit und Dorothy will ihren Mann rauswerfen. Als die beiden handgreiflich werden, sticht Kielko auf sie ein, um seinen Meister zu schützen.

Der Fall scheint nun klar und die Polizei nimmt den Androiden mit. Dieser bestreitet seine Taten zunächst, hält dem Verhör jedoch nicht stand und gibt schließlich alle Morde zu. In einem letzten Gespräch mit seinem Besitzer sagt er diesem, dass er seine Manipulationsversuche bemerkt habe. Dennoch habe er die Schuld auf sich genommen, um Grady zu schützen. Als Kielko in der Schrottpresse zerdrückt wird, entweicht ihm eine Träne seiner Schmierflüssigkeit.

Rezension von Kielkos Tränen

Der erste Zyklus der Androiden-Reihe endet mit einer echt heftigen Story. Alles beginnt mit der Untreue von Grady Morgan seiner Frau Dorothy gegenüber. Diese hat schnell unangenehme Folgen, die seinen Ehebruch auffliegen lassen könnten. Das alles hat nicht nur Auswirkungen auf die Ehe der beiden, es macht auch etwas mit ihrem Androiden Kielko. Der ist schon gleich zu Beginn sonderbar. So beobachtet er während seiner Aufladung das Ehepaar beim Sex, obwohl er eigentlich im Standby-Modus sein sollte. Da der Frau die Ausrichtung der Ladestation unheimlich ist, lässt Grady diese später verlegen.

Doch der Androide schleicht auch heimlich des Nachts durch das Haus und beobachtet die beiden im Bett. Außerdem erwirbt er sich Wissen über die menschliche Anatomie und sieht sich Krimifilme an, die für Androiden verboten sind, da sie im Konflikt mit den Gesetzen der Robotik stehen. Das Verhalten von Kielko wird zunehmend spooky, zumal er es im wahrsten Sinne des Wortes spannend findet, seinen Besitzer beim Umgang mit einer Prostituierten zu beobachten. Dieser Voyeurismus stellt einen klaren Verstoß gegen seine Programmierung dar.

Die Lage eskaliert, als Grady Isabella erwürgt. Als am nächsten Tag in den Nachrichten über den Mord berichtet wird, zeigt sich der Familienvater über die zusätzlichen Stichwunden entsetzt. Doch wer hat sie der Leiche zugefügt? Man sieht auf den Seiten zuvor nur, wie ein Holzmeißel neben der Leiche liegt und Grady vom Tatort flüchtet. War er es oder sein Androide? Letzterer ist zunehmend von Blut fasziniert, wie sein Verhalten gegenüber einem überfahrenen Opossum oder einer Verletzung des kleinen Kylian zeigen.

Ebenso unklar ist, wer den Mittelsmann als Zeugen ausgeschaltet hat. Als Morgan dessen Wohnung betritt, folgt ihm die Polizei bereits. Die Zeit scheint etwas zu knapp für einen Mord, doch andererseits ist die Kleidung des Verdächtigen blutverschmiert, was sie ja wohl kaum wäre, wenn er die Leiche lediglich gefunden hätte. Andererseits haben Zeugen kurz vor der Tat auch einen Androiden gesehen. Die einzige Tat, die Kielko definitiv zugeschrieben werden kann, ist die Messerattacke auf Dorothy, die vor Gradys Augen stattfindet. Diese hat er allerdings nur schwer verletzt und nicht umgebracht.

Die scheinbare Auflösung ist alles andere als schlüssig. Hat Kielko die Morde nun begangen, um seinen Meister zu schützen? Oder hat er lediglich die Schuld auf sich genommen, um seinen Meister zu schützen? Beides wäre möglich. Immerhin hat Grady sein erstes Opfer nur im Affekt erwürgt und da scheint es nicht zu passen, dass er ihre Leiche im Anschluss noch geschändet haben soll, aber nicht verschwinden lassen hat. Und ebenso wird niemand von jetzt auf gleich zum Serienmörder. Da Morgan zuvor noch niemanden umgebracht hat, sollte er noch eine gewisse Hemmschwelle haben.

Kielko auf der anderen Seite verhält sich in jeder Hinsicht atypisch, was ihn zu einem glaubwürdigen Verdächtigen macht. Er entwickelt zunehmend eine Persönlichkeit und verstößt dabei immer häufiger gegen seine Programmierung. Obendrein agiert er komplett widersprüchlich. Um seinen Besitzer zu beschützen, greift er die andere Besitzerin an. Warum schlägt er sich auf die Seite des betrügerischen Ehemanns, der mindestens einen der Morde begangen hat? Selbst wenn Kielko niemanden getötet hat, deutet allein das schon auf einen defekten moralischen Kompass hin. Ebenso, dass er die Schuld auf sich nimmt, denn damit gefährdet er weitere Menschenleben, da der wahre Mörder ungestraft davonkommt.

Futuristisches Setting

Während die Geschichte einige Fragen aufwirft, gibt es an der grafischen Umsetzung so gut wie nichts auszusetzen. Der Detailgrad der Zeichnungen ist hervorragend. Die Umgebungen wirken dadurch sehr lebendig, vor allem die Straßen von L.A., die mit zahlreichen Passanten und Autos bevölkert sind. Diese sind auch im Hintergrund extrem gut herausgearbeitet und nicht vereinfacht, wie das oft der Fall ist.

Die Körperhaltungen der Charaktere sind natürlich und es wurde dabei auch sehr viel Wert auf die Hände gelegt. Nur bei wenigen verkleinerten Darstellungen von Frauenhänden wirken die Fingerstellungen leicht verkrampft. Durchgehend gelungen ist derweil der Faltenwurf der Kleidung. Sofern die Charaktere etwas anhaben, denn Dorothy liegt des Öfteren mal oben ohne vor den Augen ihres kleinen Sohnes am Pool in der Sonne. Der Comic ist jetzt nicht pornografisch, aber auch nicht unbedingt jugendfrei. Wobei die menschliche Anatomie hier perfekt wiedergegeben ist. Es ist kaum zu glauben, dass dies Viskas Debütalbum sein soll, denn er hat offenkundig sehr viel Übung und das in jeder Hinsicht.

Gleichermaßen exzellent ist die Kolorierung. Die Farbpalette ist sehr stimmungsvoll und weiche Verläufe sorgen für ein naturalistisches Erscheinungsbild. Der Lichteinfall ist super, es mangelt nicht an Leucht- und Glanzeffekten. Auffällig ist, dass das Kapitel, in dem Kielko seinen Besitzer ins Vergnügungsviertel begleitet, schwarz umrandet ist, während die restlichen Comicseiten weiß sind. Dies markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung des Androiden.

Neben diesem dezenten Hinweis gibt es übrigens noch ein paar Easter Eggs. Als Kielko zum zweiten Mal Kylian von der Grundschule abholt, hält ein anderes Kind eine Ninja Turtle-Figur in der Hand. Auf derselben Seite ist ein Polizeiauto zu sehen, dessen Design verdächtig an den Spinner aus Blade Runner erinnert.

Fazit: Mörderisch gut

Der Comic besticht vor allem durch seine grandiose Optik, die einen magisch in die Handlung hineinzieht. Diese beginnt durchaus optimistisch, doch nach und nach tun sich sowohl menschliche als auch robotische Abgründe auf. Da diese mit Blut und viel nackter Haut einhergehen, ist Band vier der Androiden-Reihe nicht für Kinder geeignet! Erwachsene können sich hingegen an den gelungenen Zeichnungen erfreuen, die den Kauf des hochwertigen Hardcover-Bandes definitiv lohnen.

Info

Autor: Jean-Charles Gaudin
Zeichner: Viska
Farben: Digikore Studios & Bertrand Benoît
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite

 


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Warpskala

Warpskala
8 10 0 1
  • Story
    7/10
  • Zeichenstil
    10/10
  • Kolorierung
    10/10
8/10
Total Score

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