Lohnt sich ein 20 Jahre altes Spiel wie Sid Meiers “Alpha Centauri” auch heute noch? Oder sollte man einen Bogen darum machen?

Sid Meier und Civilization

Sid Meier ist eine lebende Legende. Als Schöpfer unvergessener Meisterwerke wie Silent Service (1985), Pirates! (1987) oder Railroad Tycoon (1990) ist er aus der Geschichte der Computerspiele nicht wegzudenken. Doch gibt es ein Spiel, mit dem sich der 1954 geborene Kanadier selbst übertroffen hat: Civilization. Als das Spiel 1991 auf den Markt kam, ahnte Sid Meier sicherlich nicht, was in der Folge geschehen würde. Denn das Globalstrategiespiel, bei dem die Spielerinnen und Spieler eine Zivilisation ihrer Wahl von der Urzeit bis in die Moderne führen konnten, schlug ein wie eine Bombe. Und dabei sollte es nicht bleiben. Denn alle paar Jahre erschien ein Nachfolger auf dem Markt, sodass die Civilization-Reihe heute sechs Teile umfasst, von denen der letzte 2016 veröffentlicht wurde. Von den ganzen Ablegern, Add-ons, etc. fange ich jetzt gar nicht erst an.

Zu den spannenden Aspekten der Civilization-Reihe zählt, dass die Spielerinnen und Spielern zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen können, das Spiel erfolgreich zu beenden. So kann man zum Beispiel alle gegnerischen Völker militärisch besiegen oder sich zum Kopf der Vereinten Nationen wählen lassen. Meine Lieblingsvariante war immer eine andere: Der Weltraumsieg. Beim Weltraumsieg muss man seinen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vorsprung nutzen, um ein Raumschiff zu bauen. Dieses Raumschiff fliegt dann mit Siedlern zum nächstgelegenen Sonnensystem: “Alpha Centauri”. Einerseits ist dieser Weltraumsieg eine tolle Sache, weil man den Wettstreit der Zivilisationen (halbwegs) friedlich für sich entschieden hat. Andererseits würde man aber natürlich gerne wissen, wie es mit der Zivilisation, die man durch mehr als 6.000 Jahre Erdengeschichte geführt hat, auf Alpha Centauri weitergeht. Und genau da setzte Sid Meier an, als er gemeinsam mit Brian Reynolds 1999 Alpha Centauri auf den Markt brachte.

Alpha Centauri – Die Vorgeschichte

Anders als bei der Civilization-Reihe, bei der ja letztlich nur eine Zivilisation die Reise nach Alpha Centauri antreten kann, geht das Spiel davon aus, dass die Menschheit sich selbst inklusive Heimatplaneten zugrunde gerichtet hat. Daher beschließen die Vereinten Nationen, das Raumschiff “Unity” im Jahr 2060 mit ausgewählten Kolonisten nach Alpha Centauri zu senden, um dort den erdähnlichen Planeten Chiron zu besiedeln.

Doch leider kommt es gegen 2100 kurz vor der Ankunft der “Unity” zu einer Katastrophe. Aufgrund einer Fehlfunktion des Raumschiffes erwachen die Kolonisten aus dem Kälteschlaf und kurze Zeit später wird der Kapitän ermordet aufgefunden. So sammeln sich die Menschen auf dem defekten Schiff um sieben Führungspersönlichkeiten, die sich aufgrund von Charakter und politischer Überzeugung sehr voneinander unterscheiden. Jede ideologische Gruppe flieht unabhängig von den anderen Fraktionen auf den Planeten und bildet dort eine neue Gemeinschaft. Zwar ist somit die alte Unterteilung der Menschen in Rassen, Völker, Nationen, etc. erfolgreich aufgehoben, doch ändert dies nichts daran, dass bald schon gewaltsame Konflikte zwischen den Gruppen auftreten.

Sid Meier's Alpha Centauri (PC)

Das Spielprinzip

Wie Civilization funktioniert auch Alpha Centauri rundenbasiert. Man wählt eine der sieben Gruppierungen und spielt diese von der Landung auf dem Planeten bis zu einem von 4 bzw. 5 möglichen Siegformen. Entweder gewinnt eine Gruppierung das Spiel durch militärische Überlegenheit, durch demokratische Wahl zum Anführer bzw. zur Anführerin des Planeten, durch wirtschaftliche Kontrolle oder durch das Erreichen der Transzendenz. (Letzteres bedeutet, dass man durch Ansammlung von Wissen in der Lage ist, in eine andere Daseinsform überzugehen.) Mit dem Add-on Alien Crossfire kamen sieben neue Gruppen hinzu, von denen zwei außerirdische Völker repräsentieren. Letzteren ist es möglich, den Sieg auf eine fünfte Art einzufahren, indem sie eine Flotte ihres Ursprungsvolkes herbeirufen.

Eingefleischte Civilization-Spieler finden sich eigentlich schnell zurecht, da eben vieles von der Vorlage übernommen wurde. Der Unterschied liegt darin, dass man statt auf der grün-blauen Erde auf dem eher rötlichen Chiron aktiv ist und statt z.B. mit Römern, Azteken oder Deutschen eben u.a. mit Kapitalisten, umweltliebenden Pazifisten oder einer christlichen Sekte spielt. (Die Fraktion “Gaias Stieftöchter” ist übrigens deutlich an die Gaia-Hypothese und an Isaac Asimovs Foundation-Reihe angelehnt.) Und natürlich fängt man da an, wo Civilization aufhört: In der Zukunft mit ihren neuen Technologien. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang erstaunliche Kombinationsmöglichkeiten bei militärischen Einheiten. Als besonders gelungen gilt bis heute das Diplomatiemenü, das dem der Civilization-Reihe überlegen war. Dies liegt nicht zuletzt an der gut agierenden KI, die speziell darin trainiert wurde, unkluge Entscheidungen zu vermeiden.

Bewertung des Spiels

Mit der Civilization-Reihe habe ich seit meinen Amiga-Zeiten unzählige Stunden verbracht und alles Mögliche ausprobiert. Es gibt vermutlich keine Spielereihe, die ich so exzessiv gezockt habe. Alpha Centauri hingegen habe ich (bis vor Kurzem) exakt einmal durchgespielt. Dennoch würde ich dem Spiel die Bestnote geben. Wie kommt das? Alpha Centauri ist ein großartiges Spiel, doch habe ich immer das historische Setting von Civilization bevorzugt. Daher habe ich mich in der Regel für unseren Heimatplaneten entschieden, wenn ich die Wahl zwischen Erde und Chiron als Grundlage für ein rundenbasiertes Strategiespiel hatte.

Alpha Centauri kann nicht mit den kommerziellen Erfolgen der sechs Civilization-Titel konkurrieren. Allgemein erfreut sich das Spiel dennoch bis heute zu Recht einer größeren Beliebtheit. Dies stellte ich ganz konkret fest, als ich das Originalspiel mit Add-on vor Jahren auf einer Verkaufsplattform anbot und völlig unerwartet einen unglaublichen Preis damit erzielt habe. Irgendwie ist mir das Spiel jedoch nie aus dem Kopf gegangen, sodass ich mir vor einem Jahr eine digitale Version für kleines Geld gönnte. Denn mit meiner heutigen Begeisterung für Science-Fiction weiß ich das Spiel ganz anders zu schätzen.

So freue ich mich heute nicht nur über Anspielungen auf Asimov (s.o.), sondern auch über Sandwürmer in den Wüsten Chirons. Frank Herberts Dune lässt grüßen! (Weitere Anspielungen auf Klassiker der Science-Fiction findet ihr hier.) Grundsätzlich loben Kritiker das Spiel immer wieder für seine außergewöhnlich gut ausgearbeitete Science-Fiction-Story, die oft mit den großen Erzählungen klassischer Sci-Fi-Autoren verglichen wird.

Daher befindet sich das Spiel mittlerweile wieder auf meiner Liste mit Titeln, die ich immer wieder gerne spiele, auch wenn es heute leicht angestaubt wirkt. Denn letztlich ist und bleibt es auch zu seinem 20. Geburtstag ein großartiges Spiel, das ich jedem empfehlen möchte, dem sowohl die Civilization-Reihe als auch Science-Fiction gefallen.

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Michael Kleu
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