Kehrt mit Alien: Romulus das Franchise zu den Wurzeln zurück?

Teenager versus Aliens

Rain Carradine (Cailee Spaeny) lebt als Waise auf dem Planeten Jackson’s Star, wo sie als Minenarbeiterin von Weyland-Yutani ausgebeutet wird. Ihr bester Freund ist der Androide Andy (David Jonsson), der schon ein paar Macken hat. Zusammen mit ihrem Ex-Freund Tyler (Archie Renaux), dessen schwangerer Schwester Kay (Isabela Merced), seinem Cousin Bjorn (Spike Fearn) und der Pilotin Navarro (Aileen Wu) plant sie die Flucht von dem trostlosen Planeten, auf dem nie die Sonne scheint. Als in dessen Orbit eine verlassene Raumstation auftaucht, wittern sie eine Gelegenheit, an die nötigen Kälteschlafkapseln für die lange Reise zu kommen. Doch die Zeit drängt, da die Station in die Ringe des Planeten zu stürzen droht.

Zunächst läuft alles nach Plan und die Kälteschlafkapseln sind schnell von der Remus-Abteilung der Station an Bord des Fluchtschiffes gebracht. Doch durch die Bergung des dazugehörigen Kühlmittels wecken die Jugendlichen spinnenartige Kreaturen im Kühlraum auf, die ihnen ins Gesicht springen. Außerdem verriegelt sich auch noch der Ausgang. Um die Tür aufzubekommen, erhält Andy ein Upgrade, welches ihm Zugang zum Stationssystem ermöglicht. Mit knapper Not können die Jugendlichen entkommen, doch einer der Facehugger erwischt Navarro.

Es gelingt zwar, Navarro von der Kreatur zu befreien, doch wurde sie bereits von ihr befruchtet. Sie, Kay und Bjorn flüchten auf ihr Raumschiff, lassen jedoch Rain, Tyler und Andy zurück. Sie opfern ihre Freunde, um in Sicherheit zu gelangen. Allerdings geht die Rechnung nicht auf, da Navarro nun ebenfalls schwanger ist. Doch ihre Schwangerschaft dauert bis zur Geburt statt neun Monaten gefühlt eher neun Minuten. Durch Navarros Tod gerät das Raumschiff außer Kontrolle und die beiden Überlebenden müssen im Hangar der Romulus-Abteilung notlanden.

Rain, Tyler und Andy müssen nun ebenfalls durch die von Facehuggern verseuchte Remus-Hälfte der Station nach Romulus gelangen. Hilfe erhalten sie dabei vom defekten Wissenschaftsdroiden der Station, dessen oberste Priorität die Sicherung des außerirdischen Genmaterials ist. Eine Priorität, die Andy seit dem Upgrade teilt. Neben den Xenomorphen, die sich in erster Linie als Biowaffen verwenden lassen, gibt es noch ein schwarzes Öl, welches aus den Kreaturen extrahiert werden konnte. Von diesem Mutagen erhofft sich der Weyland-Yutani-Konzern, Koloniewelten schneller terraformen zu können.

Im Romulus-Teil der Station angekommen, ist Navarros Xenomorph bereits aus seinem Kokon geschlüpft und hat dabei Bjorn getötet. Andy verhindert derweil die Rettung von Kay, die Rain allerdings später aus dem Aliennest retten kann, bevor sie von einem Facehugger infiziert wird. Am Ende können nur noch Rain, Kay und Andy fliehen, doch hat sich die schwerverletzte Schwangere das Mutagen gespritzt, in der Hoffnung, es würde sie heilen. Ein schwerwiegender Fehler!

Kapitalismuskritik in vertrautem Ambiente

Der größte Pluspunkt von Alien: Romulus ist die Rückkehr zu den Wurzeln des Alien-Franchise. Fede Álvarez ist es dabei nicht nur gelungen, an die Optik der ersten vier Alien-Filme anzuknüpfen, er siedelt auch die Handlung zwischen Alien und Aliens – Die Rückkehr an. Gleich zu Beginn wird der tote Xenomorph aus dem Trümmerfeld der Nostromo geborgen. Damit ist sofort klar, dass der Film eine Fortsetzung ist und kein Reboot.

Egal ob auf dem Minenplaneten oder der Raumstation, Alien-Fans werden überall von einem Gefühl der Vertrautheit umgeben. Verstärkt wird dieses durch die Rolle des Wissenschaftsandroiden Rook (Daniel Betts), der vom selben Modell wie Ash (Ian Holm) ist. Natürlich ahnt man dadurch bereits, dass dem halbierten Kollegen nicht zu trauen ist. Wobei er natürlich nur seiner Programmierung folgt und für diese ist Weyland-Yutani verantwortlich.

Was für ein Dreckskonzern das ist, sieht man bereits auf dem Planeten Jackson’s Star. In der Kolonie werden Minenarbeiter sowie deren Kinder massiv ausgebeutet. Kaum hat Rain endlich ihre Quote erfüllt, um die Chance zu erhalten, auf einen anderen Planeten überzusiedeln, wird die Quote kurzerhand verdoppelt. Durch diesen Akt der puren Willkür realisiert sie, dass man sie niemals gehen lassen wird. Sie ist faktisch eine Sklavin.

Aufgrund dieser Erkenntnis lässt sie sich auf das Abenteuer ein, welches ihre Freunde planen. Navarro hat als Pilotin Zugang zu einem Raumschiff, allerdings fehlen diesem Kälteschlafkapseln. Um den jahrelangen Flug zu überleben, sind diese jedoch zwingend notwendig. Als über dem Planeten eine Raumstation außer Kontrolle gerät, sehen die Jugendlichen die Chance, dort an Kälteschlafkapseln zu kommen. Doch das ist nicht so einfach wie gedacht, denn die geheimen Forschungsprojekte von Weyland-Yutani sind absolut tödlich, was bereits die komplette Besatzung der Station erfahren musste. Der Konzern geht wie immer über Leichen.

Und wozu das Ganze? Die Xenomorphe lassen sich nicht kontrollieren, wobei die Mitarbeiter der Forschungsstation die Ersten waren, die diese Lektion lernen mussten. Und da die Crew bereits tot ist, ist Navarros Xenomorph bei weitem nicht der einzige, der auf der Station sein Unwesen treibt. Interessant ist an diesem Exemplar, dass sich der Chestburster verpuppt und der ausgewachsene Xenomorph aus einem Kokon schlüpft. Dies steht keineswegs im Widerspruch zu den bisherigen Filmen, in denen man diesen Prozess bisher nie zu sehen bekam. Wer sich also schon immer gefragt hat, wie aus einem so kleinen Brustsprenger nach nur einmal Häuten ein zwei Meter großer Xenomorph wird, erhält hier eine plausible Antwort. Visuell ist der Kokon dabei an H. R. Gigers dezent obszöne Genitalästhetik angelehnt, da die Öffnung mehr als offensichtlich einer Vagina nachempfunden ist.

Hommage oder doch schon Copy & Paste?

So schön es auch ist, dass sich Alien: Romulus visuell an die alten Alien-Filme anlehnt, man kann es zuweilen auch übertreiben. So wurden ganze Szenen aus Aliens – Die Rückkehr kopiert. Allen voran jene in der Kühlkammer, wo die Kids von Facehuggern angegriffen werden. Alles daran erinnert an die Szene, in der Ripley und Newt mit zwei Facehuggern in einem Raum eingesperrt sind. Die Tür ist verriegelt, der Raum voller Wasser und in rote Alarmbeleuchtung getaucht. Außerdem springt ein Facehugger einem der Jungs ins Gesicht, wie einst Ripley, wobei das Opfer in beiden Fällen befreit werden kann.

Eine weitere kopierte Szene ist jene, in der Tyler seiner Freundin Rain die Funktionsweise einer Waffe erklärt. Wer fühlt sich hier nicht an Ripley und Hicks erinnert? Und warum sind es eigentlich immer Männer, die den Frauen das Schießen beibringen müssen? Bei Ripley war das noch halbwegs nachvollziehbar, denn die Waffe war für sie neu und Hicks kannte sich als Marine damit aus. Bei der Wiederholung wird es dagegen zum sexistischen Klischee. Und nur so nebenbei ist Rains Waffe weitaus fortschrittlicher als jene der Marines in Aliens – Die Rückkehr, obwohl der Film einige Jahrzehnte früher spielt. Aber zu den Logikfehler gleich noch mehr.

Was das kopieren von Motiven angeht, gibt es noch so einiges zu entdecken. So spielt eine Szene, in der ein Xenomorph Rain beschnuppert sehr deutlich an eine ähnliche Szene aus Alien 3 an. Nur ist Rain nicht wie Ripley mit einer Königin schwanger. Den halbierten Rook hat wohl ein vergleichbares Schicksal ereilt wie Bishop, und bei seiner Reaktivierung kotzt er erst einmal weißes Androidenblut wie Ash. Aber okay, das kann wenigstens noch mit der identischen Technologie erklärt werden. Davon abgesehen wären der Androide Rook sowie das Set-Design eigentlich genug der Hommage gewesen. Allerdings sind die kopierten Szenen ohnehin nicht das größte Problem von Alien: Romulus.

Logikfehler und hässliche Mutanten

Der erste und gravierendste Logikfehler ist bereits das Auftauchen der Raumstation im Orbit von Jackson’s Star. Warum erfahren ausgerechnet die Jugendlichen davon, während der Weyland-Yutani-Konzern keinen Finger rührt, um seine Investitionen zu bergen? Immerhin gehört der ganze verdammte Planet, in dessen Ringe die Station zu stürzen droht, dem Konzern. Und da haben die weder entsprechendes Personal noch Ausrüstung vor Ort? Und es schert sich auch niemand, wenn ein paar Kids dort plündern gehen?

Das Verhalten der Jugendlichen ist auch nicht immer konsequent, was aber noch irgendwie entschuldbar ist. Immerhin handelt es sich nicht um abgebrühte Marines, sondern um unerfahrene Arbeiterkinder, die von dem Schrecken, den sie vorfinden, komplett überrumpelt werden. Zumindest bei Bjorn ist es aber nicht nur der Schock, der ihn dazu treibt, Rain, Tyler und Andy zurückzulassen. Er ist schon ein echt mieser Sack. Lediglich sein Groll gegen den Androiden Andy ist irgendwo nachvollziehbar, da seine Eltern aufgrund der Entscheidung eines anderen Androiden ums Leben gekommen sind. Das entschuldigt jedoch nicht, warum er auch zwei Freunde dem sicheren Tod überlässt.

Der Tod befindet sich natürlich schon längst an Bord und ereilt als erstes Navarro. Schön blöd, wenn man ausgerechnet eine Infizierte mitnimmt. Aber okay, tödliche Aliens sind halt noch etwas völlig Neues für die Kids. Und so werden erst einmal die unsympathischsten Charaktere dezimiert. Am sympathischsten ist tatsächlich der Android Andy, der zunächst wegen seiner Fehlfunktionen Mitleid erregt. Das Upgrade kann diese beseitigen und entschuldigt zugleich sein anschließendes arschiges Verhalten. Die neuen Direktiven hat er sich ja schließlich nicht ausgesucht. Am Ende wird er den Chip wieder los und damit wieder zum Helden.

Rook ist hingegen ein absolutes Monster, ähnlich wie schon der baugleiche Ash an Bord der Nostromo. Er hilft den Jugendlichen nur in so weit, wie sie dafür sorgen können, dass das genetische Material der Xenomorphe von der Station in Sicherheit gebracht wird. So erhalten sie von ihm den Auftrag, eine Probe des Mutagens mitzunehmen, damit er sie im Gegenzug in Sicherheit bringt. Doch wie haben die Wissenschaftler von Weyland-Yutani diese Substanz aus den Xenomorphen extrahiert? Und mehr noch: Wie ist es ihnen überhaupt gelungen, aus der DNA eines ausgewachsenen Aliens Facehugger zu züchten, die keine Eier brauchen? Sogar Davids künstlich konstruierte Facehugger sind aus Ovomorphen geschlüpft.

Allein schon diese Logikfehler offenbaren, dass es die größte Schwäche des Films ist, zu versuchen, eine Brücke zu Prometheus und Alien: Covenant zu bauen. Also ausgerechnet zu den Filmen, mit denen Ridley Scott höchstpersönlich das von ihm geschaffene Franchise vor die Wand gefahren hat. Das führt dann auch gleich zum nächsten Logikfehler, denn im Labor sieht man das Hologramm einer Kanope, welche die Crew der Prometheus auf LV-223 gefunden hat. Blöd nur, dass abgesehen vom Androiden David niemand diese Mission überlebt hat. Und da die Romulus-Wissenschaftler das Mutagen auch nicht aus einer solchen Kanope erhalten haben, fragt sich, woher das Hologramm von selbiger stammt?

Hier wird versucht, auf Biegen und Brechen die alten Filme mit den Reboots zu verbinden. Das Einzige, was dabei halbwegs funktioniert, ist das musikalische Easter Egg, denn in der Szene, in der Rook das Mutagen erklärt, ist kurz eine Anspielung auf den Prometheus-Soundtrack zu hören. Ansonsten verhagelt die Bezugnahme auf die letzten beiden Filme das gesamte Ende von Alien: Romulus. Nachdem sich Kay das schwarze Öl injiziert hat, mutiert ihr Baby nämlich zu einer Mischung aus Konstrukteur und Was-auch-immer. Das hässliche Kalb ist obendrein in Sekundenschnelle ausgewachsen. Woher es die Materie nimmt, ohne zu essen? Das grenzt schon an Magie!

Das Finale ist an Absurdität und Groteske kaum zu überbieten. Obendrein ist es schon so eine Art Running Gag, dass irgendein Alien sich zum Ende immer an Bord des Rettungsschiffes schleicht. Im ersten Film war es der Xenomorph selbst, in Aliens – Die Rückkehr die Alienkönigin, in Alien – die Wiedergeburt das Newborn-Alien und in Alien: Covenant wieder einer der zwei Xenomorphe. Musste es in Alien: Romulus nun unbedingt ein kreidebleicher Hybrid sein und warum ähnelt der einem Konstrukteur und nicht dem Deacon aus Prometheus? Wie man es dreht und wendet, es ergibt keinen Sinn. Es wäre besser gewesen, mit der Tradition des blinden Passagiers zu brechen, wie es schon Alien 3 getan hat. Das hätte das Finale gerettet.

Fazit zu Alien: Romulus

Fede Álvarez hat im Prinzip fast alles richtig gemacht, was Ridley Scott bei den vorhergehenden zwei Filmen komplett falsch gemacht hat. Es werden keine neuen Spezies eingeführt, deren halbgare Mythologie dann wieder in der Versenkung verschwindet. Stattdessen konzentriert sich der Film auf die beliebten Xenomorphe und deren genetische Ausbeutung durch den Weyland-Yutani-Konzern. Das Ambiente entspricht dabei wieder den alten Filmen, was der größte Pluspunkt ist. Abgesehen von der Optik wird zum Glück nicht allzu viel kopiert. Álvarez bringt zudem eigene Ideen wie den Alien-Kokon oder Säureblut in Schwerelosigkeit ein.

Dass diesmal eine Handvoll Jugendlicher mit dem Grauen konfrontiert werden, mag gewöhnungsbedürftig sein, funktioniert aber durchaus gut. Obwohl nicht alle Charaktere sympathisch sind, haben sie immerhin mehr Tiefgang als die Crew der Prometheus, die überwiegend aus charakterlichen wie geistigen Totalausfällen bestand. Der Androide Rook folgt derweil nur seiner Programmierung und ist kein Soziopath wie David, dem sämtliche Sicherungen durchgebrannt sind.

Ein paar der Logikfehler des neusten Alien-Films sind gerade noch zu verschmerzen, auch in diesem Punkt waren Prometheus und Covenant wesentlich hanebüchener. Wobei Romulus jedoch komplett versagt, ist der klägliche Versuch, eine Brücke zwischen diesen beiden Vorgängern und den vier Klassikern zu schlagen. Das schwarze Öl ist dabei gar nicht mal das Problem, sondern eher der Logikfehler mit der Kanope und erst Recht die grottenhässliche Kreatur im Finale. Die beiden AvP-Filme als Brücke zwischen dem Alien– und Predator-Franchise funktionieren wesentlich besser als das! Wirklich schade, dass eine durchaus solide Fortsetzung am Ende durch so etwas ein Stück weit verhagelt wird.

Info

Drehbuch: Rodo Sayagues & Fede Álvarez
Regie: Fede Álvarez
Erscheinungsjahr: 2024

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